Röntgen-Jet in weiter Ferne

Das Röntgen-Teleskop Chandra hat den Jet eines Quasars in einer für den Röntgenbereich nie zuvor gemessenen Entfernung entdeckt. Mit seiner Hilfe wollen Wissenschaftler Theorien zum Urknall testen.

Ein Beitrag von Michael Aye. Quelle: Chandra Observation Center.

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Links oben das Chandra Bild, zur Veranschaulichung so rotiert, dass der Jet parallel zu dem der Illustration liegt. Das große Bild stellt eine künstlerische Darstellung eines Quasars mit Jet dar.
(Bild: NASA / Chandra)

Eine neue Analyse von Beobachtungen des Quasars GB1508+5714, durchgeführt von Chandra, dem US-amerikanischen Röntgensatelliten, zeigt einen Jet an hochenergetischen Teilchen, der sich über mehr als 100.000 Lichtjahre (entspricht etwa dem Durchmesser der Milchstrasse) von dem supermassiven Schwarzen Loch im Zentrum des Quasars aus erstreckt.

Bei einer Distanz von 12 Milliarden Lichtjahren zur Erde ist dieser Jet der am weitesten entfernte von allen je entdeckten Teilchenströmen, und wird bei einer momentan geschätzten Ausdehnung des Universums von etwa 13 Milliarden Lichtjahren zu einem Zeitpunkt beobachtet, an dem das Universum erst etwa eine Milliarde Jahre alt war. Diese Entdeckung war eine Überraschung für die Astronomen, da der ferne Quasar GB1508+5714 den Astronomen zwar als starke Röntgenquelle bekannt war, vorhergehende Beobachtungen aber keine komplexen Strukturen oder Jets gezeigt hätten.
“Dieser Jet ist besonders signifikant, weil mit seiner Hilfe die Intensität der kosmischen Hintergrundstrahlung 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall vermessen werden kann”, sagt Aneta Siemiginowska vom Harvard-Smithsonian Zentrum für Astrophysik in Cambridge, Massachusetts. Siemiginowska ist Hauptautorin eines Reports zu diesem Forschungsbereich, der in der Ausgabe der Astrophysical Journal Letters, einem Journal zur schnellen Veröffentlichung astrophysikalischer Forschungs-Ergebnisse, vom 20. November diesen Jahres veröffentlicht worden ist. Vor dieser Entdeckung war der zeitnächste Moment zum Urknall, der bisher mit dieser Methode vermessen wurde, immer noch ca. drei Milliarden Jahre nach dem Urknall.

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Archivbild des Quasars vom 22. Juli 1995, aufgenommen vom Hubble Space Telescope .
Dieses Bild dient zur Überprüfung, ob eine Vordergrund-Galaxie oder ein Gravitationslinseneffekt den Jet im Chandra -Bild erzeugt haben könnte.
An den Koordinaten des Röntgenjets kann keine optische Emission festgestellt werden.
Norden ist oben, Osten links. Seitenlänge: 12 Bogensekunden.
(Bild: NASA / Chandra)

Quasare (Quasi-Stellar-Radio Objekt) werden so bezeichnet, weil diese Objekte zuerst im Radiobereich entdeckt worden sind und aufgrund der riesigen Entfernung nur punktförmig, also quasi-stellar (stern-artig), zu erkennen sind.
Dabei stellen sie eigentlich, dem gegenwärtigen Kenntnisstand zufolge, sogenannte Aktive Galaxien dar, die ein zentrales supermassives Schwarzes Loch beherbergen.

Dieses wird durch einen ständigen Zustrom an Gas und Sternen gefüttert, wobei durch gravitative Beschleunigung dieses einfliegende Material zu Temperaturen von bis zu einigen Millionen Grad aufgeheizt und dementsprechend thermische Strahlung im Röntgenbereich mit einer enormen Intensität erzeugt wird, sollte genügend Material zur Einspeisung vorhanden sein.
So erklärt man sich den Fakt, das trotz der gigantischen Entfernung dieser Objekte manche Sternenhelligkeit erreichen, daher wiederum die Bezeichnung als quasi-stellar. Dieser Prozess des Materietransports, getrieben durch ein schweres zentrales Objekt wird Akkretion genannt, und stellt die Definition für eine Aktive Galaxie dar. Es wird vermutet, dass die Milchstrasse selbst einmal aktiv war und Materie zu dem Schwarzen Loch transportiert hat, welches sich mit ziemlicher Sicherheit im Zentrum unserer Galaxie befindet. Auch eine erneute Aktivität der Milchstrasse in diesem Sinne, jedoch in für menschliche Maßstäbe ferner Zukunft liegend, wird nicht ausgeschlossen.

