Um den Inventar-Bestand an Board von Raumfähren und –stationen aufzunehmen, gebraucht man bis heute simple Barcodes. Ein Team vom MIT glaubt, in der RFID-Technologie nun einen Weg gefunden zu haben, mit dem den Astronauten das zeitlastige manuelle Abscannen künftig erspart bleiben könnte.
Ein Beitrag von Julian Schlund. Quelle: Technology Review.
Ein Mensch in einem Raumanzug inmitten eines öden, rötlichen Terrains testet gerade das Info-Display seines Anzugs. Ein paar Zelte und ein automatisiertes Gewächshaus sind die einzigen anderen Anzeichen für Leben. Plötzlich taucht jedoch ein Geländewagen in der Ferne auf. Es ist also nicht der Mars. Stattdessen befinden wir uns auf der Erde. Genauer gesagt in Devon Island in der kanadischen Arktis, einer Region, wie sie den Verhältnissen auf dem Mars nicht ähnlicher sein könnte.
Jeden Sommer, wenn das Wetter entsprechend mild ist, kommen Forscher aus aller Welt zur Haughton-Mars Project-Basis. Das Haughton-Mars Project ist ein von der NASA ins Leben gerufene Projekt, das aus zwei parallel ablaufenden Programmen besteht. Einerseits wird in Devon Island, oft auch als irdisches Analog zum Mars bezeichnet, Grundlagenforschung betrieben. Die felsige, polare Wüstengegend als auch die geologischen und biologischen Eigenschaften dieses Ortes sind denen des Mars frappierend ähnlich und bieten daher einen einmaligen Einblick in die mögliche Entwicklung des Mars, besonders in die Vergangenheit von Wasser sowie von früheren Klimaverhältnissen. Die Mars-gleichen Verhältnisse sind allerdings von ebenso großem Nutzen für die Entwicklung neuer Technologien, Strategien, Erforschung des sogenannten Human Factors (Rolle psychologischer und sozialer Einflussfaktoren) und operativem Know-How (Planung der Missionen).
Vergangenen Sommer betrat zum ersten Mal ein Team des Massachusets Institute of Technology (MIT) die Basis. Und zwar mit der Aufgabe, die passende Ausrüstung zu entwerfen und zu testen, um bei zukünftigen bemannte Missionen zum vierten Planeten unseres Sonnensystems (Merkur, Venus, Erde, Mars) über möglichst effiziente Methoden zur Versorgung der Crew zu verfügen. Geleitet von Olivier de Weck, assistierendem Professor für Luft- und Raumfahrt-Technik, sowie Umwelttechnik-Professor David Simchi-Levi, werden dem Team von der NASA 3,8 Millionen US-Dollar für eine Forschungszeit von zwei Jahren gestattet.
Zeitlastige Nebensächlichkeiten
In der ersten Phase ging es um onboard-Inventar, das lediglich die kostare Zeit der Astronauten vergeudet. Laut de Weck verbringen die Astronauten an Board der ISS mehrere Stunden am Tag damit, einen Überblick über Dinge wie Essen oder wissenschaftliche Ausrüstung zu behalten.
„Was sie wirklich machen sollen, das ist produktive wissenschaftliche Arbeit.“
Gegenwärtig bedienen sich Astronauten einfachen Barcodes, um sich einen Überblick über ihre Vorräte zu verschaffen. Jeder Artikel ist dabei mit zwei Barcodes etikettiert: einer dient zur Identifizierung, während der andere Aufschluss über den Bewahrungsort gibt. Das Problem: bislang bedarf es Barcode-Scannern, mit denen quasi jeder Artikel einzeln und von Hand abgescannt werden muss, wie es die Kassierer/-innen im Supermarkt machen.
Den Astronauten muss diese zeitlastige und nebensächliche Handarbeit abgenommen werden.
Dies versuchte das Team, indem es zahlreiche Objekte, von getrockneten Früchten bis hin zu einem Geländewagen, mit einem RFID-Chip kennzeichnete. Im Gegensatz zu Barcodes, die wie gesagt von Hand abgescannt werden müssen, benutzen RFID-Chips Radiosignale, um mit nahe gelegenen Empfängern zu kommunizieren.
De Weck und Simchi-Levi’s Team benutzten in ihren Tests die an Wänden, Vehikeln oder Toren anzubringenden RFID-Empfänger beispielsweise, um sich eine Übersicht über die zahlreichen Geländfahrzeuge der Basis zu verschaffen. Auf dem Mond oder Mars könnten sie Aufschluss darüber geben, was sich in dem Erkundungsfahrzeug befindet und ob die dortigen Versorgungsmittel für einen Tagestrip ausreichen oder nicht.
Auch wenn die MIT-Wissenschaftler die Daten noch nicht vollständig ausgewertet haben, glauben sie, dass RFID-Chips deutlich effizienter als die bisher eingesetzten Barcodes sind, auch wenn sie nicht so präzise arbeiten. So kam es manchmal vor, dass der RFID-Empfänger ein Signal nicht aufgefangen hat. Um dieses Problem zu lösen, bedarf es Empfängern, die in der Lage sind, Signale aus größeren Winkeln zu empfangen.
Momentan beschäftigen sich die Wissenschaftler mit der Frage, wieviele Empfänger in einem Space-Shuttle gebraucht werden würden. Fest steht, dass die Anwort auf diese Frage das Design zukünftiger Raumfahrzeuge beeinflussen wird. „Das müssen wir der NASA und deren Zulieferern nun klar machen…“, erläutert Weck, „sodass RFID-Chips in fünf oder zehn Jahren eine brauchbare Technologie sein werden“.
Fest steht auch, dass sich künftige bemannte Missionen zum Mond oder zum Mars deutlich von den Appollo-Flügen unterscheiden werden. Während bei letzteren fast alles, was hinaufbefördert worden war, bei der Rückkehr dortgelassen wurde, plant die NASA für künftige Missionen die Errichtung von „Warenhäusern“ zur Versorgung im Weltraum, ob auf dem Mond, auf unserem roten Nachbarn oder gar auf einer gravitational stabilen Region auf etwa 85 Prozent der Strecke von der Erde zum Mond. Auch hier könnte sich die RFID-Technologie bezahlt machen, zum Beispiel zur Überprüfung der Qualität der Versorgungsmittel, die im Weltall teilweise extremen Umweltverhältnissen wie hohen und rapiden Temperaturschwankungen ausgesetzt sein werden.