Ein internationales Team unter der Leitung von Curtin-Universität und ICRAR in Australien hat unter Beteiligung von Wissenschaftlern des MPIfR in Bonn eine neue Art von stellarem Objekt entdeckt, das unser Verständnis der Physik von Neutronensternen in Frage stellt. Eine Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie, Bonn.
Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie 19. Juli 2023.
19. Juli 2023 – Es könnte sich um einen ultralangperiodischen Magnetar handeln, eine seltene Art von Stern mit extrem starken Magnetfeldern, die gewaltige Energieausbrüche erzeugen können. Alle bis vor kurzem bekannten Magnetare setzen Energie in Intervallen von einigen Sekunden bis einigen Minuten frei. Das neu entdeckte Objekt sendet alle 22 Minuten Radiowellen aus und wäre damit der Magnetar mit der längsten Periode, der je entdeckt wurde.
Eine internationale Forschergruppe unter der Leitung von Dr. Natasha Hurley-Walker von der Curtin-Universität und dem „International Centre for Radio Astronomy Research“ (ICRAR) in Australien entdeckte mit dem „Murchison Widefield Array“ (MWA) in Westaustralien eine neue Art von Stern. Das Objekt, wahrscheinlich ein Magnetar, ein rotierender Neutronenstern mit extrem starken Magnetfeldern, die mehr als eine Milliarde Mal stärker sind als das stärkste auf der Erde erzeugte Magnetfeld, wurde als GPM J1839-10 bezeichnet. Er befindet sich in einer Entfernung von 15.000 Lichtjahren von der Erde in Richtung des Sternbilds Scutum (Schild). Es ist erst der zweite jemals entdeckte Magnetar mit extrem langer Ratationsperiode, der als rätselhaftes, vorübergehendes Objekt beschrieben wird, das in regelmäßigen Abständen auftaucht und wieder verschwindet und dreimal pro Stunde starke Energiestrahlen aussendet.
„Dieses bemerkenswerte Objekt stellt unser Verständnis von Neutronensternen und Magnetaren in Frage, die zu den exotischsten und extremsten Objekten im Universum gehören“, sagt Natasha Hurley-Walker, „Das erste dieser rätselhaften transienten Objekte hat uns überrascht. Wir waren verblüfft und begannen, nach ähnlichen Objekten zu suchen, um herauszufinden, ob es sich um ein isoliertes Ereignis oder lediglich um die Spitze des Eisbergs handelt.“
Beim Abscannen des Himmels mit dem MWA-Teleskop entdeckte das Team bald eine weitere Quelle, GPM J1839-10, die Energiestöße aussendet, die bis zu fünf Minuten dauern, fünfmal länger als beim ersten dieser Objekte. Folgebeobachtungen mit anderen Teleskopen bestätigten die Entdeckung und lieferten Details über die einzigartigen Eigenschaften des Magnetars.
„GPM J1839-10 ist eine ziemlich faszinierende Quelle, die sich scheinbar zu langsam dreht, um ein typischer Radiopulsar zu sein, aber auch zu stabil strahlt, um ein Radiomagnetar zu sein. Um die wahre Natur dieser Quelle zu verstehen, haben wir das Signal alle paar Millisekunden mit den von unserem Team entwickelten hochauflösenden Instrumenten zur Suche nach Pulsaren und schnellen Transienten abgetastet“, fügt Ewan Barr vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) hinzu, ein Mitautor der Veröffentlichung. „Die Beobachtungen zeigten eine feine Puls-Substruktur, die quasi-periodische Schwingungen aufweist. Ob diese eine intrinsische Eigenschaft der Quelle oder ihrer Umgebung sind, muss noch geklärt werden.“
Das Team hat auch damit begonnen, die Beobachtungsarchive der wichtigsten Radioteleskope der Welt nach weiteren Informationen zu dieser Quelle zu durchsuchen.
„Der Magnetar tauchte in Beobachtungen des „Giant Metre wave Radio Telescope“ in Indien auf, und das „Very Large Array“ in den USA hatte Beobachtungen, die bis ins Jahr 1988 zurückreichen“, erklärt Natasha Hurley-Walker. „Das war ein ganz unglaublicher Moment für mich. Ich war fünf Jahre alt, als unsere Teleskope zum ersten Mal Pulse von diesem Objekt aufzeichneten, aber niemand bemerkte es, und es blieb 33 Jahre lang in den Daten verborgen.“
Nicht alle Magnetare erzeugen Radiowellen. Einige liegen unterhalb der so genannten „Todeslinie“, einer kritischen Schwelle, an der das Magnetfeld eines Sterns zu schwach wird, um Radiowellen zu erzeugen. Da GPM J1839-10 weit unterhalb der Todeslinie liegt, sollte er sich zu langsam drehen, um Radiopulse zu erzeugen.
Alle 22 Minuten sendet die Quelle einen fünfminütigen Radiowellenpuls aus, und das seit mindestens 33 Jahren. Welcher Mechanismus auch immer dahinterstecken mag, er muss außergewöhnlich sein. Die Entdeckung hat wichtige Auswirkungen auf das Verständnis der Physik von Neutronensternen und des Verhaltens von Magnetfeldern in extremen Umgebungen. Sie wirft auch neue Fragen über die Entstehung und Entwicklung von Magnetaren auf und könnte Licht in den Ursprung rätselhafter Phänomene wie schneller Radiobursts bringen.
Das Forscherteam plant weitere Beobachtungen des Magnetars, um mehr über seine Eigenschaften und sein Verhalten zu erfahren. Sie hoffen, in Zukunft noch weitere Magnetare mit extrem langer Periode zu entdecken, die dazu beitragen könnten, das Verständnis dieser faszinierenden und rätselhaften Objekte zu verfeinern.
Weitere Informationen:
Das Murchison Wide-field Array (MWA), mit dem die Quelle GPM J1839-10 entdeckt wurde, ist ein Vorläufer des weltweit größten Radioastronomie-Observatoriums, des SKA-Observatoriums (SKAO), das derzeit in Australien und Südafrika aufgebaut wird.
Zusätzliche Beobachtungen erfolgten mit drei australischen Radioteleskopen (Parkes, ASKAP, ATCA), mit MeerKAT in Südafrika, dem Vorläufer des SKAO für den mittleren Frequenzbereich, und mit dem Weltraum-Röntgenteleskop XMM-Newton.
Die Autoren der Veröffentlichung sind N. Hurley-Walker, N. Rea, S. J. McSweeney, B. W. Meyers, E. Lenc, I. Heywood, S. D. Hyman, Y. P. Men, T. E. Clarke, F. Coti Zelati, D. C. Price, C. Horvath, T. J. Galvin, G. E. Anderson, A. Bahramian, E. D. Barr, N. D. R. Bhat, M. Caleb, M. Dall’Ora, D. de Martino, S. Giacintucci, J. S. Morgan, K.M. Rajwade, B. Stappers und A. Williams. Yunpeng Men und Ewan Barr sind Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie.
Originalpublikation:
N. Hurley-Walker et al.: A long-period radio transient active for three decades, Nature, 19. Juli 2023
https://www.nature.com/articles/s41586-023-06202-5
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