N-1

Sie bildete das Pendant zur Saturn 5 und sollte den ersten Russen zum Mond bringen: die N-1 sollte die Führung der UdSSR im Weltraum ausbauen, doch wurde sie zu einem Desaster.

Autor: Daniel Maurat. Vertont von Dominik Mayer.

Geschichte

Jungfernflug der N-1 am 21. Februar 1969.
(Bild: Videokosmos)

Nach den ersten großen Erfolgen der sowjetischen Raumfahrt in den 1950er Jahren wollte der Leiter des führenden Konstruktionsbüros OKB-1, Sergeji Koroljow, der auch als Vater der sowjetischen Raumfahrt gilt, weiter hinaus als nur unbemannt in den Erdorbit. So entwickelte er noch in den 1950er Jahren verschiedene Pläne, so etwa ein bemanntes Raumschiff (die spätere Wostok, aber auch eine komplett neue Raketenfamilie, die er noch N-Serie. Die erste Rakete, die N-1 sollte nach den ersten Plänen 50 t in den Erdorbit bringen, was damals wie heute eine sehr große Nutzlastkapazität ist (heute gibt es nur Konzepte, welche diese Nutzlastkapazität erreichen oder übersteigen). Diese Rakete sollte sowohl ein Fly-By-Marsraumschiff in den Weltraum bringen als auch eine militärische Raumstation. Die kleinere N-11 sollte dagegen für schwerere Satelliten in den Erdorbit und in den geostationären Orbit genutzt werden. Die N-111 schließlich sollte die R-7 ersetzen. Im Verlauf der nächsten Jahre stieß dieses Projekt außerhalb von OKB-1 aber auf viel Kritik: so sprachen sich unter anderem Wladimir Tschelomei, Leiter von OKB-52 (heute bekannt als NPO Maschinostrojenija), Michail Jangel, Leiter von OKB-586 (heute bekannt als KB Juschnoje) und Walentin Gluschko, Leiter von OKB 456 (heute NPO Energomash), welcher auch die Triebwerke der R-7 entwickelte, gegen dieses Projekt aus. Doch im März 1961, einen Monat vor dem Start von Juri Gagarin in den Weltraum, erhielt Koroljow zumindest ein kleines Budget für die Entwicklung der N-1. Eine Vorgabe war, dass der erste Start noch bis 1965 stattfinden sollte.

Im Mai 1961 spitze sich der Wettlauf in den Weltraum zu. Als John F. Kennedy das Apollo-Programm verkündete, welches bis Ende des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond bringen sollte, nahm Koroljow dies als Anlass, die sowjetische Führung davon zu überzeugen, selbst in dieses Rennen zum Mond einzusteigen. Die sowjetische Führung stimmte diesem zu und Koroljow stellte intern den russischen Plan für einen Mondflug vor: mit mehreren Starts der N-1 sollten die Teile eines Mondraumschiffs in den Weltraum gebracht und im Erdorbit zusammengebaut werden. Als bemanntes Raumschiff sollte das sich in der Entwicklung befindliche Sojus-Raumschiff dienen. Doch gab es in der Frage der Triebwerke einen heftigen Streit: Gluschko, der in der Sowjetunion führende Experte für Triebwerke schlug als Triebwerk für die Rakete das RD-270 vor. Dieses Triebwerk liefert einen großen Schub und arbeitet sehr effizient. Auch ist der Treibstoff auch bei normalen Temparaturen, anders als flüssiger Sauerstoff, der einen Siedepunkt von etwa -180°C hat, lagern. Doch hatte es einen Nachteil: als Treibstoffe brauchte man Distickstofftetroxid (N2O4) als Oxidator und Unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH) als Treibstoff, ein hoch toxischer Treibstoffmix. Koroljow lehnte diesen Treibstoffmix kategorisch ab, doch Gluschko verfocht ihn vehement. Darauf lehte dieser ab, die Triebwerke zu bauen, und Koroljow begab sich zu Nikolai Kuznetsow, Leiter von OKB-276, welches bisher nur Flugzeugtriebwerke gebaut hat. Dieser stellte sich bereit, die Triebwerke zu bauen. Sein Vorschlag, das NK-15, welches in den ersten drei Stufen der Rakete in verschiedenen, für die Stufe spezialisierte Auslegungen verwendet werden sollte, war aber viel zu unterdimensioniert für einen Träger wie die N-1. Also beschloss man, mehrere Triebwerke pro Stufe zu bündeln, um so den nötigen Schub zu errechen. Dieses Prinzip wurde in der UdSSR schon lange genutzt, so etwa bei der R-7, welches zwar nur fünf Triebwerke, aber 32 Brennkammern hat. Dabei sollten allein in der ersten Stufe 30 Triebwerke, angeordnet in zwei Ringen, gebündelt werden. Solch eine Anzahl an Triebwerken war ein rechenteschnisches Monster, welches auch schwer zu testen sei.

