Am 17. November 2015 um 7:34 Uhr MEZ (9:34 Uhr Moskauer Zeit) wurde auf einer Sojus-2.1b-Rakete mit Fregat-M-Oberstufe der Frühwarnsatellit Kosmos 2.510 von der Rampe 4 des Startkomplexes 43 in Plessezk im Norden Russlands aus gestartet. Es handelt sich dabei möglicherweise um einen Satelliten eines neuen Typs namens Tundra bzw. 14F142.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Interfax, Kommersant, Raumfahrer.net, RIAN, russianforces.org, russianspaceweb.com, Russisches Verteidigungsministerium, Sputnik
Um 7:36 Uhr MEZ (9:36 Uhr Moskauer Zeit) erfasste das Bahnverfolgungs- und Satellitenkontrollzentrum German Titow alias Golizyno 2 in Krasnoznamensk westlich von Moskau die gestartete Rakete – eine Variante von Koroljows berühmter R-7 – mit der Nutzlast für die Luft- und Weltraumverteidigungskräfte (Voyska Vozdushno-Kosmicheskoy Oborony, VKO – Russisch: Войска воздушно-космической обороны, ВКО) des russischen Verteidigungsministeriums.
Der Satellit an Bord der schon im Jahr 2009 hergestellten Sojus 2.1b wurde nach dem 1845. R-7-Start insgesamt in einen hochelliptischen Orbit mit einem Apogäum – dem erdfernsten Bahnpunkt – von etwa 38.552 Kilometern über der Erdoberfläche und einem Perigäum – dem der Erde nächstliegenden Bahnpunkt – von rund 1.626 Kilometern sowie einer Inklination, der Neigung gegen den Erdäquator, von 63,4 Grad gebracht. Für einen Umlauf benötigt Kosmos 2.510 auf dieser Bahn rund 714 Minuten, also etwas unter 12 Stunden.
Ein Mitarbeiter des russischen Verteidigungsministeriums äußerte gegenüber der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti (Russisch: РИА Новости), dass der neue Satellit zum geplanten Zeitpunkt im Zielorbit ausgesetzt worden sei. Nach Angaben der gleichen Quelle habe man mit dem Erdtrabanten eine stabile Telemetrie-Verbindung etabliert, und könne auf die, wie vorgesehen funktionierenden, Satellitensysteme zugreifen.
Zahlreiche Beobachter aus Ost und West vermuten, dass es sich bei dem neuen Satelliten um den ersten Frühwarnsatelliten eines neuen „Tundra“ genannten Typs mit dem Erzeugniscode 14F142 handelt. Der Einsatz solcher Raumfahrzeuge soll als Teil eines integrierten Weltraumsystems, russisch EKS für Единой космической системы bzw. Jedinaja Kosmitscheskaja Systema genannt, erfolgen.
Entsprechend kursiert für den jetzt gestarteten Satelliten auch die Bezeichnung EKS 1. Das russische Verteidigungsministerium bezeichnet das Raumfahrzeug in einer Presseerklärung als Raumapparat neuer Generation im Interesse des Verteidigungsministeriums. In einer englischsprachigen Meldung ist von einem „new generation space module“ die Rede.
Als Hersteller von 14F142-Satelliten haben Beobachter Energia identifiziert. Zu Grunde gelegter Satellitenbus könnte eine Konstruktion mit der Bezeichnung USP für „Universal Space Platform“ sein. Die Nutzlast zur Erkennung von Raketenstarts kommt mutmaßlich vom zentralen Institut für Wissenschaft und Forschung Kometa.
Die Entwicklung eines russischen satellitenbasierten Frühwarnsystems und erste Starts erfolgten bereits in den 1970ern. Seit Beginn der 1980er Jahre wurden Satelliten des Typs US-K regelmäßig eingesetzt, um Raketenstarts, insbesondere solche der Vereinigten Staaten von Amerika, mit optischen Teleskopen und Infrarotsensoren festzustellen und zu orten.
Für eine sinnvolle Beobachtung rund um die Uhr werden mindestens vier Satelliten benötigt, da sie auf ihren hochelliptischen Bahnen nur etwa sechs Stunden die Landmasse der USA beobachten können. Ins All transportiert wurden die zuletzt genutzten Satelliten von Molnija-M-Rake
ten, ebenfalls eine Variante der R-7.
Der drittletzte Molnija-M-Start erfolgte am 23. Oktober 2007, als mit Kosmos 2.430 ein Frühwarnsatellit des Typs US-K transportiert wurde. Am 2. Dezember 2008 erfolgte ebenfalls ein Start eines solchen Satelliten auf einer entsprechenden Rakete. Der als Kosmos 2.446 bezeichnete Satellit und Kosmos 2.430 waren bis zum Start von Kosmos 2.469 am 30. September 2010 auf der letzten Molnija-M-Rakete die einzigen betriebsfähigen russischen Frühwarnsatelliten auf hochelliptischen Umlaufbahnen.
Russland setzte wie die Vereinigten Staaten von Amerika zusätzlich auch Frühwarnsatelliten im Geostationären Orbit ein, aktuell verfügt Russland jedoch über kein solches betriebsfähiges Raumfahrzeug im Geostationären Orbit.
Der geostationäre Frühwarnsatellit Kosmos 2.440, ein im Juni 2008 gestartetes Raumfahrzeug des Typs 71kh6 bzw. US-KMO, ist seit dem Frühjahr 2010 nicht mehr verwendbar. Als Nachfolger wurde Kosmos 2.479 am 30. März 2012 – Auslegungsbetriebsdauer zwischen fünf und sieben Jahren – ins All gebracht.
Kosmos 2.479 hörte jedoch bereits im April 2014 auf zu senden, hielt also wie sein Vorgänger nur etwa zwei Jahre. Regelmäßig erforderliche Manöver zum Bahnerhalt endeten. Die russische Zeitung Kommersant meldete seinerzeit, der Satellit habe Probleme mit von einem Lieferanten aus dem Ausland bezogenen Akkumulatoren zur Speicherung elektrischer Energie bekommen.
Kosmos 2.510 ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 41.032 und als COSPAR-Objekt 2015-066A.
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum: