Während alles in die staubige kasachische Steppe oder zum tropischen Cape Canaveral schaut, die jüngsten Starts der High-Tech-Lander zum Mars mit Daumendrücken oder Stirnrunzeln begleitet, kämpft sich nunmehr schon im fünften Jahr eine kleine, unspektakuläre Forschungsmission zum Mars: Nozomi.
Ein Beitrag von Lutz Growalt
Es ist unklar, welcher weise fernöstliche Denker die Eingebung zu diesem Namen hatte – Nozomi ist das japanische Wort für „Hoffnung“ – doch gibt es unter all den Mariners, Vikings, Pathfinders und Mars Expresses wohl keine Mission, die mit einem treffenderen Namen aufwarten könnte.
Dabei hat alles so hoffnungsvoll angefangen. Damals vor fast fünf Jahren, als Nozomi am 4. Juli 1998 – auf den Tag genau ein Jahr nach der erfolgreichen Ladung von Pathfinder und dem unvergessenen Sojourner – vom japanischen Weltraumbahnhof Kagoshima seine Reise zum Mars antritt. Die erste Mission der Japaner zu den Planeten – eine planetare Forschungsmission, ausgerüstet mit 15 Experimenten und einem klaren Auftrag: Erforschung der Ionosphäre des Mars und seiner Wechselwirkungen mit dem Sonnenwind.
Der Schub der japanischen Trägerrakete reicht nicht für den direkten Schuß des 540 kg-Pakets zum Mars. So müssen zwei Ehrenrunden um Erde und Mond gedreht werden, um Schwung zu holen. Aber das tut der Hoffnung keinen Abbruch, die Verabredung Nozomis mit dem Mars steht: CU am 11. Oktober 1999.
Ende Dezember 1998, nach dem zweiten Vorbeiflug an der Erde, schlägt die freudige Erwartung zum ersten Mal in banges Hoffen um: Nach Missionsplan soll Nozomi durch eine Zündung des Bordtriebwerks auf den endgültigen Marskurs gebracht werden. Ein Ventil in der Treibstoffversorgung klemmt, das Triebwerk liefert nicht genug Beschleunigung, um den Mars zu erreichen. Zwei am folgenden Tag durchgeführte Korrekturzündungen verbrauchen dann weit mehr Treibstoff als im Budget vorgesehen – Japans Reise zum Mars scheint beendet, bevor sie richtig begonnen hat.
Bis Mitte Januar 1999 knobelt die japanische Missionskontrolle eine Notplan aus: Der fehlende Triebwerksschub soll bei Sir Isaac Newton besorgt werden, im Klartext: Nozomi fliegt auf einer Umlaufbahn um die Sonne zweimal haarscharf an der Erde vorbei und nutzt die dabei auftretende Beschleunigung, um doch noch den Weg zum Mars zu finden. Die Ankunft am Mars wird sich dadurch allerdings um vier Jahre verzögern.
Im April 2002 gerät Nozomi – diesmal völlig unverschuldet – wieder in Schwierigkeiten. Eine besonders starke Sonneneruption trifft den wackeren Kämpfer mit voller Wucht. Sechs Stunden liegt Nozomi unter heftigem Partikelbeschuß. Es kommt zu Beschädigungen an Bord: einer der beiden Bordsender kann dem Bombardement nicht standhalten und fällt aus. Durch eine unvorhergesehene Abschaltung im Energieversorgungssystem fällt ein Heizelement aus, das die Temperatur des Treibstofftanks regelt. Der Treibstoffvorrat friert daraufhin völlig ein. Zeitweise ist die Datenverbindung zur Erde stark beeinträchtigt, so daß keine Statusmeldungen von Bord mehr empfangen werden können.
Im September 2002 die erlösende Nachricht: Nozomi steht wieder im Ring. Die japanischen Flugingenieure haben die Kontrolle über Nozomi wiedergewonnen. Der verbleibende Bordsender funktioniert gut und die Ausrichtung Nozomis wird so verändert, daß der Treibstoff auftauen kann und für die unverzichtbare Kurskorrektur beim ersten Erdvorbeiflug der neuen Kursführung im Dezember 2001 zur Verfügung steht.
Vorbeiflug und Kurskorrektur gelingen, Nozomi zieht am 21. Dezember 2002 in 30.000 Kilometern Entfernung an der Erde vorbei und macht sich auf die zweite Runde um die Sonne. Das nächste Treffen mit der Erde und gleichzeitig das Lebewohl soll am 19. Juni 2003 stattfinden. Wenn alles glatt geht – und wer will daran zweifeln? – kommt Nozomi als letzter Vertreter des „Mars Trecks 2003“ im Januar 2004 am Mars an.
Und diese Rangfolge – Nozomi zuletzt – könnte sich als Vorteil herausstellen. In der internationalen Marssonden-Fliegergemeinde gibt es den Schnack vom „Great Galactic Ghoul“, einem Weltraummonster, das hinter dem Mars lauert und einen unstillbaren Appetit auf Raumsonden hat. Wer’s nicht glaubt, der sei an das knappe Dutzend russischer Mars-Missionen erinnert, das (unter manchmal ziemlich dubiosen Umständen) sang- und klanglos verschwand. Und an den Polar Lander. Und an den Climate Orbiter. In diesem Jahr ist der Tisch für den Ghoul wieder reichlich gedeckt. Da kann es nicht von Nachteil sein, der letzte Ankömmling zu sein. Denn wenn sonst nichts bleibt, dann bleibt immer noch die Hoffnung …