Das Mondraumschiffkomplex L3, bestehend aus (v.r.n.l): Block G, Block D, LK-Lander, LOK-Orbiter, Startabbruchsystem
(Bild: Videokosmos)

Zur gleichen Zeit schlug Wladimer Tschelomei vor, eine zirkumlunare (eine Erdumlaufbahn, deren erdfernster Punkt beim Mond ist) Mission zu fliegen. Dazu sollte eine Sojus ohne kugelförmiges Orbitalmodul, welches L1 genannt wurde, mit einer Oberstufe gestartet werden. Das Ziel war, noch vor den USA zum Mond fliegen zu können. Eine Landung war von Anfang an nicht vorgesehen. Als Startvehikel schlug er vor, drei Raketen vom Typ UR-200, welche er entwickelt hat, zu bündeln. Dieser Träger sollte den Namen UR-500 tragen. Doch Gluschko, der mit seinem Triebwerk bei Koroljow weniger Erfolg hattte, schlug Tschelomei vor, die UR-500 auf Basis des RD-270 zu entwickeln. Die daraus resultierende Rakete, die später unter dem Namen Proton bekannt wurde, spielt auch heute noch eine entscheidene Rolle für die russische Raumfahrt. Die UR-500, ausgerüstet mit einer Oberstufe, hätte L-1 zum Mond bringen können. Dieses Konzept wurde vom sowjetischen Militär gefördert, weil der Träger auch in der Lage war, schwere Nutzlasten in den nahen Erdorbit und in den geostationären Orbit zu bringen.

Zeichnung eines LOK-Raumschiffes.
Künstlerische Darstellung
(Bild: NASA)

Ein zweites Mondprogramm war aber für Koroljow kontraproduktiv, weil dies bedeutete, dass Geldmittel für seinen Träger fehlten. Auch begannen die USA, ihren Rückstand auf die UdSSR aufzuholen. Vor allem das Projekt Gemini, welches vor allem zur Erwerbung von Fähigkeiten wie Erfahrung bei längeren Flügen (bis zu zwei Wochen), Weltraumausstiege, Docking etc. gedacht war. Um trotzdem noch vor den USA zum Mond zu gelangen, machte Koroljow einen Vorschlag für eine größere N-1, welche eine bemannte Landung ermöglichen würde. Auf den dreistufigen Träger käme ein neues Mondraumschifpaket mit dem Namen L3. Dieses sollte aus einer Transferstufe, eine weiteren Stufe zum Bremsen in den Mondorbit, einem Lander mit dem Namen LK und einer angepassten Sojus, der LOK. Im August 1964 wurde von der sowjetischen Führung ausgewählt. Sein Gegenspieler, Tschelomei, hat zwar ein eigenes Konzept auf Basis der UR-700, eine Bündelung von Teilen der Proton, doch wurde es nciht ausgewählt. Er bekam aber den Auftrag, mit seiner zirkumlunaren Kombination UR-500/L1 weiterzumachen. Aber man nahm zu dieser Kombination noch die Bremsstufe von L3, der Block D, als Oberstufe sowohl für L1 als auch für weitere Missionen mit der UR-500.

Ein LK-Lander Künstlerische Darstellung
(Bild: RKK Energija)

Aufgrund der zu geringen Geldmittel gab es mehrere Probleme, vor allem bei der Testphase. So war es nicht möglich, einen Teststand für die Erststufe zu bauen, um das Zusammenspiel der 30 Triebwerke zu erforschen, da dies einfach finanziell nicht tragbar war.

