Die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtagentur NASA hat vor Kurzem einen Simulator eines wichtigen Teiles der Hauptstufe fertiggestellt. Dieser soll bald Teil einer Struktur sein, die strukturellen Belastungstests ausgesetzt wird. Auch die Schubvektorsteuerung der Hauptstufe wurde getestet.
Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, SpaceNews.
Wenn die neue Schwerlastträgerrakete der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA startet, das Space Launch System (SLS), wird das für die Rakete alles anderes als ein sanfter Flug ins Weltall werden. Ganz im Gegenteil, die strukturellen Belastungen werden enorm sein, die auf die Rakete durch die Beschleunigung, Vibrationen und vielem Weiteren wirken. Es ist daher verständlich, dass man die Struktur einer der Hauptkomponenten des SLS, der Hauptstufe, schon vor dem Flug am Boden strukturellen Belastungstests unterziehen will. Die Hauptstufe des SLS misst mehr als 60 Meter in der Höhe und mehr als acht Meter im Durchmesser, in ihr sind die beiden Treibstofftanks und elektronische Systeme zur Steuerung der Rakete untergebracht. Am unteren Ende liegen die vier RS-25 Haupttriebwerke, die zusammen mit den seitlich angebrachten Feststoffboostern das SLS antreiben.
Für diese strukturellen Belastungstests werden mehrere große Bestandteile der Rakete und der Hauptstufe auf Testständen rigoros getestet. Zwei neue Teststände entstehen zu diesem Zweck momentan im Marshall Space Flight Center in Alabama, ihre Konstruktion soll Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Getestet werden sollen zum Einen die Tanks der Hauptstufe für flüssigen Wasserstoff und flüssigen Sauerstoff, die Treibstoffe der Rakete. Zum Anderen wird auch der obere Abschnitt der Rakete getestet. Dabei handelt es sich um Simulatoren folgender Bestandteile, die oberhalb der Hauptstufe angebracht sind: – Orion: Das Raumschiff, mit dem die Astronauten zu Zielen jenseits des niedrigen Erdorbits fliegen
– MPCV-SA (Multi-Purpose Crew Vehicle Stage Adapter): verbindet Orion mit dem SLS – ICPS (Interim Cyrogenic Propulsion Stage): Die Oberstufe der Rakete, die die Nutzlast in die endgültige Umlaufbahn befördert – LVSA (Launch Vehicle Stage Adapter): verbindet die Oberstufe mit der Hauptstufe Diese etwa 17 Meter hohe Struktur wird dann auf dem Teststand Belastungen ausgesetzt, wie sie bei einem Flug zu erwarten sind. Geleitet werden diese Arbeiten von dem Spacecraft/Payload Integration&Evolution (SPIE)-Büro im Marshall Space Flight Center.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Testkonfiguration wurde nun hergestellt: Es handelt sich um einen Simulator des oberen Endes der Hauptstufe. Dieser Zylinder ist etwa drei Meter hoch, misst ungefähr acht Meter im Durchmesser und wurde in dem Marshall Space Flight Center gefertigt. Über ihm wird bei dem Testaufbau der LVSA montiert sein. Nach letzten Vorbereitungen und Inspektionen wird er Mitte April fertiggestellt sein. Auch ein Simulator von Orion und seinem Adapter sind bereits für die Belastungstests bereit, an dem LVSA und der ICPS wird noch gearbeitet. Gleichzeitig begann am 18. März das Critical Design Review (CDR) des SPIE-Büros. Dabei handelt es sich um eine wichtige Überprüfung des Designs, bei der die endgültige Auslegung festgelegt wird, sodass mit der Produktion von Flughardware begonnen werden kann. Bei dem CDR des SPIE-Büros handelt es sich um das letzte Teil-CDR hin zum Critical Design Review des gesamten SLS, das diesen Sommer stattfinden soll.
