Vom Labor in den Weltraum: Neues organisches Molekül in einer interstellaren Molekülwolke entdeckt. Eine Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE).
Quelle: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE).
Laborexperimente am Zentrum für Astrochemische Studien (CAS) des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in München führten zusammen mit astronomischen Beobachtungen des Italienischen Nationalen Instituts für Astrophysik (INAF) zur Identifizierung eines neuen Moleküls in der Molekülwolke G+0.693-0.027 in der Nähe des galaktischen Zentrums. Das neu entdeckte Molekül heißt Propargylimin: Nach Meinung der Experten könnte diese chemische Spezies eine fundamentale Rolle bei der Bildung von Aminosäuren spielen, die zu den wichtigsten Bestandteilen des Lebens, wie wir es kennen, gehören.
Propargylimin hat die chemische Formel HCCCHNH und ist eine instabile Verbindung. Es ist sehr schwierig, es unter den normalen Bedingungen der Erdatmosphäre zu isolieren; bei den für das interstellare Medium typischen niedrigen Dichten und Temperaturen fühlt es sich aber wohl. Luca Bizzocchi, der Hauptautor der Studie, der die Molekülspektroskopie am MPE untersucht hat, erklärte: „Die Besonderheit dieser chemischen Spezies liegt in ihrer Kohlenstoff-Stickstoff-Doppelbindung, die ihr eine hohe Reaktivität verleiht. Mit dieser Doppelbindung ist es ein grundlegender Bestandteil der chemischen Ketten, die von den einfachsten und am häufigsten im Weltraum vorkommenden Molekülen mit Kohlenstoff und Stickstoff – zum Beispiel Formaldehyd (H2CO) oder Ammoniak (NH3) – zu den komplexeren Aminosäuren, den Grundbausteinen der terrestrischen Biologie, führen“.
Jedes Molekül absorbiert und emittiert Strahlung bei bestimmten Wellenlängen, wodurch ein Muster entsteht, das es eindeutig beschreibt, wie der menschliche Fingerabdruck. Mit dem Ziel, das Vorhandensein von Propargylimin im Weltraum nachzuweisen, wurde in den Max-Planck-Laboratorien eine spektroskopische Analyse durchgeführt, um das „Identikit“ des Moleküls zu erstellen.
„Wenn ein Molekül im interstellaren Medium rotiert, sendet es Photonen mit sehr präzisen Frequenzen aus. Diese Informationen, kombiniert mit Daten von Radioteleskopen, erlauben uns herauszufinden, ob ein Molekül in den Molekülwolken, wo Sterne und Planeten entstehen, tatsächlich vorhanden ist“, fährt Bizzocchi fort.
In diesem Fall wurden die Labordaten mit den Ergebnissen von Beobachtungen verglichen, die am 30-m-Radioteleskop in der Sierra Nevada, Spanien, gemacht wurden. „Unser Molekül war schon da“, sagte Víctor M. Rivilla M., Marie Skłodowska-Curie-Forschungsstipendiat am INAF Florenz, der die Beobachtungen des INAF leitete, die zur Bestätigung von Propargylimin in der G+0.693-0.027-Umgebung führten. „Es lag in unseren Daten der Molekülwolke, aber wir konnten es nicht identifizieren, ohne seine genaue Spektroskopie zu kennen, d.h. die vollständige Beschreibung seines Emissionsfrequenzmusters. Sobald wir das bekamen, stellten wir dank der Messungen im Labor fest, dass Propargylimin zweifellos vorhanden war und darauf wartete, dass es jemand erkannte.“
Tatsächlich nehmen Moleküle mit einer solchen Kohlenstoff-Stickstoff-Doppelbindung an der so genannten Strecker-Synthese teil, einem chemischen Verfahren, das zur Synthese von Aminosäuren im Labor weit verbreitet ist. Unter günstigen Bedingungen dürften ähnliche Reaktionen auch in einer Reihe extraterrestrischer Umgebungen wie dem gefrorenen Mantel um interstellaren Staub oder an der Oberfläche von Asteroiden auftreten, wie die jüngste Entdeckung von Glycin, der einfachsten Aminosäure, im Schweif des Kometen 67P Churyumov-Gerasimenko zeigt.
„Hochpräzise Molekülspektroskopie ist eines der Ziele unserer Gruppe“, schloss Paola Caselli, die Direktorin des Zentrums für Astrochemische Studien am MPE und Mitautorin des Artikels. „Nur mit hochpräzisen Messungen der Frequenzen interstellarer Moleküle können wir solche Moleküle als leistungsfähige Diagnosewerkzeuge der physikalischen und chemischen Entwicklung interstellarer Wolken nutzen, in denen sich Sternsysteme wie das unsere bilden.“
Originalveröffentlichung
L. Bizzocchi et al.
Propargylimine in the laboratory and in space: millimetre-wave spectroscopy and first detection in the ISM
accepted for publication in Astronomy & Astrophysics
Quelle
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