Ein großer Rückschlag für das Programm war der Tod Sergeji Koroljows am 15. Januar 1966, als dieser bei einer Routine-OP verstarb. Die Leitung des OKB-1 und damit des N-1-Programms übernahm nun sein Stellvertreter, Wassili Mischin. Doch dieser hatte nicht Koroljows Qualität, so etwa im Umgang mit den Politfunktionären, sodass das gesamte Programm eine Zeit lang in der Schwebe stand. Doch schließlich konnte das Programm gerettet werden und man arbeitete daran, noch vor den Amerikanern zum Mond zu gelangen.

Versionen

Von der N-1 gab es mehrere geplante Versionen, welche zum Teil nur auf einigen Stufen des Trägers basierten:

N-1

Die N-1 ist die Basisvariante der gesamten Familie. Diese basiert auf den Stufen Block A, Block B und Block W. Diese Grundversion sollte in der Lage sein, 50 t in den Erdorbit zu bringen.

N-1/L3

Die N-1/L3 ist eine N-1, welche um das Mondpaket L3 erweitert wurde. Dieses bestand aus den bereits genannten Elementen:

  • Eine Transferstufe, der Block G. Sie sollte die Funktion der Drittstufe der Saturn 5 übernehmen und das Gespann auf einen Transferorbit zum Mond bringen. Nachdem man auf diesem ist, wird Block G vom Rest des Raumschiffs abgetrennt.
  • Die Bremsstufe, der Block D, sollte das Gespann in den Mondorbit abbremsen. Darüber hinaus sollte es einen Großteil des Abstiegs zum Mond mit dem Lander durchführen, indem es diesen abbremst. Wenn die Stufe ausgebrannt ist, wird diese abgetrennt und sie schlägt auf dem Mond auf
  • Der Mondlander, bekannt unter dem Namen LK (Lunnij Korabl für Mondschiff), sollte einen Kosmonauten zum Mond bringen. Nach der Abtrennung des Block D übernehmen die bordeigenen Triebwerken den restlichen Abstieg zur Oberfläche. Einmal gelandet, soll der Kosmonaut für zwei Stunden auf dem Mond in seinem Raumanzug arbeiten. Nach diesem Ausstieg steigt dieser zurück in sein Raumschiff und der Lander startet zurück in den Orbit.
  • Das Orbitalraumschiff, das LOK, basiert auf der Sojus, ist aber für den Flug zum Mond angepasst. So besitzt es ein größeres Servicemodul mit stärkeren Triebwerken, um aus dem Mondorbit wieder zur Erde zurück zu fliegen. Auch besitzt es keine Solarzellen und die Stromversorgung läuft über Brennstoffzellen, wie bei den Apollo-Raumschiffen. Eine Besonderheit ist das Kopplungssystem zwischen Raumschiff und Lander: das Kontakt-Kopplungssystem ist nur ein mechanisches Kopplungssystem ohne einen Tunnel für den Transfer zwischen den beiden Elementen. Dieser verläuft über einen Weltraumausstieg, wobei ein Kosmonaut das Orbitalmodul als Luftschleuse nutzt, um von dort in den Lander umzusteigen. Nachdem beide Raumschiffe nach der Landung wieder zusammengekoppelt wurden, steigt der Kosmonaut mitsamt Proben vom Mond zurück ins Orbitalmodul.
Eine N-2 mit einer Nutzlastverkleidung für ein Sojus-Raumschiff.
Künstlerische Darstellung
(Bild: Mark Wade)

N-1F

Von Anfang an war klar, dass das NK-15 als Basis für die Triebwerke viel zu schwach war, um die Fähigkeiten der Rakete voll auszunutzen. Deswegen entwickelte man das Triebwerk NK-33, welches auch heute noch als eines der effizientesten und für seine Größe leistungsfähigsten Triebwerke ist. Dieses, angepasst an die restlichen Stufen, sollte in den drei ersten Stufen eingesetzt werden.

N-2

Die N2 (manchmal auch als N-11 oder N-II) basiert auf der N-1, nutzt aber nur die Zweit- und Drittstufe sowie die Block G des L3-Mondpakets. Diese Rakete wäre vergleichbar mit der Proton gewesen. Zudem gab es Pläne für eine N-2, welche mit sechs Atomsprengköpfen plus Orbital-Manövereinheit, der N-2-GR Block W ausgerüstet war, zu starten. Die Sprengköpfe hätten dann zu beliebigen Zeitpunkten zu ihrem Ziel gelenkt werden können und hätten die Vorwarnzeit für den Gegner entweder minimiert oder gänzlich ausgemerzt. Diese Rakete hätte den Namen N-2-GR (GR für Globale Rakete) bekommen.

