Der innere Aufbau des Asteroiden Itokawa

Durch eine über Jahre andauernde hochpräzise Vermessungen der Rotationsdauer des Asteroiden Itokawa gelangten Astronomen zu dem Schluss, dass sich dieser Asteroid aus zwei Komponenten zusammensetzt, welche über eine unterschiedliche Dichte verfügen. Das Verständnis des Inneren Aufbaus von Asteroiden wird zukünftig für die weitere Erforschung dieser Himmelskörper von Bedeutung sein.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

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Diese Aufnahme wurde von der japanischen Raumsonde Hayabusa im Jahr 2005 während ihrer Annäherung an den Asteroiden Itokawa angefertigt.
(Bild: JAXA)

Zwischen den Umlaufbahnen der Planeten Mars und Jupiter befindet sich der Asteroiden-Hauptgürtel unseres Sonnensystems. In einer Entfernung zwischen 2,0 und 3,4 Astronomischen Einheiten zur Sonne befinden sich dort vermutlich mehrere Millionen Asteroiden mit Durchmessern von mehreren hundert Kilometern bis hinunter zu lediglich wenigen Metern. Einige dieser Objekte bewegen sich jedoch auch in deutlich größerer Nähe zur Erde und können dabei die Umlaufbahn unseres Heimatplaneten sogar kreuzen.

Bei einem dieser erdnahen Objekte handelt es sich um den Asteroiden (25143) Itokawa, welcher mit Abmessungen von etwa 594 x 320 x 288 Metern über eine erdnussähnliche Gestalt verfügt. Itokawa war das Ziel der japanischen Asteroidenmission Hayabusa, welche den Asteroiden im September 2005 erreichte und anschließend bis zum April 2007 auf seinem Weg durch das Sonnensystem begleitete. Am 13. Juni 2010 erreichte schließlich eine Rückkehrkapsel mit einer Materialprobe von der Oberfläche des Asteroiden erfolgreich die Erde (Raumfahrer.net berichtete).

Weiterführende Studien mit mehreren erdgebundenen Teleskopen, darunter dem in den chilenischen Anden befindlichen New Technology Telescope (kurz „NTT“) der Europäischen Südsternwarte ESO, haben gezeigt, dass dieser Asteroid in seinem Inneren über eine unterschiedliche Struktur verfügt. Die an der Messung beteiligten Astronomen haben den Asteroiden (25143) Itokawa zwischen den Jahren 2001 und 2013 eingehend beobachtet und dabei die Geschwindigkeit, mit welcher der Asteroid sich um seine Rotationsachse dreht, und die mit der Zeit erfolgende Änderung seiner Rotationsperiode gemessen. Diese hochpräzisen Messungen kombinierten die Astronomen anschließend mit theoretischen Modellen über die Wärmeabstrahlung von Asteroiden.

JAXA
Eine weitere, ebenfalls im Jahr 2005 angefertigte Aufnahme von Itokawa.
(Bild: JAXA)

Der YORP-Effekt
Das Rotationsverhalten eines massearmen Himmelskörpers im Sonnensystem kann von der Sonneneinstrahlung beeinflusst werden. Dieses Phänomen, welches auch als YORP-Effekt bezeichnet wird, macht sich bemerkbar, wenn das einfallende Sonnenlicht zunächst von dem Asteroiden absorbiert und anschließend in Form von Wärmeenergie wieder von der Oberfläche des Objekts abgestrahlt wird. Wenn die Form des Asteroiden sehr irregulär ist und die Wärme somit nicht gleichmäßig abgestrahlt wird, setzt ein winziges, aber fortwährendes Drehmoment an dem Körper an und ändert so seine Rotationsgeschwindigkeit.

Ein von dem Astronomen Stephen Lowry von der University of Kent in Großbritannien geleitetes Team von Wissenschaftlern konnte nachweisen, dass der YORP-Effekt die Rotationsrate von Itokawa langsam, aber permanent beschleunigt. Diese Änderung der Rotationsperiode fällt allerdings extrem winzig aus und beträgt lediglich 0,045 Sekunden pro Jahr. Dieser Wert wiederum weicht jedoch stark von den aufgrund der theoretischen Modellen vorhergesagten Wert ab und kann nur unter der Annahme erklärt werden, dass die beiden Teile des erdnussförmigen Asteroiden in ihrem Inneren über eine unterschiedliche Struktur mit daraus resultierenden unterschiedlichen Dichten verfügen.

