Marsmond Phobos in Gefahr?

Die HRSC an Bord von Mars Express hat detaillierte Bilder des Marsmondes Phobos aufgenommen. Phobos umkreist seinen Planeten ungewöhnlich eng.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: DLR.

Zum Vergrößern anklicken
Der Marsmond Phobos, fotografiert von der HRSC . Größere Version
(Bild: ESA/DLR/FU Berlin [G. Neukum])

Der Mars hat zwei Monde: “Phobos” (Furcht) und “Deimos” (Schrecken). Mars ist ein kleiner Planet, und seine Monde sind noch viel winziger, Größenordnung 10 bis 20 Kilometer. Beide umkreisen den Mars in ungewöhnlich niedrigen Umlaufbahnen, wobei der größere der beiden, Phobos, auch noch der Niedrigere ist und den Mars entsprechend schnell umkreist, etwas mehr als dreimal pro Marstag. Nach den Gesetzen der Astrophysik gibt es eine theoretische Grenze für den Mindestabstand zwischen einem Mond und seinem Planeten, und wie bei allen Monden, die ihren Planeten demnach zu nahe kommen, wird auch bei Phobos spekuliert, dass er sich vielleicht nicht für immer in seiner Umlaufbahn halten kann, sondern irgendwann entweder von Gravitations-Scherkräften zerstört werden oder sogar auf den Mars stürzen könnte. Ein weiterer Kandidat ist Jupiters Mond Io.

Am 22. August 2004 machte die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene, hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express diese detaillierten Aufnahmen von Phobos. Die aus einer Entfernung von weniger als 200 Kilometer fotografierten Bilder haben eine Auflösung von ungefähr sieben Meter pro Pixel. Phobos hat, typisch für seine Größe, keine Kugelgestalt, sondern ist unregelmäßig geformt: Seine geringe Schwerkraft hat nicht ausgereicht, die Berge und Täler seiner Oberfläche einzuebnen. Phobos und Deimos ähneln von ihrer Erscheinungsweise her Asteroiden, und wahrscheinlich stammen auch beide Monde letztlich aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.

Phobos in Farbe. (Bild: ESA/DLR/FU Berlin [G. Neukum]) Im Größenvergleich dazu der höchste Berg der Erde, der Mt. Everest.

Auch auf früheren Phobos-Aufnahmen war schon das auffallende Muster von parallelen Furchen zu sehen gewesen. Es gibt Spekulationen, dass diese noch von dem Einschlag her rühren, der den riesigen Krater verursachte, der diesen Mond verziert und dem man sogar einen eigenen Namen gegeben hat: “Stickney”. Auf den HRSC-Aufnahmen ist nun allerdings deutlich zu sehen, dass diese Furchen auffallend regelmäßig und parallel verlaufen und nicht etwa von Stickney (auf den Bildern links) als Mittelpunkt ausgehen, sondern den Mond praktisch überall überziehen, und es stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um oberflächliche “Schrammen” handelt, oder ob der Mond vielleicht einen Schichtenaufbau aufweist, was bei seiner anzunehmenden Vergangenheit als Teil eines größeren Körpers, gar eines Planeten, ja durchaus plausibel wäre.
Mit der einzigartigen Fähigkeit der hochauflösenden Stereokamera HRSC, Oberflächen nahezu gleichzeitig in zehn verschiedenen Kanälen aufzunehmen, wird die Bestimmung der Form des Mondes, seine Topographie, Farbe, die Lichtstreuung des staubförmigen Bodens, des Regoliths, aber auch die Messung von Rotations- und Orbitaleigenschaften des Mondes ermöglicht. Diese Bilder, die bei ihrer besten Auflösung sieben Meter pro Pixel erreichen, übertreffen hinsichtlich ihrer zusammenhängenden Abdeckung der beleuchteten Oberfläche die Daten von früheren Missionen. So nahm der NASA-Orbiter Viking (1976 bis 1978) zwar wenige kleine Gebiete mit einer Auflösung von einigen Metern auf, die Bilder waren jedoch aufgrund des nahen und schnellen Vorbeiflugs unscharf. Auch der Mars Global Surveyor der NASA machte 1998 spektakuläre Bilder von Phobos mit einer Auflösung von maximal vier Metern pro Bildpunkt, die sich aber im Wesentlichen auf die Umgebung von “Stickney” beschränkten.

None
Phobos in einer Aufnahme von Mars Global Surveyor . Das Bild wurde den HRSC -Fotos in Lage und Orientierung zwecks Vergleichbarkeit angepasst.
(Bild: NASA/Malin Space Science Systems)

Zur Überraschung der Forscher war Phobos schneller unterwegs als gedacht: Er war seiner berechneten Orbit-Position um etwa fünf Kilometer voraus. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass er sich nicht auf einem Kreis oder einer Ellipse, sondern einer sich immer weiter verengenden und damit beschleunigenden Bahn, also auf einer Spirale um Mars bewegt. Dann würde Phobos sich also immer weiter seinem Planeten annähern, und das müsste irgendwann zur Katastrophe führen. Die Aussicht, dass uns einer der Mars-Rover der NASA am Ende seiner Mission vielleicht noch spektakuläre Bilder des Phobos-Absturzes liefern könnte, ist freilich gleich Null, denn damit ist, wenn überhaupt, erst in Millionen von Jahren zu rechnen.

Dann würde es allerdings ungemütlich auf dem Mars: So klein Phobos auch ist, hat er mit Abmessungen von 27 mal 21,6 mal 18,8 Kilometer doch immerhin die Masse eines kleinen Gebirges, und wenn ein solcher Brocken etwa auf der Erde einschlagen würde, wäre es mit dem Leben, wie wir es kennen, erst einmal für eine Weile vorbei.

Die Frage nach Phobos’ Zukunft soll im Laufe der Mars-Express-Mission noch genauer untersucht werden.

None
Phobos in mehreren Ansichten.
(Bild: ESA/DLR/FU Berlin [G. Neukum])

In diesem Bild mit der Zusammenstellung von mehreren Ansichten von Phobos ist der Mond in verschiedenen Orientierungen zu sehen, da diese Aufnahmen in früheren Orbits von Mars Express gemacht wurden. Gerade diese Bilder dokumentieren durch ihre Variation von Orientierung und Beleuchtung hervorragend das auffallend regelmäßige Furchenmuster von Phobos.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars-Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hat, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Instituten und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des Principal Investigators (PI) Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Hier erfolgt auch die systematische Datenprozessierung. Die hier gezeigten HRSC-Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin erstellt.

Nach oben scrollen