Wie lebt man 2050 auf dem Mond? Eine Pressemitteilung der Technischen Universität München (TUM).
Quelle: Technische Universität München 2. September 2024.
2. September 2024 – Der Mond ist staubig und kahl. Der vertraute Heimatplanet Erde liegt rund 360.000 km entfernt, die Gravitationskraft ist nur ein Sechstel der Erdanziehung und es herrscht absolute Luftleere. Wie besiedelt und bewirtschaftet man eine solche Umgebung? Mit dieser Herausforderung haben sich 42 talentierte Studierende und junge Berufstätige aus 21 Ländern eine Woche lang auf dem Space Station Design Workshop (SSDW) an der Technischen Universität München (TUM) am Raumfahrtcampus Ottobrunn auseinandergesetzt.
Vor über 50 Jahren hat ein Mensch das letzte Mal den Mond betreten. Lange nach der letzten Apollo-Mission im Jahr 1972 hat ein neues Wettrennen um bemannte Missionen zum Mond begonnen. Nicht nur die NASA und ESA, sondern auch die Raumfahrtagenturen aus Russland, China und Indien sowie private Unternehmen wollen zum Mond. Schon heute ist von Plänen über die Besiedlung des Erdtrabanten zu lesen. Eines Tages soll er als „Hub“ und Zwischenstation für weite Reisen in die Tiefen des Weltraums dienen.
Zwei Teams, ein Wettbewerb
Doch wie überlebt man bei Temperaturen zwischen plus 120 und minus 230 Grad Celsius? Woher kommen die lebensnotwendige Atemluft und das Trinkwasser? Was passiert mit den menschlichen Ausscheidungen und kann man auf dem Mond auch Videos streamen?
Mit diesen und vielen weiteren Fragen und Herausforderungen haben sich die 42 Teilnehmenden des SSDW 2024, der vom 24. bis 30. August 2024 stattfand, beschäftigt. Eine Woche lang und oft bis tief in die Nacht grübelten die Teilnehmenden aufgeteilt in „Team Weiß“ und „Team Blau“ über diese Fragen. Die Aufgabenstellung? Nichts Geringeres als die Entwicklung eines umfassenden Infrastruktur-Netzwerks für die Bewirtschaftung des Mondes bis zum Jahr 2050, das bis 2070 vollständig betriebsbereit sein soll.
WLAN und medizinische Versorgung
Das kleine Dorf auf dem Mond soll alles haben, was man zum Überleben braucht. Darüber hinaus soll die Siedlung perspektivisch wirtschaftlich rentabel sein. Die Teams tüftelten am Strahlenschutz der Unterkünfte, überlegten wie viele unbemannte Rover es zur Erkundung braucht und ob die bemannten Fahrzeuge mit einer Druckkabine ausgestattet werden sollten oder die Raumfahrenden doch lieber im sperrigen Raumanzug unterwegs sind. Bei der Besprechung der vorläufigen Präsentationen gaben die beratenden Experten und Expertinnen zu bedenken, ob die notwendige Kommunikation über WLAN in den Unterkünften aus Aluminium noch funktionieren und ob zwei medizinische Einrichtungen für perspektivisch 75 dauerhaft angesiedelte Astronautinnen und Astronauten ausreichen würden.
Große Herausforderungen lauern nicht nur bei den lebenserhaltenden Maßnahmen, der Technik und Kommunikation, sondern auch bei der Wertschöpfung. Schließlich soll die Besiedlung nicht nur Geld kosten, sondern als Zwischenstation für Raumfahrtexpeditionen auch Erlöse erwirtschaften.
Die Aufgabenstellung nennt konkrete Zahlen: Mit Beginn der Station im Jahr 2050 sollen monatlich 10 Tonnen Treibstoff und bis 2070 100 Tonnen Treibstoff hergestellt werden. Die Teilnehmenden feilen bis zum Schluss an einem Businessplan. Wie teuer ist die Treibstoffherstellung, wie viel wird für den Weiterflug benötigt, welche Preise können für den Tankstopp verlangt werden? All dies gilt es zu berücksichtigen. Auf der Suche nach weiteren Einnahmequellen sind die Teams kreativ. Ein Team plant gar die Herstellung von lunarem Wein als exklusives Exportprodukt.
Interdisziplinäre Expertise
Für die Besiedlung des Monds braucht man also nicht nur Raumfahrtexpertise, sondern auch fundierte Kenntnisse unter anderem aus den Bereichen Architektur, Biologie, Medizin, Recht und Betriebswirtschaft. Die Teams profitieren hier gegenseitig von ihrem interdisziplinären Hintergrund. Gleichzeitig werden sie intensiv von 24 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Industrie betreut. Zahlreiche Vorlesungen zu Themen wie Projektmanagement, Weltraumrecht, Kommunikation, Robotik oder Strahlung vermitteln weiteres Grundlagenwissen.
Siegerehrung über den Dächern Münchens
Am Freitag ist es endlich so weit. Nach einer Woche harter Arbeit präsentieren beide Teams ihre Entwürfe. Erstmalig in der Geschichte des SSDW werden nicht nur Präsentationen mit den Konzepten vorgestellt, sondern auch Modelle aus dem 3D-Drucker. Auf einer ein Quadratmeter großen Mondlandschaft werden die Stationen, Start- und Landepads, die Infrastruktur zur Energie- und Ressourcengewinnung und weitere Details im Maßstab 1:200 vorgestellt. Die Jury bestand aus den 24 Expertinnen und Experten. Unter Ihnen ist auch Astronaut Reinhold Ewald, der in den vergangenen Jahren Organisator des Workshops war.
Die Anspannung der Teilnehmenden muss nun der Geduld weichen. Denn vor der Siegerehrung geht es nach München. Für die Preisverleihung hat sich das Veranstaltungsteam einen besonderen Raum ausgesucht – weit über den Dächern der Landeshauptstadt. Im Vorhoelzer Forum am Stammsitz der TUM endet schließlich der SSDW 2024. Das Sieger-Team lautet am Schluss denkbar knapp: „Team Weiß“.
Weitere Informationen
Der SSDW, fand seit 1996 regelmäßig am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart statt. An den Luft- und Raumfahrtcampus der TUM in Ottobrunn brachte ihn Prof. Gisela Detrell mit, die kürzlich zur Professorin für Human Spaceflight Technology an die TUM berufen wurde. Als Studentin hatte sie selbst 2009 am Workshop teilgenommen. Diese Erfahrung hat sie nicht nur in ihrem Wunsch nach einer Forscherinnenkarriere im Bereich der Raumfahrt bestärkt, sondern auch zu einem prägenden Mitglied des Organisationsgremiums gemacht. Künftig wird der SSDW jährlich abwechselnd an der TUM und in Stuttgart am IRS abgehalten.
Finanziert wurde der Workshop hauptsächlich durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der TUM. Darüber hinaus unterstützen zahlreiche Unternehmen und Agenturen den Workshop, entweder finanziell, durch die Entsendung einer Expertin oder eines Experten oder durch die Bereitstellung von Softwarelizenzen.
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