Rosetta: Weitere Details vom Treffen mit Šteins

Auf einer Pressekonferenz am 6. September informierten ESA-Wissenschaftler über das Rendezvous ihrer Raumsonde Rosetta mit dem Asteroiden Šteins. Alles lief nach Plan, bis auf die vorzeitige Abschaltung einer Kamera.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: ESA-Livestream.

Die Konferenz im ESOC in Darmstadt wurde von ESA-Sprecherin Jocelyne Landeau-Constantin eröffnet. Außer ihr wurde die Konferenz vor allem von den sehr zufrieden wirkenden Rosetta-Wissenschaftlern Gerhard Schwehm, Rita Schulz, Andrea Accomazzo und Uwe Keller bestritten, die ihre ersten Daten anhand von Präsentationen auf einem Laptop vorführten und erläuterten.

ESA ©2008 MPS for OSIRIS Team MPS/UPM/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA
Der Asteroid Šteins in mehreren Phasen des Vorbeiflugs von Rosetta.
(Bild: ESA/MPS/UPM/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA)

Gerhard Schwehm sprach über die Geschichte und Zielsetzung des Projekts Rosetta, das ja im Kern eine sehr ehrgeizige Mission zu dem Kometen „67/P Tschurjumov-Gerasimenko“ (C-G) ist, die aber unterwegs noch Gelegenheit hat, die beiden Asteroiden „(2876) Šteins“ und „(21) Lutetia“ aus der Nähe zu betrachten. Dabei diente das nun vollführte Rendezvous mit dem etwa 5 Kilometer großen Šteins als Generalprobe für das Rendezvous mit dem etwa 100 Kilometer großen Lutetia und beide wiederum zur Erprobung und Kalibrierung der Instrumente sowie auch zur Übung des Teams für die eigentliche Aufgabe, die Begegnung mit dem Kometen C-G in den Jahren 2014 und 2015.

Das Geheimnis der Asteroiden
Rita Schulz erklärte die Motivation, überhaupt Asteroiden mit Raumsonden aufzusuchen, mit deren sehr hohem Alter. Asteroiden stammen noch aus einer Zeit, bevor sich die ersten Planeten formten. Man könne Asteroiden daher auch als eine Art „solare DNA“ betrachten. Asteroiden unterteilen sich in mannigfaltiger Art und Weise, es gibt mehr als 10 Asteroidentypen.

Seit 1991 haben amerikanische und japanische Missionen die Asteroiden Gaspra, Ida, Mathilde, Eros, Braille, Annefrank und Itokawa untersucht – einige sehr eingehend, viele nur im Vorbeiflug. Die meisten davon waren von dem im Sonnensystem weit verbreiteten C-Typ. Šteins ist nun der erste Asteroid vom seltenen E-Typ, an dem eine Raumsonde vorbei geflogen ist. Er wurde im November 1969 von dem russischen Astronomen N. S. Tschernych entdeckt und von diesem nach dem lettischen Astronomen Karlis Šteins benannt. E-Typ-Asteroiden weisen an der Oberfläche das Mineral Enstatit auf, enthalten in ihrer Zusammensetzung aber nur wenig Eisen und zählen damit in grober Einteilung zu den Steinmeteoriten.
Bei Rosettas Vorbeiflug waren 15 Instrumente aktiv, davon auch eins auf dem Lander Philae. Mit besonderer Spannung erwartet wurden natürlich die Aufnahmen der beiden Kameras NAC und WAC des optischen Systems OSIRIS.

ESA/MPS/UPM/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA
Gute Übereinstimmung zwischen dem aus Lichtkurven voraus berechneten Modell und dem realen Asteroiden.
(Bild: ESA/MPS/UPM/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA)

Planung des Vorbeiflugs
Andrea Accomazzo lieferte detaillierte Informationen, wie der Vorbeiflug technisch bewerkstelligt wurde. Ursprünglich war die Passage an Šteins relativ anspruchslos geplant: Er sollte als Generalprobe des Vorbeiflugs an Lutetia dienen und die Beobachtung sollte, aufgrund von thermischen Limits der Raumsonde, schon vor der größten Annäherung abgebrochen werden: Sie besitzt eine „kalte Seite“, auf der einige wäremempfindliche Instrumente versammelt sind. Zur Beobachtung von Šteins musste diese Seite aber der Sonne zugewandt werden. Durch den vorzeitigen Abbruch der Beobachtung sollte eine zu starke Aufheizung vermieden werden.

Aber da hatten die Techniker ihre Rechnung ohne die Wissenschaftler gemacht, die die seltene Gelegenheit nutzen wollten und hohe Ansprüche formulierten: Die Sonde sollte in dem geringstmöglichen Abstand an Šteins vorbei fliegen, die Beobachtung sollte natürlich auch während und nach dem Punkt der größten Annäherung fortgesetzt werden und während der Beobachtung sollte die Sonde die Sonne „im Rücken“ haben, um optimale Beobachtung zu gewährleisten.