N-3

Die N-3. Künstlerische Darstellung
(Bild: Mark Wade)

Die N-3 (auch N-111 oder N-III) nutzt nur noch die Drittstufe der N-1 und die Orbitalmanövereinheit der N-2-GR, die N-2-GR Block W als Zweitstufe. Diese Rakete wäre vergleichbar mit der R-7 und ihren Nachfahren gewesen.

N-1M

Die N-1M basiert auf der Erststufe Block A der N-1, nutzt aber drei neue kryogene Stufen, welche flüssigen Wasserstuff und flüssigen Sauerstoff als Treibstoff und Oxidator nutzen. Damit verfolgte man ein ähnliches System wie bei der amerikanischen Saturn 5. Als Treibwerk hätte man das neue RD-56 genommen, welches in den Stufen gebündelt werden sollte.

Darüber hinaus gab es weitere Pläne für diese Raketenfamilie: so sollte es auch Stufen mit einem nuklearen Antrieb geben oder eine Variante einer kryogenen Block A mit vier Jettriebwerken, die als SSTO-Rakete (Single Stage to Orbit, Eine Stufe in den Orbit) hätte genutzt werden können.

Technik

Ein Blick auf die Triebwerke des Block A. Gut erkennbar sind die 30 Triebwerke, welche in zwei Ringen angeordnet sind.
(Bild: RKK Energija)

Die N-1 besitzt drei Stufen, welche bei der Konfiguration mit dem L3-Mondraumschiff um zwei Stufen erweitert wird:

  • Die erste Stufe, auch Block A (russ. Блок А), war ein Monster von Stufe. Sie verjüngt sich, wie die zweite und die dritte Stufe, nach oben. Das liegt daran, dass die Entwickler die Strukturmasse und damit auch das Volumen gering halten wollten, weswegen sie auch kugelförmige Tanks für die Triebstoffe nutzte. Da aber das benötigte Volumen von Kerosin geringer war als der des flüssigen Sauerstoffes, verjüngt sich eben die Stufe. Block A war 30,10 m lang, hatte einen Durchmesser von 9,80 m an der Spitze bis zu 22,40 m an der Basis und wog voll betankt 1.874 t, die N-1F 1.888,8 t etwas mehr. Die Stufe wurde im Vergleich zur N-1 etwas umkonstruiert, so etwa bei den Triebwerken und auch die Abdeckungen der Treibstoffleitungen an der Außenseite. Als Triebwerk nutzte sie das Kusnetzow NK-15 mit je einem Schub von 1.379 kN, also akkumuliert ein Startschub von 41,36 MN und brannten 125 Sekunden lang. Die N-1F sollte dagegen das weiterentwickelte NK-33 bekommen, welches einen Schub von 1.526 kN, akkumuliert ein Startschub von 45,78 MN. Bei den Triebwerken sind 24 von ihnen in einem äußeren Ring angeordnet und die restlichen sechs in einem inneren Ring. Diese werden nach 90 Sekunden Flug abgeschaltet, um die Belastungen für die Rakete und gegebenenfalls für die Besatzung gering zu halten. Dabei kann die Rakete das Ausfallen von bis zu drei Triebwerken verkraften. Dabei werden das defekte sowie das gegenüberliegende Triebwerk ausgeschaltet und die restlichen Triebwerke brennen dafür umso länger. Wie erwähnt nutzt man als Treibstoff RP-1 und als Oxydator LOX.
  • Die zweite Stufe mit dem Namen Block B (russ. Блок Б) ähnelte vom Aufbau her Block A, ist aber nicht so stark wie diese. Die Stufe an sich war 20,50 m lang, hatte einen Durchmesser von 6,80 m an der Spitze und 9,80 m an der Basis und wog voll betankt 560,3 t. Die acht Triebwerke vom Typ Kusnetzow NK-15V lieferten je einen Schub von 1.648 kN, also zusammen 13.184 kN. Bei der N-1F wurde das NK-43, eine an den Vakuumbetrieb angepasste Variante des NK-33, genutzt mit je einen Schub von 1.754 kN und einem Gesamtschub von 14.034 kN. Als Treibstoff nutzte man RP-1 und LOX als Oxydator.
  • Die dritte Stufe, der Block W (russ. Блок В), basiert auf die Stufen Block A und Block B. Die Stufe an sich war 11,10 m lang, hatte einen Durchmesser von 5,50 m an der Spitze und 6,80 m an der Basis und wog voll betankt 188,6 t. Als Triebwerke nutzte man vier Kusnetzow NK-21, welche für 330 Sekunden Brenndauer einen Schub von je 442,5 kN und einem Gesamtschub von 1770 kN lieferten. Die N-1F hätte das NK-39 genutzt, welches einen Schub von 402 kN gehabt hätte, also akkumuliert ein Schub von 1.608 kN. Als Treibstoff nutze man den Treibstoffmix aus RP-1 und LOX.

