MMOD-Treffer beschädigte ISS-Solarzellensystem

Beim Umsetzen des P6-Solarzellenmoduls der ISS riss dieses beim Ausfahren ein. Erst jetzt konnten die wahren Umstände völlig geklärt werden. Das sich mit Mikrometeoriten und Weltraummüll beschäftigende NASA-Projekt, das „NASA Orbital Debris Program Office“, berichtet in der aktuellen Ausgabe über die wahre Ursache der Beschädigung des P6-Solarpaneels im Oktober 2007.

Ein Beitrag von Thomas Wehr. Quelle: NASA: Orbital Debris Program Office. Vertont von Peter Rittinger.

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Bild 1: STS-120: Eingerissenes P6-Solarpaneel der ISS
(Bild: NASA)

Während der STS-120-Mission im Oktober 2007 verlagerten die Astronauten das Solarzellenmodul P6 vom Z1-Truss-Element, wo es gut sieben Jahre lang die ISS mit Strom versorgte, zur endgültigen Position zum Ende des Portside Truss, dem backbord- oder linksseitigen Trägerelement.

Dazu musste die Solarzellenstruktur an der Z1-Position ein- und an der P6-Position wieder ausgefahren werden. Die Solarzellenstruktur besteht aus zwei sogenannten Flügeln, die mit SAW 2B und SAW 4B bezeichnet werden. Während des Ausfahrens des SAW-4B-Elementes entstanden an zwei Positionen Risse und das Manöver wurde bei ca. 90% des Ausfahrlänge gestoppt.

STS-120-Besatzung und Bodenkontrolle ermittelten, dass offensichtlich zwei ausgefranste Führungsdrähte die Führungsringe stoppten und dadurch die 90cm breiten und 30cm langen Risse entstanden (Bild1).

Während Außeneinsatz Nummer 4 (EVA#4) trennte Astronaut Scott Parzynski die verhakten Drähte von SAW 4B. Weiterhin wurden die Paneele mit Bändern verstärkt und auf ihre volle Länge ausgefahren.

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Bild 2: Geschmolzene Litzen vom rostfreien Führungsdraht der Solarpaneele
(Bild: NASA)

Die schadhaften Drähte wurden zunächst an Bord der ISS und schließlich zur Untersuchung der Ursache zurück zur Erde gebracht.

Das ausgefranste Ende der Führungsdrähte wurde unter dem Elektronenmikroskop vom „Hypervelocity Impact Team“ der NASA untersucht, welches sich mit Höchstgeschwindigkeits-Material-Einschlägen beschäftigt. Dabei fand man sieben einzelne Litzen, welche am ausgefransten Ende gebrochen waren – alle wiesen laut elektronenmikroskopischer Untersuchung Schmelzstellen auf. Dies ist ein sicheres Zeichen, dass die Beschädigung der Drähte durch MMOD-Partikel (Mikrometeroiten und Weltraummüll) geschah.

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Bild 3: Die Detailaufnahme einer Litze – die Rundungen in der Vergrößerung unten rechts entstehen beim Schmelzen
(Bild: NASA)

Diese Partikel treffen typischerweise mit hoher Geschwindigkeit auf. Die freiwerdende Energie war dabei so groß, dass ca. die 10- bis 100-fache Projektilmasse verformt oder geschmolzen wurde (Bild 2-3). Weitere Litzen des Drahtbündels wurden schließlich durch mechanische Einwirkung zerstört.

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Bild 4: Spektrum von Goldeinschlüssen im geschmolzenen Führungsdraht
(Bild: NASA)

Alles deutet darauf hin, dass ein MMOD-Treffer einen Teil der Litzen des Führungsdrahtes zerstörten. Ein Teil dieser Litzen verhedderte sich im Führungsring der Solarpaneele, was zu einem Abscheren weiterer Litzen führte, als sie gegen den Führungsring gedrückt wurden.

Laut NASA Program Office wurden nun weitere Aufwände betrieben, um die Herkunft des Einschlagpartikels zu bestimmen. So wurde die Einschlagstelle mit einem Röntgenspektrometer untersucht, um die Materialbestandteile aufzulisten. Die Führungsdrähte bestehen aus einem hohen Eisen-Chrom-Nickel-Anteil, welcher sich im Spektrum wiederfinden ließ. Auch Partikel von hohem Kohlenstoffgehalt konnten identifiziert werden und stammen wahrscheinlich von einer Kontaminierung durch die Transporttasche.

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Bild 5: Spektrum von Bismutheinschlüssen im geschmolzenen Führungsdraht
(Bild: NASA)

Allerdings fand man auch Fremdmaterialien, welche nicht im rostfreien Führungsdraht vorkommen.Bismut, Gold-Kupfer-Schwefel-, Gold-Silber-Kupfer-, Lanthan-Cer-, Antimon-Schwefel- und Wolfram-Schwefel-Verbindungen konnte so identifiziert werden (Bild 4-5).
Die Beschaffenheit der Partikel sei ein klarer Hinweis darauf, dass Weltraummüll wohl die Ursache für die Zerstörung der Litzen im Führungsdraht verantwortlich sei – für den Einschlag eines Mikrometeoriten gäbe es, so das Program Office weiter keinerlei Anhaltspunkt.

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