Nach einer Reise um den halben Erdball sind die beiden in Russland gebauten Sojus-Raketen, auf denen die vier Satelliten der Galileo-Testkonstellation (IOV) in den Weltraum befördert werden sollen, in Kourou in Französisch-Guayana angekommen.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA. Vertont von Peter Rittinger.
In Portionen von jeweils zwei Satelliten sollen die Bestandteile des Weltraumsegments der Galileo-Testkonstellation ins All gelangen. Der erste Start ist für den 20. Oktober 2011 angesetzt, der zweite für Mitte 2012 geplant. Die dafür benötigten Raketen vom Typ Sojus ST-B und die zugehörigen Oberstufen vom Typ Fregat-MT befinden sich seit dem 18. Juni 2011 in Französisch-Guayana.
Ein speziell für den Transport von Raketen und Raumfahrzeugen ausgerüstetes Hochseeschiff, die MN Colibri, hatte Träger und Oberstufen von St. Petersburg über den Atlantik nach Südamerika gebracht. Am 3. Juni 2011 war die MN Colibri in St. Petersburg aufgebrochen, nachdem sie mit dem per Bahn vom Herstellerwerk in Samara herbeigeschafften Frachtgut beladen worden war.
Der nächste wichtige Meilenstein in Kourou nach dem Ausladen der Trägerraketen wird die Überprüfung der Startbereitschaft (Launcher Flight Readiness Review) der für den Start im Oktober zur Verwendung vorgesehenen Raketenhardware am 21. Juli 2011 sein. Kommt man dabei zu einem positiven Ergebnis, kann der Zusammenbau der Sojus für den ersten Galileo-Start in Kourou beginnen.
Die zwei Satelliten, die am 20. Oktober den Weltraum erreichen sollen, das Protoflight Model (PFM) und das erste Flight Model (FM1), durchlaufen derzeit bei Thales Alenia Space im italienischen Rom letzte Qualifikations- und Abnahmetests. Ist die Flugbereitschaft der Satelliten erst einmal festgestellt, wird man sie und vor Ort notwendige Bodenanlagen zusammen mit dem Startteam auf dem Luftweg nach Französisch-Guayana bringen. Derzeit geht man davon aus, dass es Anfang September soweit ist.
Für den ersten Flug einer Sojus-Rakete von Kourou aus werden keine schon vor der Ankunft der MN Colibri am 18. Juni in Kourou verfügbaren Sojus-Raketenkomponenten verwendet, da allein die Kombination aus einer Sojus ST-B und einer Fregat-MT leistungsfähig genug ist, um zwei Galileo-Satelliten auf eine annähernd kreisförmige Umlaufbahn in rund 23.222 Kilometern über der Erde zu bringen.
Während des Transports auf der Rakete werden die beiden Satelliten auf der Fregat-MT-Oberstufe an einer Tragstruktur europäischer Konstruktion befestigt sein, die außerdem das Abtrennen der Satelliten beim Erreichen des jeweiligen Zielorbits besorgen wird.
Die Grundversion der wiederzündbaren Fregat-Oberstufe kam bei zwei Starts im kasachischen Baikonur 2006 und 2008 auf Sojus-Trägern zum Einsatz, dabei gelangten die beiden frühen Galileo-Testsatelliten GIOVE-A und -B auf die vorgesehenen Umlaufbahnen. Um zwei Satelliten im Rahmen einer Mission auf die jeweils richtige Bahn bringen zu können, ist die Treibstoffzuladung der Fregat-MT um 900 Kilogramm größer als die der Grundversion.
Der anvisierte Start mit den Galileo-Navigationssatelliten im Oktober wird aus vielerlei Gründen zu einem historischen Ereignis werden: Zum ersten Mal wird eine Sojus-Rakete nicht im kasachischen Baikonur oder im russischen Plesetsk abheben. Zum ersten Mal wird eine Sojus-Rakete starten, die mit ihrer Nutzlast ausgestattet wurde, als sie schon vertikal auf der Startrampe aufgerichtet war. Zum ersten Mal wird eine Sojus-Rakete Navigationssatelliten ins All bringen, die ins Galileo-Betriebsnetz integriert werden sollen. Zum ersten Mal werden Atomuhren für Navigationsanwendungen mit einer Gangabweichung von nur einer Sekunde auf drei Millionen Jahre an Bord von Satelliten den Weltraum erreichen.
Die vier Satelliten der Galileo-Testkonstellation repräsentieren mit ihrer Navigationsnutzlast bereits die Ausstattung der nachfolgenden Satelliten. Ihre leistungsfähigen Sender zur Ausstrahlung von Navigationssignalen und ihre hoch-genauen Atomuhren werden zum Kern des sich über mehrere Ausbaustufen entwickelnden europäischen Satellitennavigationssystems. Nach dem Start von 14 Seriensatelliten soll die Allgemeinheit ab 2014 bereits bestimmte Basisdienste nutzen können. Gegen Ende des Jahrzehnts könnte das System schließlich voll ausgebaut sein.
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