Die Dichte von Itokawa
In Kombination mit dem Wissen über seine äußere Form war es den Wissenschaftlern möglich, das Innere des Objekts zu analysieren und dessen Komplexität zu Tage zu fördern. Die Berechnungen ergaben, dass das Material, aus denen sich die beiden Hälften von Itokawa zusammensetzten, über unterschiedliche Massendichten verfügt. Die größere Hälfte der „kosmischen Erdnuss“ verfügt demzufolge über eine Dichte von 1,75 Gramm pro Kubikzentimeter. Bei der kleineren Hälfte liegt der Wert dagegen bei 2,85 Gramm pro Kubikzentimeter.

ESO, Acknowledgement: JAXA
Eine schematische Darstellung des erdnussförmigen Asteroiden Itokawa. Durch extrem präzise Messungen fanden Astronomen heraus, dass verschiedene Teile des Asteroiden Itokawa unterschiedliche Materialdichten aufweisen. Die Analyse dessen, was sich unter der Oberfläche von Asteroiden verbirgt, lüftet nicht nur das Geheimnis über die Entstehung dieser Objekte. Die Planetologen erlangen auch einen Einblick in die Kollisionsprozesse zweier Körper im Sonnensystem und Hinweise darauf, wie Planeten entstehen könnten. Das Modell für die Form des Asteroiden, welches für diese Ansicht verwendet wurde, basiert auf Aufnahmen der japanischen Raumsonde Hayabusa.
(Bild: ESO, Acknowledgement: JAXA)

„Zum ersten Mal ist es uns gelungen herauszufinden, was sich im Inneren eines Asteroiden befindet“, so Stephen Lowry. „Wir können sehen, dass Itokawa sehr verschiedenartige Strukturen aufweist. Dieser Fund ist ein bedeutender Schritt nach Vorne für unser Verständnis von Gesteinskörpern im Sonnensystem.“

Durch diese Arbeit ist den Astronomen erstmals der Nachweis gelungen, dass Asteroiden in ihrem Inneren über eine verschiedenartige Struktur verfügen können. Bisher konnte nur mittels einer groben Messung der Gesamtdichte, welche im Fall von Itokawa etwa 1,95 Gramm pro Kubikzentimeter beträgt, auf die inneren Eigenschaften eines bestimmten Asteroiden geschlossen werden. Der seltene Einblick in das facettenreiche Innere von Itokawa hat zu diversen Spekulationen über seine Entstehung geführt. Eine Möglichkeit wäre, dass Itokawa aus zwei Komponenten eines Doppelasteroiden entstanden ist, welche miteinander kollidiert und verschmolzen sind.

„Der Befund, dass Asteroiden in ihrem Inneren nicht homogen sind, hat weitreichende Auswirkungen insbesondere auf Modelle von Binärsystemen von Asteroiden“ so Stephen Lowry weiter. Die Möglichkeit einer Untersuchung des inneren Aufbaus von Asteroiden stellt für die Planetologen einen großer Schritt nach vorne dar und kann in Zukunft dabei helfen, viele bisher noch im Verborgenen liegende Geheimnisse dieser Objekte aufzudecken.

Das Verständnis des inneren Aufbaus der Asteroiden wird den Wissenschaftlern zudem dabei helfen, Abwehrmaßnahmen für den Fall eines bevorstehenden Einschlages eines solchen Himmelskörpers auf der Erde zu entwickeln (Raumfahrer.net berichtete). Auch für die Planung zukünftiger unbemannter oder gar bemannter Erkundungsmissionen zu den Asteroiden ist ein solches Verständnis notwendig.

Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse von Stephen Lowry et al. werden demnächst unter dem Titel „The Internal Structure of Asteroid (25143) Itokawa as Revealed by Detection of YORP Spin-up“ in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ publiziert.

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