  • Die vierte Stufe, der Block G (russ. Блок Г), war als Transferstufe für das Mondraumschiffkomplex L3 geplant. Die Stufe an sich war 9,1 m lang, hatte einen Durchmesser von 3,9 m und wog voll betankt 61,5 t. Als Triebwerk nutzte man ein Kusnetzow NK-19 mit einem Schub von 394 kN bei einer Gesamtbrenndauer von 470 Sekunden. Die N-1F hätte das NK-31 genutzt, welches einen Schub von 402 kN gehabt hätte. Als Treibstoff nutze man den Treibstoffmix aus RP-1 und LOX.

  • Die fünfte Stufe, der Block D (russ. Блок Д), welche auch als Oberstufe für das L1-Raumschiff geplant war, war die Bremsstufe für den Mondorbit und auch die Abstiegsstufe des Landers LK. Die Stufe an sich war 6,30 m lang, hatte einen Durchmesser von 3,70 und wog voll betankt 18 t. Als Triebwerk nutzte man ein OKB Koroljow RD-58 mit einem Schub von 83,4 kN bei einer Brenndauer von 600 Sekunden. Als Treibstoff nutze man den Treibstoffmix aus RP-1 und LOX.

Starts

Eine N-1 wird zum Startplatz gebracht. Typisch für russische Träger wird die Rakete horizontal transportiert.
(Bild: RKK Energija)

Im Zeitraum von 1969 bis 1973 gab es vier Starts der N-1, wobei drei der vier Start aufgrund eines Defektes in der Erststufe Block A fehlschlug. Als Starplätze nutzte man im Kosmodrom Baikonur in der damaligen Sowjetrepublik Kasachstan den Startkomplex 110, welcher aus zwei Startplattformen bestand.
Der Jungfernflug der N-1fand am 21. Februar 1969, doch stürzte die Rakete nach knapp 70 Sekunden Flug wieder ab. Bei der Telemetrie-Auswertung kam man auch hinter die Ursache: 0,37 vor dem Abheben bemerkte der Computer eine Fehlfunktion in einem Triebwerk und schaltete dieses und das ihm gegenüberliegende ab. In der 54. Flugsekunde kam es schließlich zu einem Brand in der Triebwerkssektion, welcher mehrere Triebwerke betraf. Nach 69 Sekunden Flug erreichte dieser Brand den Kabelbaum und der Bordcomputer erhielt keine Daten mehr, worauf er gleich die gesamte Stufe abschaltete. Darauf stürzte die Rakete knapp 45 km vom Startplatz entfernt in die kasachische Steppe.
Flug 2 am 3.Juli 1969, also knapp zwei Wochen vor dem Start von Apollo 11, schlug auch fehl, wenn nicht gleich spektakulärer. Die Rakete war keine 200 m hoch geflogen, als der Bordcomputer alle Triebwerke abschaltete, da die Oxidatorpumpe eines Triebwerks ausfiel. Die praktisch voll betankte Rakete fiel zurück auf die Startrampe und explodierte mit der Kraft einer kleinen Atombombe, wobei der Startplatz komplett zerstört wurde. Damit war das Ziel, noch vor den USA auf dem Mond zu landen, endgültig unerreichbar geworden. Doch wurde das Programm weiter betrieben und die Startanlage wieder aufgebaut.
Beim dritten Flug am 27. Juni 1971 wurde als Reaktion auf den vorherigen Fehlschlag erstmals ein so genanntes Rollmanöver durchgeführt, wobei die Rakete vom Startplatz weggeschwenkt wird. Doch dieses Manöver führte dazu, dass die Rakete immer mehr aus dem Gleichgewicht geriet. Nach 47 Sekunden Flug brachen Teile des L3-Komplexes ab und vier Sekunden später stellte die gesamte Rakete ihren Dienst ein. Das Gespann schlug etwa 20 km vom Startplatz entfernt auf den Boden auf.
Flug 4 fand schließlich am 23. November 1973 statt. In der Zeit zwischen Flug 3 und Flug 4 wurde die Rakete modifiziert und sah nun von außen so aus, wie man es bei der N-1F beabsichtigte, doch hatte man noch die alten Triebwerke verbaut. Zunächst schien der Start gut zu verlaufen, doch explodierte die gesamte Rakete 107 Sekunden nach dem Start, wenige Sekunden vor dem Brennschluss der Erststufe. Nach der Auswertung der Daten stellte man fest, dass es aufgrund der Abschaltung der sechs inneren Triebwerke zu Vibrationen in den Treibstoffleitungen kam. In diesen kam es zu einem Riss, woraus sich ein Feuer entwickelte, welches schließlich zu Explosion führte.

