Mission von VeneSat 1 beendet

Der Regelbetrieb von Venezuelas einzigem Kommunikationssatelliten VeneSat 1 alias Simón Bolívar 1 musste wegen technischen Problemen beendet werden. Das angeschlagene Raumfahrzeug anschließend in einen Friedhofsorbit zu verbringen gelang offenbar nicht in der für geostationäre Kommunikationssatelliten heute üblichen Art.

Quellen: ABAE, CGWIC, radiomundial.com.ve, Seradata, sina.cn, Xinhua.

VeneSat 1 alias Simón Bolívar 1 in Antennentestkammer.
(Bild: ABAE)
VeneSat 1 alias Simón Bolívar 1 in Antennentestkammer.
(Bild: ABAE)

VeneSat 1 befindet sich seit dem 29. Oktober 2008 im Weltraum. Dorthin hatte ihn eine chinesische Trägerrakete vom Typ LM-3B/E gebracht, die um 16:53 Uhr Weltzeit (UTC) vom Raumfahrtzentrum Xichang (XSLC) abgehoben war. Chinesischen Ursprungs ist auch ein Großteil der Hardware von VeneSat 1. Der Kommunikationssatellit basiert auf dem chinesischen Satellitenbus DFH-4.

Am 1. November 2005 hatten Venezuelas Ministerium für Forschung und Technik und Chinas Außenhandelsorganisation zur Vermarktung von Satelliten und Trägerraketen, die China Great Wall Industry Corp. (CGWIC), die Vereinbarung über die Bereitstellung eines Kommunikationssatelliten im Geostationären Orbit (GEO) unterzeichnet.

Für Überwachung und Steuerung entstanden zwei Kontrollzentren. Der Regelbetrieb wurde von einer Einrichtung auf einer BAMARI für Base Aérea Militar Capitán Manuel Ríos genannten Basis bei El Sombrero (9°21’25.0″N 66°54’51.0″W) erledigt. Als Backup fungierte eine Installation in Luepa. Die Einrichtung des Bodensegments folgte dabei Entwürfen der China Satellite Launch & Tracking Control General (CLTC). Entwurf und Herstellung des Satelliten besorgte Chinas China Academy of Space Technology (CAST), Unterstützung durch die Lieferung einzelner Kompetenten erfolgte gemäß einiger Quellen durch den französisch-italienischen Luft- und Raumfahrtkonzern Thales Alenia Space.

Start von VeneSat 1am 29. Oktober 2008.
(Bild: ABAE)
Start von VeneSat 1 am 29. Oktober 2008.
(Bild: ABAE)

Für den Betreiber des Satelliten, die Raumfahrtagentur Venezuelas (Agencia Bolivariana para Actividades Espaciales, ABAE), entstand ein Raumfahrzeug mit einer Startmasse von rund 5.060 Kilogramm. Es wurde mit 14 C-, 12 Ku– und 2 Ka-Band-Transpondern ausgerüstet und hätte sich 15 Jahre lang nutzbringend einsetzen lassen sollen. Bei Betriebsende hätten die beiden Solarzellenausleger von VeneSat 1 zusammen noch mehr als 7,75 Kilowatt elektrischer Leistung für die raumflugtechnischen Geräte und die Kommunikationsnutzlast an Bord bereitstellen sollen.

Probleme bei der Bereitstellung elektrischer Energie wurden dem Satelliten schließlich zum Verhängnis. Beim dritten auf dem DFH-4-Bus basierenden Kommunikationssatelliten überhaupt und dem ersten, der sich überhaupt längerfristig nutzbringend einsetzen ließ, kam es bei zwei aufeinander folgenden Ereignissen im Februar und März 2020 schließlich zum vollständigen Verlust der Nachführbarkeit der beiden Solarzellenausleger.

Beim allerersten auf dem DFH-4-Bus aus China aufgebauten Kommunikationssatelliten namens SinoSat 2 ließen sich die Solarzellenausleger gar nicht erst entfalten, und NigComSat 1 arbeitete nur etwa ein Jahr im All, bis seine Solarzellenausleger unbenutzbar wurden. Am 10. November 2008 war NigComSat 1 in einen Sicherheitsmodus versetzt worden, wegen eines Mangels an elektrischer Energie war es am Folgetag, dem 11. November 2008, dann zum vollständigen Systemausfall und Kontrollverlust gekommen.

