Während der vergangenen Monate konnten die an der Mission der Raumsonde Rosetta beteiligten Wissenschaftler eine kontinuierlich zunehmende Aktivität des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko beobachten. Mittlerweile werden dabei auch Fontänen aus Gas und Staub beobachtet, welche – bedingt durch die immer weiter steigenden Temperaturen auf der Kometenoberfläche – von der Nachtseite des Kometen in das umgebende Weltall entweichen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Vertont von Peter Rittinger
Kometen bewegen sich auf stark elliptischen Umlaufbahnen um die Sonne. Den Großteil ihrer Existenz fristen diese Objekte dabei fernab des Zentralgestirns unseres Sonnensystems als kalte, nahezu unveränderliche Brocken aus Eis, Staub und gefrorenen Gasen. Erst wenn sich ein Komet auf seiner langgezogenen Umlaufbahn der Sonne bis auf eine Entfernung von etwa fünf Astronomischen Einheiten – dies entspricht in etwa einer Distanz von 750 Millionen Kilometern – nähert, setzt eine zunächst langsam ablaufende ‘Verwandlung’ ein.
Aufgrund der jetzt immer weiter steigenden Temperaturen auf der Kometenoberfläche sublimieren die leichtflüchtigen Bestandteile des Kometenkerns – in erster Linie handelt es sich dabei um gefrorenes Wasser, Kohlenstoffdioxid, Methan und Ammoniak – und entweichen mit Geschwindigkeiten von bis zu einigen hundert Metern pro Sekunde in das umgebende Weltall. Dabei reißen diese freigesetzten Gase regelrechte Fontänen aus Staubpartikeln mit sich. Diese Teilchen formen zunächst eine Koma, welche den Kometenkern vollständig einhüllt. Aus dieser Kometenkoma entwickelt sich aufgrund des von der Sonne ausgehenden Strahlungsdrucks anschließend auch ein Schweif, welcher den Kometen ihr charakteristisches Aussehen verleiht.
Detaillierte Erkenntnisse über die dabei ablaufenden Prozesse erhoffen sich die auf die Untersuchung von Kometen spezialisierten Wissenschaftler durch die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta, welche am 6. August 2014 den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko (der Einfachheit halber ab hier als “67P” abgekürzt) erreichte.
Seitdem ‘begleitet’ Rosetta diesen Kometen auf seinem weiteren Weg in das innere Sonnensystem und untersucht dieses Relikt aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems dabei intensiv mit elf wissenschaftlichen Instrumenten aus Entfernungen zwischen acht bis hin zu einigen hundert Kilometern. Ein besonderes Augenmerk richten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler dabei auch auf die Entwicklung der ‘kometaren Aktivität’ von 67P.
Während der vergangenen Monate konnten die an der Rosetta-Mission beteiligten Wissenschaftler eine kontinuierlich zunehmende Aktivität von 67P beobachten. Obwohl es noch etwa zwei Monate dauern wird, bis der Komet auf seiner Umlaufbahn am 13. August 2015 in einer Entfernung von etwa 186 Millionen Kilometern zur Sonne das Perihel – den Punkt der dichtesten Annäherung an das Zentralgestirn unseres Sonnensystems – durchlaufen wird, ist der Komet bereits jetzt von einer deutlich erkennbaren Koma aus Gas und Staubpartikeln umgeben.
Die Ausgangsregionen der für den Materialtransport verantwortlichen Jets konnten bisher fast ausschließlich mit verschiedenen zu den jeweiligen Zeitpunkten von der Sonne beleuchteten Bereichen auf der ‘Tagseite’ der Kometenoberfläche in Verbindung gebracht werden. Sobald diese Bereiche infolge der Rotation des Kometen nicht mehr von dem Sonnenlicht erreicht wurden, kamen auch die von dort ausgehenden Gas- und Staubjets innerhalb weniger Minuten vollständig zum Erliegen und ‘erwachten’ erst nach dem erneuten Sonnenaufgang wieder zu neuem Leben. Diese Situation hat sich mittlerweile jedoch grundlegend geändert.
Bereits am 25. April 2015 bildete die OSIRIS-Kamera – die unter der Leitung von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelte und betriebene Hauptkamera an Bord von Rosetta – die auf dem “Kopf” des Kometen gelegene Region “Ma’at” ab. Auf diesen Aufnahmen, welche etwa 30 Minuten nach dem dortigen Sonnenuntergang entstanden, sind deutlich mehrere klar unterscheidbare Staubfontänen erkennbar, welche in das umgebende Weltall entweichen.
“Staubfontänen, die auch nach Sonnenuntergang weiter bestehen, beobachten wir erst seit Kurzem”, so Dr. Holger Sierks vom MPS, der wissenschaftliche Leiter des OSIRIS-Teams. Die an der Mission beteiligten Wissenschaftler sind der Meinung, dass dieses neu beobachtete Phänomen einer jetzt auch ‘nächtlichen Aktivität’ durch die zunehmende Erwärmung der Kometenoberfläche infolge der erhöhten Sonneneinstrahlung hervorgerufen wird.
“Derzeit nähert sich 67P rasch seinem sonnennächsten Punkt, den er bereits Mitte August erreicht”, so Dr. Sierks weiter. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war der Komet 67P lediglich noch etwa 270 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. “Die Sonneneinstrahlung wird [bedingt durch die zunehmende Annäherung an die Sonne] immer intensiver und die beleuchtete Oberfläche immer wärmer.”
Erste Modellrechnungen deuten darauf hin, dass der Komet diese Wärme für einige Zeit unter seiner Oberfläche speichern kann, wodurch bedingt auch während der Nachtstunden weitere zuvor gefrorene Gase sublimieren und entweichen können.
“Während der oberflächliche Staub nach Sonnenuntergang rasch abkühlt, bleiben tiefer liegende Schichten länger warm”, so Xian Shi vom MPS, eine der am OSIRIS-Experiment beteiligten Wissenschaftlerinnen, welche das Phänomen der ‘nächtlichen Fontänen’ untersuchte. In diesen tiefer gelegenen Schichten vermuten die Wissenschaftler auch den Vorrat an gefrorenen Gasen, aus dem die gegenwärtige Aktivität von 67P gespeist wird.
Bereits ältere Kometenmissionen wie die NASA-Raumsonde Stardust zu dem Kometen 81P/Wild 2 oder Deep Impact zu dem Kometen 9P/Tempel 1 hatten Hinweise auf Jets geliefert, welche von den jeweiligen “Nachtseiten” dieser Kometen ausgehen.
“Doch erst die hochaufgelösten Bilder von OSIRIS erlauben es uns nun, dieses Phänomen detailliert zu studieren”, so Dr. Sierks.
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