Um möglichst nahe an den Asteroiden heran zu fliegen, musste erst dessen Bahn genauer bestimmt werden als bisher bekannt. Dazu lieferten mehrere Aufnahmen in den Monaten und Wochen vor dem Rendezvous die Grundlage. Als minimaler Abstand zu dem etwa fünf Kilometer großen Objekt wurden 800 Kilometer festgelegt, da damit die maximale Drehgeschwindigkeit erreicht werden würde, mit der die Kreiselräder der Sonde diese während des Vorbeiflugs drehen konnten. Das thermische Problem konnte durch eine vorübergehende Drehung der Sonde um die z-Achse gelöst werden.

Das Kamerasystem
Uwe Keller stellte die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Bildbeobachtung vor. Zunächst gab er Informationen zum OSIRIS-Kamerasystem, an dem neun Institute aus sechs Ländern unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau mitgewirkt haben. Die Narrow-Angle-Camera (NAC) kann aus 800 Kilometer Entfernung maximal 32 Meter große Strukturen auflösen, die Wide-Angle-Camera (WAC) 160 Meter große Strukturen. Ungewöhnlich groß ist die Auflösung des Bildsensors mit 2048 x 2048 Pixeln – üblich sind bei Weltraummissionen bis jetzt „nur“ 1024 x 1024 Pixel.

ESA/MPS/UPM/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA
Gute Übereinstimmung zwischen Modell und Realität auch aus dieser Perspektive.
(Bild: ESA/MPS/UPM/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA)

Die WAC-Kamera funktionierte während des gesamten Vorbeiflugs einwandfrei. Die NAC-Kamera schaltete sich allerdings neun Minuten vor der größten Annäherung ab, ging in einen Sicherheitsmodus und aktivierte sich erst Stunden später wieder. Zurückzuführen war dies auf Limits bestimmter Sicherheitsparameter, die bei der Annäherung überschritten wurden. Diese zuvor eingestellten Limits waren bewusst vorsichtig gewählt worden, um kein Risiko einzugehen. Keller betonte, dass OSIRIS für die Kometenbeobachtung optimiert wurde und ohnehin erst dann seine volle Leistungsfähigkeit zeigen können wird, wenn der Zielkomet erreicht ist.

Erste Ergebnisse
Schon vor einiger Zeit konnten aus Beobachtungen verschiedener Erd- und Weltraumteleskope Lichtkurven des Asteroiden Šteins im Verlauf seiner Rotationsperiode aufgenommen und daraus dessen Form abgeschätzt werden. Der Vergleich dieses Modells mit den jetzt gewonnenen Bildern zeigt eine bemerkenswert gute Übereinstimmung.

Die auf der Konferenz vorgestellten Bilder von Steins stammen von der WAC-Kamera; die NAC-Bilder müssen erst noch übertragen werden. Außerdem wurde eine Flash-Animation des Vorbeiflugs veröffentlicht.

Šteins hat eine eckige, einem Diamanten ähnelnde Form. Seine Farbe ist im Wesentlichen hellgrau, was auch dazu passt, dass E-Typ-Asteroiden eine relativ hohe Albedo (Reflektivität) haben. Seine Größe konnte jetzt zu 5,9 mal 4,0 Kilometer bestimmt werden. Daraus ergibt sich ein effektiver Durchmesser von 5,0 Kilometern, was knapp 10% mehr ist als der vorhergesagte Wert von 4,6 Kilometer.

ESA/MPS/UPM/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA
3D-Bild von Šteins (erfordert grün-rote Brille).
(Bild: ESA/MPS/UPM/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA)

Šteins weist mindestens zwei große Krater von etwa zwei Kilometern Durchmesser auf. Demnach ist der Asteroid wahrscheinlich in sich zerbrochen und hält nur noch durch seine Gravitation zusammen. Auf den Bildern ist auch eine Kette von sieben kleineren Kratern zu sehen, wie man sie zum Beispiel auch auf dem Erdmond öfter sieht und die wahrscheinlich durch die Einzelteile eines zuvor zerbrochenen kleineren Objekts oder einen Meteoritenschauer verursacht wurde. Insgesamt konnten vorläufig 23 größere Krater gezählt werden, die sich in verschiedenen Stadien des Verfalls befinden (zum Beispiel Auffüllung durch Regolith). Allein die hohe Zahl von Kratern bestätigt die Annahme, dass der Asteroid schon sehr alt sein muss.

Anschließend betraten noch zwei nicht näher genannte Wissenschaftler das Podium, die unter anderem erste, noch sehr vorläufige Ergebnisse des Infrarot-Spektrometers VIRTIS vorstellten. Die Dame zeigte sich von den ersten Resultaten bereits sehr angetan, betonte allerdings, dass die Auswertung der Daten noch viel Zeit benötigen wird.

Zum Abschluss referierte Gaele Winters von der ESA noch über die Bedrohung der Erde durch erdnahe Weltraumobjekte und stellte dazu eine neue Überwachungs-Initiative der ESA, das Space Situational Awareness Programme vor, über das die nächste Ministerkonferenz im November 2008 beraten wird.

Siehe auch:

Livebericht vom Rendezvous

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