Orions Fallschirme bestehen bei Fehlerszenario

Bei einem Abwurf zu Testzwecken hat das Fallschirmsystem von Orion, dem neuen Raumschiff der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA, bewiesen, dass es selbst dann eine sichere Landung ermöglicht, wenn zwei Fallschirme sich nicht richtig entfalten.

Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, NSF.

Die Orion-Kapsel vor der Entfaltung der Fallschirme- Illustration. (Bild: NASA)

Wenn Orion, das neue Raumschiff der US-amerikanischen Luft-und Raumfahrtbehörde NASA, nach der Mission wieder auf der Erde landen soll, muss die Raumkapsel abgebremst werden. Dies geschieht zum Einen durch den Hitzeschild an der Unterseite des Raumschiffs, mit dem Orion wieder in die Erdatmosphäre eintritt. Durch Luftreibung wird so die Geschwindigkeit verringert. Ferner verfügt Orion über ein Fallschirmsystem, mit dem die Kapsel weiter abgebremst wird. So kann Orion sanft mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h im pazifischen Ozean landen.

Orion nach Entfaltung der Bremsfallschirme- Illustration. (Bild: NASA)

Diese Fallschirme bilden ein komplexes System, das in einer aufwendigen Choreographie schrittweise entfaltet wird. Zunächst wird die Verkleidung der Fallschirmbucht an der Oberseite der Raumkapsel mithilfe von Sprengbolzen abgesprengt. Um eine sichere Abtrennung zu gewährleisten, verfügt die Verkleidung über drei eher kleine Fallschirme aus Kevlar. Zwei größere Bremsfallschirme bremsen daraufhin die Raumkapsel -auch Crewmodul genannt- ab und stabilisieren den Flug. Nach ein paar Sekunden werden die Bremsfallschirme abgetrennt und drei kleine Pilotfallschirme entfaltet. Diese „ziehen“ dann die großen Hauptfallschirme heraus. Diese im Retrolook rot-weiß gefärbten Fallschirme messen über 35 m im Durchmesser und hängen an etwa 80 Meter langen Leinen. Dank einem Nylon-Kevlar Hybridmaterial wiegen sie trotz einer Fläche von fast 1.000 Quadratmetern gerade mal 150 kg. Die Hauptfallschirme übernehmen so den letzten Teil der Abbremsung. Das Fallschirmsystem ist dazu in der Lage, Orion trotz des Ausfalls eines Bremsfallschirms oder eines Hauptfallschirms sicher zu landen.

Fallschirmlandung bei EFT-1. (Bild: NASA)

Dieses Fallschirmsystem wird bereits seit mehreren Jahren ausführlich getestet, im Windkanal und bei zahllosen Testabwürfen. Bei zwei Gelegenheiten konnte es sich sogar schon im realitätsnahen Einsatz beweisen: Beim Test des Startabbruchsystems 2010 und bei Orions erstem Testflug in den Weltraum, EFT-1 (Exploration Flight Test 1) im Dezember 2014. Das System wurde schrittweise weiterentwickelt, erprobt wurde es bei Testabwürfen über dem Yuma Proving Ground, einem Testgelände der US-Armee in Arizona. Ein solcher Testabwurf wurde vor Kurzem am 26. August durchgeführt. Es sollte ein besonders schwieriges und riskantes Szenario getestet werden: Nur ein Bremsfallschirm und nur zwei Hauptfallschirme sollten sich entfalten.

Das Mockup vor der C-17. (Bild: NASA)

Das Fallschirmsystem wurde auf einem Mockup der Orion-Kapsel installiert, einem maßstabsgetreuen Modell des Crewmoduls. Die Seitenwände sind mit Schaumstoff beplankt und etwas stärker angeschrägt, damit es keine Probleme mit der Höhe der Kapsel gibt. Das Gewicht des Mockups ist jedoch das gleiche, wie man es bei der Flugversion erwartet. Am 24. August wurde das Mockup in einer C-17 verstaut, einer Transportmaschine der US-Air Force. Zwei Tage später hob dieses Flugzeug dann ab und warf aus einer Flughöhe von etwa 10,5 km das Mockup ab. Danach wurden die Fallschirme wie geplant entfaltet, die Kapsel landete mehr oder weniger sanft auf dem Wüstenboden. Neben dem Fehlerszenario, dass ein Bremsfallschirm und ein Hauptfallschirm ausfallen, wurden auch Designänderungen an den Leinen und den Gurtbändern getestet, mit denen die Fallschirmleinen an der Kapsel befestigt sind. So konnte die Masse des Systems gesenkt werden. Vorläufigen Daten zufolge verlief der Test erfolgreich.

Orion während des Abwurftests. (Bild: NASA)

Dieser Testabwurf stellt den letzten einer Testreihe dar, deren Ziel die Weiterentwicklung des Designs der Fallschirme war. „Es ist schwierig, das Verhalten von Orions Fallschirmen mithilfe von Computern zu berechnen. Deshalb hilft es uns, sie für Tests in die Luft zu bringen, damit wir sie besser untersuchen und vorhersagen können, wie sich das System verhalten wird“, beschreibt CJ Johnson das Vorgehen, der Projekt-Manager für Orions Fallschirmsystem. Die nächste Testreihe wird nächstes Jahr beginnen und acht Testabwürfe über drei Jahre beinhalten. Hier soll das Fallschirmsystem dann unter extremen Testbedingungen für den bemannten Einsatz qualifiziert werden.

Orion während EM-1- Illustration. (Bild: NASA)

Diese Tests erfolgen auch im Rahmen von Orions erstem Flug zum Mond nicht später als im November 2018, einer Mission mit der Bezeichnung Exploration Mission 1 (EM-1). Nachdem Orion auf seiner Trägerrakete, dem Space Launch System, in einen niedrigen Erdorbit gestartet ist, zündet das Triebwerk der Oberstufe erneut, sodass das unbemannte Raumschiff nun in Richtung Mond fliegt. Das Raumschiff bremst daraufhin mithilfe seines Servicemoduls in eine Umlaufbahn 70.000 km über der Mondoberfläche ein. Durch eine weitere Zündung des Triebwerks des Servicemoduls verlässt das Raumschiff nach etwa einer Woche diese Umlaufbahn und fliegt wieder zurück zur Erde. Das Servicemodul wird abgetrennt und das kapselförmige Crewmodul tritt mit über 39.000 km/h in die Erdatmosphäre ein, bevor die Kapsel im Pazifik an Fallschirmen landet. Diese Mission wird den ersten Flug eines zumindest theoretisch bemannbaren Raumschiffs zum Mond seit 45 Jahren und den weitesten Flug eines solchen Raumschiffs aller Zeiten darstellen.

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