Ende

Nach dem letzten Fehlstart im November 1973 arbeitete man zunächst weiter am Projekt und plante einen weiteren Start im August 1975. Doch im OKB-1 gab es dann eine entscheidende Wende: Im Mai 1974 wurde Wassili Mischin entlassen und sein Nachfolger wurde der wohl größte Gegner der N-1, Walentin Gluschko. Dieser stoppte umgehend das N-1-Programm und konzentrierte sich darauf nur noch auf die Entwicklung eines wiederverwendbaren Raketensystems, ähnlich dem amerikanischen Space Shuttle. Daraus sollte sich später die Buran zusammen mit ihrer Trägerrakete, der Energija entwickeln. Auch verlagerte Moskau seinen Schwerpunkt: schon im Jahr 1971 startete man die erste bemannte Raumstation, Saljut 1, welche die erste in einer Reihe von Raumstationen wurde, welche der UdSSR einen Vorsprung in Sachen orbitalen Raumstationen gegenüber den USA brachte. Die Erfahrungen von damals wurden später im Betrieb der MIR und vor allem dem der ISS genutzt.

Das Erbe der N-1

Eine künstlerische Darstellung der Taurus II/Antares auf der Startrampe. Dieser Träger nutzt Triebwerke, welche für die N-1 entwickelt wurden.
(Bild: NASA/Orbital)

Zwar war die N-1 ein Reinfall, doch überlebten Teile der Rakete diese. Das wohl bekannteste Element ist dabei der Block D, welcher auch heute noch als Oberstufe sowohl für die Proton als auch vor allem der Zenit genutzt wird. So führte die Oberstufe in den vergangenen 40 Jahren nicht weniger als 319 Missionen (Stand: Juni 2012) auf diesen beiden Trägern durch.

Auch gab es eine Renaissance für die NK-33-Triebwerke: in den 1990er Jahren meldete Rocketplane Kistler Interesse an den 60 eingelagerten Triebwerken für ihren eigenen Träger, die K-1. Dieses wiederverwendbare System sollte drei dieser Triebwerke in der Erst- und eines in der Zweitstufe nutzen. Dafür wurden 30 Triebwerke aufgekaut und von Aerojet überarbeitet. Dort bekam das Triebwerk den Namen AJ-26. Zwar ging Rocketplane Kistler im Jahr 2007 pleite, doch übernahm ein anderes Unternehmen nur zu gerne diese Hochleistungstriebwerke: Orbital Sciences plante zu dieser Zeit einen Träger, welcher ihr Transportraumschiff Cygnus zur ISS bringen könnte. Die dabei entstandene Rakete, die Taurus IIAntares, sollte zwei NK-33-Triebwerke in der Erststufe nutzen. Ein erster Testflug dieses Trägers steht (Stand: Juni 2012) für den August diesen Jahres an.

Aber auch in Russland erkennt man das Potential dieses Triebwerks. So wurde die Erststufe der Sojus, die Block A, soweit modifiziert, dass es ein solches Triebwerk aufnehmen kann. Eine Variante ohne Booster, die Sojus 2.1-W, soll noch im September diesen Jahres ihren Jungfernflug erleben. Geplant ist später, diesen Träger mit den üblichen Boostern wieder zu starten, wobei diese Rakete den Namen Sojus 2.3 hat. Zurzeit denkt man in Russland darüber nach, die Serienproduktion des Triebwerks nach über 40 Jahren wieder aufzunehmen.

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