Dieser Akkretionsprozess wird nun aus komplizierten physikalischen Gründen, wobei Drehimpulserhaltung in Kombination mit Magnetfeldern vermutlich eine Rolle spielen, oft von mächtigen hochenergetischen Teilchenströmen begleitet, die sich in den meisten Fällen nahezu rechtwinklig von der sogenannten Akkretionsscheibe – die Scheibe aus beschleunigten Gas und Sternen, allermeistens in derselben Ebene wie die Sterne der übrigen Galaxie selbst – fortbewegen.

Elektronen in diesem Jet bewegen sich, beschleunigt durch Magnetfelder, nahezu mit Lichtgeschwindigkeit von ihrem Herkunfts-Quasar fort. Dabei durchqueren sie einen See an Photonen, die übrig geblieben sind von der kosmischen Hintergrundstrahlung des Urknalls, der, wie erwähnt, in diesem Fall etwa eine Milliarde Jahre vor der Situation, die wir in dieser Beobachtung vorfinden, stattgefunden hat.

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Zum Vergleich noch einmal das Chandra -Bild: Diesmal in der Standardausrichtung, Norden oben, Osten links. Seitenlänge: 12 Bogensekunden.
(Bild: NASA / Chandra)

Wenn nun eines dieser schnellen Elektronen mit einem dieser Hintergrundphotonen kollidiert, kann es die Energie des Photons bis in den Röntgenbereich erhöhen, ein Prozess der Inverse Compton-Streuung genannt wird.

Invers, da bei normalen Energien von der Größenordnung wie sie in der Atomphysik ständig vorkommen, normalerweise das Photon bei einer Kollision mit einem Elektron Energie verliert und nicht gewinnt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der umgekehrte Prozess stattfindet, erhöht sich interessanterweise nun mit der Energie, die für die Kollision zur Verfügung steht.

Daher stellt dieser Prozess der inversen Compton-Streuung (benannt nach seinem Entdecker Arthur Holly Compton, der den grundsätzlichen Prozess einer Photonenergie verändernden Kollision 1923 entdeckt hat) einen der wichtigsten Prozesse in der Hochenergie-Astrophysik dar.

Die beobachtete Intensität des Jets im Röntgenbereich hängt hier nun von zwei Parametern ab: Der Intensität der Hintergrundstrahlung und der Leistung des Elektronenstrahls im Jet, ein Begriff der die Anzahl und vorkommende Energieverteilung der Elektronen zusammenfasst.

“Jeder [Astronom] nimmt an, dass die Hintergrundstrahlung sich zeitlich in einer vorhersagbaren Weise ändert, aber es ist wichtig, mit dieser Beobachtung die Vorhersagen zu überprüfen”, führt Siemiginowska weiter aus. “Dieser Jet ist hoffentlich nur einer der ersten in einer großen Ansammlung von Objekten in einer solchen Entfernung, welche dazu benutzt werden können, uns zu zeigen, wie sich die Intensität der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung mit der Zeit ändert.”

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Archivbild des Very Large Array Radioteleskopsystems vom 15. Juli 1995.
Sichtbare jet-ähnliche Strukturen bestätigen Chandras Beobachtung und die Sichtbarkeit der Struktur im Radiobereich lassen Rückschlüsse auf den Entstehungsprozess zu. Norden ist oben, Osten links. Seitenlänge: 12 Bogensekunden.
(Bild: NASA / Chandra)

Nachdem dieser Jet von Siemiginowska und ihren Kollegen gefunden wurde, haben andere Astronomen sorgfältig in Archivdaten des Very Large Array Radioteleskops nach Anzeichen eines Jets gesucht und sind auch fündig geworden.

Eine Veröffentlichung von Teddy Cheung der Brandeis Universität in Waltham, Massachusetts über Radiobeobachtungen von GB1508+5714 ist demzufolge ebenfalls von Astrophysical Journal Letters akzeptiert worden.

Eine andere Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Weimin Yuan von der Universität Cambridge in England hat unabhängig (da diese Untersuchungen von allen Teams nach der Freigabe der Chandra-Daten stattgefunden haben) ebenfalls von der weitreichenden Röntgenstrahlung dieses Quasars berichtet. Sie beschreibt in einer demnächst veröffentlichten Ausgabe der Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, dass diese enorme Energieumverteilung der Galaxie, verursacht durch die Röntgenbestrahlung der äußeren Bereiche der Galaxie durch den Jet, die Evolution der Galaxie stark beeinflussen könnte.
Einerseits könnten Sternentstehungsprozesse in den Außenbereichen der Galaxie gezündet werden. Andererseits wäre es aber auch möglich, dass das Wachstum der Galaxie, welches mittels Akkretion von interstellarem Gas geschieht, gehemmt werden könnte, indem der Strahlungsdruck des Jets die einströmende Materie verdrängt.

Die drei Bilder der Beobachtungen in den verschiedenen Wellenlängenbereichen haben alle die gleiche Kantenlänge von 12 Bogensekunden (eine Bogensekunde entspricht dem 3600stel eines Grads) und lassen damit einen direkten Vergleich von Details und Auflösungseigenschaften in den verschiedenen Wellenlängen zu.

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