Während die Fertigung von den Adaptern und der Oberstufe bereits weit fortgeschritten ist, gibt es bei der Herstellung der Tanks der Hauptstufe für flüssigen Wasserstoff (LH2) und flüssigen Sauerstoff (LOX) eine Verzögerung. Im September 2014 wurde in der Michoud Assembly Facility (MAF), einer Fabrikationshalle nahe New Orleans, eine gewaltige Schweißmaschine eingeweiht: Das Vertical Assembly Center (VAC). In diesem über 50 Meter hohen Turm sollten die Tanks für die Hauptstufe geschweißt werden. Kurz nach der Einweihung entdeckte der Hersteller Boeing bei Validierungsarbeiten ein Problem: Die Maschine hebt Einzelteile des SLS an ihre gewünschte Stelle nach oben und nach unten. Dazu verfügt sie über einen Ring, der sich auf Schienen bewegt. Man hat nun herausgefunden, dass eine dieser Schienen nicht korrekt ausgerichtet ist. So kann der Ring die Komponenten nicht auf die gewünschte Höhe befördern. Es wird erwartet, dass dieses Problem im Sommer gelöst wird, bis dahin bleibt das VAC der „Flaschenhals“ für die Herstellung des SLS. Die Ursache für das Problem wird noch untersucht, möglich wären ein Nachgeben des Untergrunds oder ein Fehler bei der Herstellung der Maschine. Sollte das Problem bis zum Hochsommer gelöst sein, so beeinträchtigt es nicht den Termin des Erstfluges der Rakete.
Auch eine andere Komponente der Hauptstufe wurde vor Kurzem getestet: die Aktuatoren der Schubvektorsteuerung für die RS-25 Haupttriebwerke. Dabei handelt es sich um kolbenartige Motoren, die von der Hydraulik angetrieben werden und die vier Triebwerke bewegen. So kann die Flugrichtung des SLS gesteuert werden. In dem SLS soll die Schubvektorsteuerung des Space Shuttles zum Einsatz kommen, sie musste jedoch modifiziert werden: Die Vibrationen während eines SLS-Fluges sind deutlich höher als während eines Space Shuttle-Fluges. In der Designphase wurde jedoch festgestellt, dass die Auswirkungen dieser Vibrationen durch zusätzliche Federn an der Schubvektorsteuerung vermindert werden können. Um diese Modifikationen zu testen, wurde eine Testversion der Schubvektorsteuerung im Redstone Test Center in Alabama auf einen Schütteltisch montiert, es wurden bis zu 70.000 Newton Kraft auf den Aktuator ausgeübt, während er vibrierte. Durch diese Tests konnten Daten gewonnen werden, die zeigen, wie sich der Aktuator unter Flugbedingungen verhält. Die Testserie wurde Ende Februar abgeschlossen.
Die weiteren Highlights der SLS-Entwicklungsarbeiten im diesem Jahr werden neben den besagten Arbeiten an der Hauptstufe des SLS Testzündungen des RS-25 Haupttriebwerks, integrierte Tests der Avioniksysteme, Vorbereitungen auf die nächste Testzündung des 5-Segmente Feststoffboosters und das Critical Design Review der gesamten Rakete sein.
Das Space Launch System ist der neue Schwerlastträger der NASA. Er basiert zu großen Teilen auf dem 2011 außer Dienst gestellten Space Shuttle: So werden die Hauptstufe aus dem External Tank des Shuttles, die 5-Segmente Booster aus den SRBs und die RS-25 Triebwerke aus den SSMEs entwickelt. Es wird drei Varianten des SLS geben: Die Block I Version wird lediglich eine leicht modifizierte Version der DCSS (Delta Cyrogenic Second Stage) als Oberstufe haben. Mit ihr soll der Erstflug EM-1 erfolgen. Block IB wird über die wesentlich stärkere EUS (Exploration Upper Stage)-Oberstufe verfügen. Bei Block II handelt es sich um die stärkste Variante des SLS, seine Oberstufe wird ebenfalls die EUS sein; die Feststoffbooster werden durch verbesserte Booster ersetzt, ihr Konzept ist jedoch noch nicht festgelegt, obwohl bereits verschiedene Vorschläge zu neuen Flüssig- oder Feststoffboostern existieren. Der Erstflug des SLS ist nicht später als im November 2018 mit der Mission EM-1 (Exploration Mission 1) geplant, bei der das neue NASA-Raumschiff Orion noch unbemannt zum Mond fliegen wird. Weitere SLS-Missionen sollen bemannte Marsflüge in den 2030ern vorbereiten, jedoch hat der US-Kongress immer noch keine dieser Missionen bewilligt, obwohl er als Unterstützer des SLS gilt.
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