Kontrollzentrum auf der Base Aérea Militar Capitán Manuel Ríos.
(Bild: ABAE)
Kontrollzentrum auf der Base Aérea Militar Capitán Manuel Ríos.
(Bild: ABAE)

Der Hauptkörper großer Kommunikationssatelliten wie der von VeneSat 1 ist im Regelbetrieb üblicherweise in einer stabilen Lage orientiert, die sicherstellt, dass die am Satelliten montierten Antennen die adressierten Ausleuchtzonen am Erdboden versorgen können. Damit die Satellitensysteme bei der wechselnden Beleuchtung durch die Sonne mit reichlich und vor allem ausreichend Strom versorgt werden können, gibt es Stellantriebe, mit Hilfe derer die Solarzellenausleger gedreht werden können. Fallen diese Antriebe aus, oder versagen zum Beispiel verbaute leitfähige Schleifringe zur Leistungsübertragung, sinkt die an Bord verfügbare elektrische Leistung – und zwar möglicherweise auf ein gefährlich niedriges Niveau – vielleicht so niedrig, dass an Bord verfügbare Akkumulatoren nicht mehr nachgeladen werden können.

Unter den Bauteilen eines Satelliten stellen seine Akkumulatoren solche großer Wichtigkeit dar. Am Boden vor dem Abheben aufgeladen versorgen sie Satellitensysteme typischerweise während des Starts und des Transports in den Weltraum. Anschließend können sie von Solarzellen nachgeladen werden und dienen der Überbrückung in Betriebsphasen ohne ausreichende Sonneneinstrahlung. Außerdem müssen sie die Stromversorgung der Satellitensysteme im Fall von ungeplanten Ereignissen, Anomalien und Notfällen übernehmen können.

Der unzureichende Ladestand der Akkumulatoren von VeneSat 1 war möglicherweise dafür verantwortlich, dass man während des Versuchs, den Satelliten in einen Friedhofsorbit zu steuern, die Kontrolle über ihn verlor. Vielleicht ging dem Satelliten im Verlauf der Manöver auch der Treibstoff aus und geriet anschließend in Schwierigkeiten – es gibt Varianten von Sicherheitsmodi, die zur Lageregelung auf ein funktionierendes chemisches Antriebssystem zugreifen. Ohne Treibstoff ist eine definierte Orientierung im Raum mit einer ausreichenden Beleuchtung der Solarzellenausleger dann schwierig und kann wiederum zu vollständiger Akkuentladung, Systemausfall und Kontrollverlust führen. Offizielle Mitteilungen von Hersteller und Betreiber des Satelliten zu den konkreten Vorgängen an Bord von VeneSat 1 liegen nicht vor.

Backup-Kontrollzentrum Luepa.
(Bild: ABAE)
Backup-Kontrollzentrum Luepa.
(Bild: ABAE)

Chinesische Staatsmedien verbreiteten, VeneSat 1 habe sich seit dem 13. März 2020 nicht mehr im Regelbetrieb befunden und sei nach einer Reihe von Manövern nun auf einer instabilen Bahn unterwegs. Letzteres meint wohl, dass der Satellit über keine aktive Lageregelung mehr verfügt. Xinhua berichtet, das Ministerium für Forschung und Technik Venezuelas habe mitgeteilt, der Satellit werde nach 11 Jahren Einsatz und auf Grund eines Fehlers keine Kommunikationsdienste mehr bereitstellen. An der Bereitstellungen eines Ersatzes für die Nutzer in Venezuela arbeite man mit Hochdruck.

Vor der Stilllegung seiner Kommunikationsnutzlast war VeneSat 1 bei 78 Grad West im GEO positioniert und stand damit in durchschnittlich rund 35.786 Kilometern Höhe an fester Position über dem Äquator. Nach den letzten Manövern ist VeneSat 1 auf einer Bahn unterwegs, deren erdfernster Punkt bei über 36.310 Kilometern über der Erde und damit im Bereich eines Friedhofsorbits liegt. Der der Erde nächstliegende Bahnpunkt befindet sich allerdings aktuell bei rund 35.840 Kilometern über der Erde. Aktiv kontrollierte Veränderungen der Bahn des Satelliten sind nicht mehr zu erwarten.

Ob der Satellit vor dem Kontrollverlust noch passiviert werden konnte, wurde ebenfalls nicht mitgeteilt. Zur Vermeidung von Ereignissen, bei welchen zusätzlicher Weltraumschrott generiert wird, ist es wünschenswert und sinnvoll, dass sämtliche in Tanks und Leitungen verbliebene Treibstoffe und Druckgase abgelassen werden, Akkumulatoren von ihrer Stromversorgung getrennt und entladen werden, sowie vorher nicht benutzte redundante pyrotechnische Komponenten – das können zum Beispiel Ventile sein – ausgelöst werden.

VeneSat 1 alias Simón Bolívar 1 ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 33.414 und als COSPAR-Objekt 2008-055A.

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