Russlands derzeit einzig aktive U-Boot gestützte Nuklearrakete R-29 wird in zwei Varianten – Wolna und Schtil – auch für kommerzielle Trägerstarts angeboten
Autor: Stefan Heykes und Daniel Maurat.
Ab 1974 wurde in der damaligen Sowjetunion die SLBM (Submarine Launched Ballistic Missile = U-Boot gestützte ballistische Rakete) R-29 in Dienst gestellt. Diese Rakete verwendete die lagerfähigen Flüssigtreibstoffe Unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH) und Distickstofftetroxid (NTO). Diese Treibstoffe sind gut handhabbar und hypergol, also zünden von selbst bei Kontakt der beiden Komponenten, allerdings auch stark giftig. Die guten technischen Eigenschaften haben aber dafür gesorgt, dass fast alle russischen militärischen Raketen diese Treibstoffe nutzen. Viele davon werden heute als Konversionsraketen für Satellitenstarts verwendet (Dnepr, Start, Strela, Rockot).
Die ursprüngliche R-29 besaß bei zwei Stufen eine Startmasse von 32,8 Tonnen. Sie war 13,20 m lang und besaß einen Durchmesser von 1,80 m. Die R-29 (NATO-Bezeichnung SS-N-8 Sawfly mod. 1) konnte einen 680 kg schweren Sprengkopf mit einer Sprengkraft von 800 Kilotonnen TNT über 7.700 km verschießen. Noch im gleichen Jahr 1974 wurde die leicht verbesserte R-29D / SS-N-8 Sawfly mod. 2 eingeführt. Sie zeichnete sich vor allem durch ihre höhere Reichweite von 9.100 km bei unveränderter Sprengkraft und Größe aus, sie war lediglich 500 kg schwerer als das Basismodell. Beide Modelle wurden von U-Booten der Delta-I Klasse verwendet, die jeweils 12 Raketen tragen konnten.
Für die Delta-II Klasse wurde 1978 das Modell R-29K (NATO-Bezeichnung SS-N-18 Stingray mod. 1/2) entwickelt. Dieses war mit 34,4 t etwas schwerer und mit 14,4 m ebenso leicht länger als der Vorgänger und bot die Möglichkeit, entweder einen 450 kT oder drei 200 kT Sprengköpfe über 8.000 km zu transportieren.
Der nächste Schritt war 1979 die R-29RL / SS-N-18 Stingray mod. 3 für die Delta-III. Sie kann eine Wurfmasse von 1.600 kg über 6.500 km transportieren. Bestückt war sie mit 3 Sprengköpfen mit jeweils 100 kT Sprengkraft. Die Startmasse wuchs auf 35,3t an, die Länge ging allerdings wieder auf 14,09 m zurück. Diese Version wird als Wolna vermarktet. Für orbitale Einsätze erhält sie noch eine kleine zusätzliche Feststoffoberstufe, da die R-29RL allein keine Kreisbahn erreichen kann. Sie brennt in zu geringer Höhe aus und kann daher nur ballistische, suborbitale Bahnen erreichen. Die Nutzlast beträgt damit bei Starts vom Äquator aus theoretisch bis zu 115 kg, allerdings kann die Wolna aufgrund der für solche Missionen nötigen Bodenkontrolle nur von der Barentssee aus in nahezu polare Umlaufbahnen mit maximal 50 kg Nutzlast starten.
Ab 1986 wurde die R-29RM für die Delta-IV Klasse eingeführt. Sie verfügt über eine weitere Stufe, wodurch die Startmasse auf 40,3 t und die Länge auf 14,80 m ansteigt. Auch der Durchmesser ist um 10 cm gewachsen. Dadurch ist die R-29RM / SS-N-23 Skiff deutlich leistungsfähiger und kann 4 100kT Sprengköpfe über 8.300 km verschießen (Wurfmasse 2.800 kg). Als R-29RMU Sinewa und R-29RMU2.1 Lainer mit 10 Sprengköpfen befindet sich dieses Modell als derzeit einzige russische SLBM in der Produktion.
Die R-29RM wird vom Hersteller KB Makejew als Schtil für Satellitenstarts angeboten. Die Nutzlast in einen Referenzorbit von 500 km bei 79° Inklination beträgt je nach Ausführung der Nutzlastverkleidung 80 bis 200 kg und liegt damit deutlich höher als bei der Wolna. Dies ist der dritten Flüssigtreibstoffstufe zu verdanken, die deutlich mehr Leistung als die Feststoffoberstufe der Wolna bietet.
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