In den Morgenstunden des 1. Juli 2013 beginnt für die Raumsonde Cassini der mittlerweile 195. Umlauf um den Saturn. Den Höhepunkt dieses 15 Tage andauernden Orbits bildet ein für den 10. Juli geplanter dichter Vorbeiflug der Raumsonde an dem Saturnmond Titan. Hierbei sollen mit einem Radar-Instrument speziell die mit Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllten Seen auf diesem Mond untersucht werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.
Am 1. Juli 2013 wird die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn um 6.39 Uhr MESZ erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 1,34 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und beginnt damit zugleich ihren mittlerweile 195. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell weist die Flugbahn von Cassini eine Inklination von 59,4 Grad auf.
Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des 15 Tage andauernden Umlaufs – dieser trägt die Bezeichnung „Rev 194“ – insgesamt 33 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Ein Großteil dieser Kampagnen wird erneut die Atmosphäre und das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Den Höhepunkt der Beobachtungen stellt jedoch ein gesteuerter Vorbeiflug am größten der derzeit 62 bekannten Saturnmonde, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan dar.
Die ersten Beobachtungen sollen bereits wenige Stunden nach dem Beginn des neuen Orbits erfolgen, wobei die ISS-Kamera den Saturn abbilden wird. Mittels der dabei geplanten Abbildungen der Saturnatmosphäre durch die WAC-Kamera, welche Bestandteil einer langfristig ausgelegten „Sturmbeobachtungskampagne“ sind, sollen erneut aktuelle Daten über das dortige Wettergeschehen gesammelt werden. Durch die Beobachtung von kleineren Sturmgebieten und markanten Wolkenformationen in den Atmosphären des Saturn lassen sich zum Beispiel Aussagen über die dort gegenwärtig vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen.
Ringe und kleine Saturnmonde
Im Anschluss an diese Fotoaufnahmen sind zunächst diverse Beobachtungen des Ringsystems des Saturn vorgesehen. Zunächst steht dabei der G-Ring des Saturn auf dem Beobachtungsprogramm der ISS-Kamera, welcher in erster Linie durch Material gespeist wird, das von der Oberfläche des kleinen Saturnmondes Anthe stammt. Einen Tag später wird die ISS-Kamera mehrfach den F-Ring abbilden. Dessen diverse Verästelungen und die gewundene Einzelringe werden durch gravitative Wechselwirkungen mit dem weiter innen liegenden A-Ring und den beiden den F-Ring begrenzenden Saturnmonden Prometheus und Pandora erzeugt. Aus den gewonnenen Einzelaufnahmen wollen die an der Mission beteiligten Wissenschaftler eine kurze Videosequenz erstellen.
Direkt nach der entsprechenden Beobachtungskampagne sollen dann mehrere der kleineren inneren Saturnmonde im Rahmen sogenannter astrometrischer Beobachtungen abgebildet werden. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Daten über deren Umlaufbahnen noch weiter zu präzisieren.
Am 3. Juli soll die ISS-Kamera schließlich zusammen mit einem weiteren Instrument der Raumsonde, dem Visual and Infrared Mapping Spectrometer (kurz „VIMS“), eine Sternokkultation dokumentieren. Hierbei wird der halbregelmäßig veränderliche Stern My Cephei von Teilen den Ringsystems bedeckt. Durch die sich dabei ergebenden Helligkeitsschwankungen in der Lichtkurve von My Cephei erhoffen sich die an der Kampagne beteiligten Wissenschaftler weitere Aufschlüsse über den Aufbau, die Materialdichte und die Struktur der Ringbereiche, welche den Stern bei dieser Okkultation bedecken.
Am 7. Juli wird Cassini um 6.09 MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 195 erreichen und den Planeten in einer Entfernung von 557.030 Kilometern passieren. Dabei wird sich die Raumsonde erneut in erster Linie auf das Ringsystem konzentrieren. Neben dem D-Ring wird dabei auch erneut der äußere Bereich des A-Ringes in den Fokus der ISS-Kamera geraten, wo zum wiederholten Mal sogenannte „Propellerstrukturen“ dokumentiert werden sollen. Bei diesen lediglich etwa 15 bis 25 Kilometer großen Strukturen handelt es sich um Bereiche innerhalb des Ringsystems, wo das Material der Ringe durch die gravitativen Einflüsse von Mini-Monden – so genannten Moonlets – verdichtet wird. Durch die anzufertigenden Aufnahmen des durchschnittlich lediglich etwa 10 bis 30 Meter dicken A-Ringes sollen die bisher bekannten Bahnparameter dieser Moonlets noch weiter verfeinert werden.
Im Anschluss an diese Beobachtungen wird die ISS-Kamera am 7. und 8. Juli in Zusammenarbeit mit drei weiteren Instrumenten – neben dem VIMS kommen dabei auch das Composite Infrared Spectrometer (CIRS) und das Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS) zum Einsatz – drei weitere Sternokkultationen dokumentieren, wobei Teile des F-Rings die Sterne Eta Carinae, Delta Centauri und 2 Centauri bedecken werden.
