NASA-Samen keimen in DLR-Gewächshaus EDEN ISS

Neu­er Test­lauf für Pflan­zen­zucht auf Mond und Mars be­ginnt. NASA-Gastwissenschaftlerin Jess Bunchek forscht bis Anfang 2022 im Antarktisgewächshaus. Ernteertrag, Pflanzenbewässerung, Mikrobiologie, Crew-Zeit und Auswirkungen auf das Wohlbefinden des Überwinterungsteams stehen im Fokus der neuen Forschungsmission. Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Quelle: DLR.

Jess Bunchek bei der Salat-Ernte.
(Bild: AWI/Baden)

Neun Wochen Dunkelheit und Kälte bis minus 50 Grad Celsius. Unter den harschen Bedingungen der Antarktis beginnt eine gemeinsame Versuchsreihe der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur Gemüsezucht auf Mond und Mars. NASA-Gastwissenschaftlerin Jess Bunchek erforscht bis Anfang 2022, wie Astronautinnen und Astronauten zukünftig mit möglichst wenig Zeit- und Energieeinsatz viel Salat, Gurken, Tomaten, Paprika und Kräuter züchten können. Dafür arbeitet sie im DLR-Antarktisgewächshaus EDEN ISS. Sie stellt Gewächshaustechnik und Pflanzensorten auf die Probe. Zudem erfasst sie, wie das grüne Habitat und seine Früchte auf die isolierte Überwinterungscrew im ewigen Eis wirken. Jess Bunchek ist Teil des zehnköpfigen Überwinterungsteams auf der vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) betriebenen Neumayer Station III.

Erste Ernte: Salat, Radieschen und Kräuter
„Hier auf dem antarktischen Ekström-Schelfeis beginnt bald die Polarnacht. Allein mit den neun weiteren Mitgliedern der Überwinterungscrew fühlt es sich fast so an, als würden wir auf einem anderen Planeten ganz auf uns allein gestellt sein“, sagt Bunchek. „Es ist faszinierend in dieser lebensfeindlichen Welt das Grün ohne Erde unter künstlichem Licht gedeihen zu sehen.“ Bunchek ist Botanikerin am Kennedy Space Center der NASA, wo sie zuvor vor allem das VEGGIE-Projekt auf der Internationalen Raumstation (ISS) unterstützt hat. Nach einer technischen Überholung der Forschungsplattform EDEN ISS durch das DLR-Team konnte sie in den vergangenen Wochen die ersten Samen einsäen. Vor einigen Tagen folgte die erste Ernte von Salat, Radieschen und verschiedenen Kräutern.

Antarktis­-Gewächshaus EDEN ISS.
(Bild: DLR/NASA/Bunchek)

NASA-Samen und neues Nähstoff-Versorgungs-System
In der Antarktis kommen besonders robuste Sorten zum Einsatz, die vom EDEN-ISS-Projektteam sowie bei Experimenten im Kennedy Space Center und im Rahmen des VEGGIE-Projekts auf der ISS ausgewählt wurden. So ist es auch Ziel der DLR/NASA-Mission, das Wachstum und den Ertrag der Sorten unter den Bedingungen des Antarktisgewächshauses zu erfassen und zu vergleichen. Zudem rückt in den Fokus, welche Mikroben mit der Pflanzenzucht im Gewächshaus gedeihen. Die NASA wird im EDEN-ISS-Modul auch ein Konzept zur Pflanzenbewässerung testen, das unter Schwerelosigkeit wie auf der Internationalen Raumstation funktionieren kann. Das System hält und transportiert das Wasser durch eine passive Methode zu den Pflanzen. „Dies ermöglicht einen direkten Vergleich mit den bisher bei EDEN ISS aktiv aeroponisch befeuchteten Pflanzen“, sagt Dr. Ray Wheeler, Pflanzenphysiologe am Kennedy Space Center. Bei der aeroponischen Bewässerung, werden die Wurzeln der Pflanzen ohne Erde regelmäßig mit einer Nährstofflösung besprüht.