Vorbeiflug am Titan
Drei Tage nach dem Passieren der Periapsis wird die Raumsonde Cassini schließlich am 10. Juli 2013 zum 93. mal den Saturnmond Titan im Rahmen eines zielgesteuerten Vorbeifluges passieren. Im Rahmen dieses als „T-92“ bezeichneten Vorbeifluges wird die Raumsonde die Oberfläche des Titan in einer Höhe von 964 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde überfliegen.
Während der Annäherungsphase an den Mond wird die ISS-Kamera Teilbereiche der Nordpolregion des Titan und von dessen nördlichen Hemisphäre abbilden und ein aus sieben Einzelaufnahmen bestehendes Mosaik erstellen. Diese Aufnahmen sollen diverse Details über die dort befindlichen Seen aus Kohlenwasserstoffverbindungen enthüllen, eine größere Datenlücke in den bisherigen Titanaufnahmen der ISS-Kamera schließen und zudem die bisher bestaufgelösten Aufnahmen des Impaktbeckens Menrva liefern, welches sich bei etwa 25 Grad nördlicher Breite befindet.
Zusätzlich wird das CIRS-Spektrometer dazu eingesetzt, um diverse Scans auf der Nachtseite des Titan durchzuführen. Das Ziel der Messungen besteht darin, die zu diesem Zeitpunkt in der Stratosphäre der Titanatmosphäre vorherrschenden Temperaturen zu ermitteln. Zusätzlich sollen hierbei durch Abtastungen, welche im mittleren und Fern-Infrarotbereich erfolgen, die Verteilung von Aerosolen und verschiedener chemischer Verbindungen in den oberen Schichten der Titanatmosphäre bestimmt werden.
In der Phase der dichtesten Annäherung wird schließlich das RADAR-Instrument von Cassini die wissenschaftlichen Arbeiten der Raumsonde dominieren. Unmittelbar vor der dichtesten Annäherung soll das Instrument durch Scatterometrie- und Radiometriemessungen Daten über die Beschaffenheit des Geländes auf der nördlichen Hemisphäre sammeln.
Im Anschluss an diese Messungen wird das RADAR die östlichen Bereiche des Kraken Mare, des mit einer Fläche von etwa 400.000 Quadratkilometer größten Methansees auf dem Titan im SAR-Modus abtasten. Direkt während der dichtesten Annäherung wird schließlich das Ligeia Mare, ein weiterer mit Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllter See, in den Aufnahmebereich des RADAR rücken.
Durch die Messungen, so die Erwartungen der Wissenschaftler der Cassini-Mission, können minimalste Höhenunterschiede auf der Oberfläche dieser Seen erkannt werden, welche sich im Millimeterbereich bewegen und die durch Wellenbewegungen ausgelöst werden, welche ihren Ursprung in Windeinflüssen, durch die Strömungen der diversen Zuflüsse von Kohlenwasserstoffverbindungen oder in Gezeitenbewegungen haben können. In der Abflugphase wird sich das RADAR dann unter anderem auf die Region Ardiri (hierbei handelt es sich um ein ausgedehntes Dünenfeld im Bereich des Äquators des Titan), erneut auf das Ligeia Mare, direkt auf die Region Concordia Regio und auf das Gebiet zwischen Concordia Regio und Hetpet Regio richten.
Einige dieser Radar-Aufnehmen können in Kombination mit früheren Messungen, welche während des Cassini-Orbits Nummer 191 angefertigt wurden, genutzt werden, um ein hochaufgelöstes dreidimensionales Radarbild der Titan-Oberfläche zu erzeugen.
Im Anschluss an die Radar-Dokumentationen wird erneut die ISS-Kamera „übernehmen“ und den Titan in Zusammenarbeit mit dem VIMS abbilden. Hierbei sollen speziell Wolkenformationen dokumentiert werden, welche sich zu diesem Zeitpunkt über die südliche Hemisphäre bewegen. Auch hier geht es darum, anhand der Bewegung dieser Wolken Rückschlüsse über das derzeitige Wettergeschehen zu ziehen. Zusätzlich soll im Rahmen dieser Abbildungen nach Albedovariationen gesucht werden. Zwei der zu erstellenden Aufnahmen werden dabei die südliche Polarregion des Titan wiedergeben. Hierbei soll speziell der gegenwärtig direkt über dem Südpol des Titan befindliche Wolkenwirbel dokumentiert werden.
Für die folgenden Tage sind weitere Aufnahmen durch die ISS-Kamera geplant, welche sowohl den Titan als auch den Saturn zum Ziel haben werden. Zudem wird am 13. Juli eine kurze Zündung der Triebwerke, der sogenannte „short engine burn number 353“, erfolgen, um eine notwendige Kurskorrektur der Raumsonde durchzuführen.
Im Anschluss an dieses Manöver wird die Raumsonde Cassini schließlich am 15. Juli 2013 um 8.15 MESZ in einer Entfernung von rund 1,5 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis ihrer Umlaufbahn erreichen und damit auch diesen 195. Umlauf um den Ringplaneten beenden. Für den dann beginnenden Orbit Nummer 196 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie verschiedener Saturnmonde vorgesehen. Zusätzlich wird im Rahmen dieses nächsten Orbits am 26. Juli ein weiterer gesteuerter Vorbeiflug an dem Titan erfolgen.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.
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