Jess Bunchek hält ihre erste Ernte in der Hand.
(Bild: Alfred-Wegener-Institut/Ort)

Crew-Zeit, ein kostbares Gut
Säen, ernten, pflegen, putzen, warten, kalibrieren, reparieren und wissenschaftliche Tätigkeiten. Mit einem achtseitigen Spezialwürfel zur Zeiterfassung registriert Bunchek jede Sekunde ihrer Tätigkeiten im Antarktisgewächshaus. Denn Crew-Zeit wird bei späteren Missionen zu Mond und Mars ein kostbares Gut sein. „In einem ersten Testlauf des Gewächshauses während der Mission 2018 hatten wir festgestellt, dass der Betrieb noch zu viel Zeit in Anspruch nimmt“, erklärt EDEN-ISS-Projektleiter Dr. Daniel Schubert vom Bremer DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. „Nun arbeiten wir daran Abläufe und Prozeduren zu optimieren. Wir haben viel über die Handhabung eines Gewächshauses unter Extrembedingungen gelernt. Das setzen wir mit der jetzigen gemeinsamen DLR/NASA-Mission voll um.“ Neben der Zeit der Crew steht deren Wohlbefinden im Fokus. Regelmäßig beantworten die Überwinterer Fragen zu ihren Essgewohnheiten oder wie die Pflanzen auf die Stimmung wirken. Wir hoffen, unser Verständnis für die Versorgung mit Pflanzen und frischer Nahrung für Besatzungen in abgelegenen, isolierten Umgebungen wie Neumayer III und letztendlich für den Weltraum zu verbessern“, sagt Wheeler.

Acht Monate in Isolation
Am 19. Januar erreichte Jess Bunchek mit dem Forschungsschiff Polarstern den antarktischen Kontinent. Seit dem 19. März ist die zehnköpfige Überwinterungscrew auf der vom Alfred-Wegener-Institut betriebenen Neumayer Station III auf sich allein gestellt. „EDEN ISS ist in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung für die Crew. Ich weiß aus meiner eigenen Überwinterungserfahrung, wie sehr einem frische Lebensmittel fehlen können. Dabei geht es nicht nur um den Geschmack. Hinzu kommen die Gerüche, die Farben und die faszinierende Tatsache, dass in unwirtlicher Umgebung etwas wächst“, sagt Dr. Tim Heitland, Medizinischer Koordinator und Operations Manager beim AWI. „Deshalb gibt es in den Überwinterungsteams auch immer wieder Freiwillige, die bei der Aufzucht und Ernte der Pflanzen helfen“. Am 21. Mai beginnt dieses Jahr die Polarnacht an der Neumayer Station III. Erst ab dem 23. Juli werden wieder erste Sonnenstrahlen auf die Station scheinen. Forschende der Sommersaison und neue Versorgungsgüter werden gegen Anfang November die Isolation der diesjährigen Überwinterungscrew beenden.

Blick auf Neu­mayer III.
(Bild: DLR (CC-BY 3.0))

In den sozialen Medien lassen sich die Aktivitäten im Antarktisgewächshaus EDEN ISS über den Hashtag #MadeInAntarctica verfolgen. Das Antarktisgewächshaus ist mit Kanälen auf Facebook und Instagram vertreten sowie mit einer Bildgalerie auf Flickr. Im Blog schreibt Jess Bunchek über ihre persönlichen Eindrücke zur Antarktismission. Mit einem neuen Tool können die Pflanzen des EDEN-ISS-Gewächshauses in der Antarktis beobachtet werden. Jeden Tag ermöglichen die Bilder von 34 Kameras zu verfolgen, wie die Pflanzen wachsen.

EDEN ISS: Nahrungsmittelversorgung der Zukunft
Die weltweite Nahrungsmittelproduktion ist eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Eine steigende Weltbevölkerung bei gleichzeitigen Umwälzungen durch den Klimawandel erfordern neue Wege, um Nutzpflanzen auch in klimatisch ungünstigen Regionen kultivieren zu können. Ein geschlossenes Gewächshaus ist ein vielversprechendes Konzept für zukünftige Missionen zu Mond und Mars. Auf der Erde ermöglicht es von Wetter, Sonne und Jahreszeit unabhängige Ernten sowie weniger Wasserverbrauch und den Verzicht auf Pestizide und Insektizide. Mit dem Projekt EDEN ISS ist solch ein Modell-Gewächshaus der Zukunft unter antarktischen Extrembedingungen in der Langzeiterprobung. In der ersten umfangreichen Überwinterungsforschungskampagne 2018 hatte das Gewächshaus in neuneinhalb Monaten insgesamt 268 Kilogramm Nahrung auf nur 12,5 Quadratmetern produziert. Darunter waren unter anderem 67 Kilogramm Gurken, 117 Kilogramm Salat und 50 Kilogramm Tomaten. Als Ergebnis der Forschungsarbeiten entstand ein neues Gewächshaus-Konzept für die zukünftige Raumfahrtmissionen.

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