Das Spitzer-Weltraumteleskop der NASA konnte erstmals genug Licht von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems sammeln, um Signaturen von Molekülen ihrer Atmosphäre identifizieren zu können. Dieser Meilenstein auf dem Weg, Leben auf Exoplaneten nachzuweisen, kam Jahre früher, als Forscher erwartet hatten.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: Spitzer Science Center.
„Das ist eine erstaunliche Überraschung“, sagte Spitzer-Projektwissenschaftler Dr. Michael Werner vom JPL der NASA in Pasadena. „Als wir Spitzer entwarfen, hätten wir nie gedacht, dass es zu einem so dramatischen Fortschritt in der Charakterisierung von Exoplaneten fähig wäre.“
Spitzer, neben Hubble das schärfste Auge der Menschheit im Orbit und auf Infrarotstrahlung spezialisiert, gewann Spektraldaten für zwei verschiedene extrasolare Planeten. Die beiden Gasriesen mit den kryptischen Kürzeln „HD 209458b“ und „HD 189733b“ ähneln Jupiter, umlaufen ihre Sonnen allerdings viel enger, enger noch als Merkur unsere Sonne umläuft. Folglich herrschen auf ihnen sehr hohe Temperaturen, weswegen sie auch als „Hot Jupiters“ bezeichnet werden.
Die ermittelten Spektren zeigen, dass die beiden Planeten trockener und wolkiger sind als vorausgesagt. Theoretiker hatten angenommen, dass „Hot Jupiters“ große Mengen von Wasser in ihrer Atmosphäre haben müssten, aber erstaunlicherweise wurde keines gefunden. Eine erste Erklärung lautet dahin gehend, dass Wasser vorhanden sein müsste, aber von einer dicken Schicht hoher Wolken verdeckt sein könnte, in denen kein Wasser vorkommt. Statt dessen könnten diese Wolken Staub enthalten. Einer der Planeten, HD 209458b, zeigt Hinweise auf sehr feine Sandkörner, auch Silikate genannt, in seiner Atmosphäre. Demnach müsste der Himmel dieses Planeten voller hoch fliegender Staubwolken sein – ein erstaunliches Phänomen, das auf keinem Planeten unseres Sonnensystems je beobachtet wurde.
„Die Köpfe der Theoretiker begannen zu rauchen, als sie die Daten sahen“, sagte Dr. Jeremy Richardson vom Goddard-Raumfahrtzentrum der NASA. „Es ist nahezu unmöglich, dass Wasserdampf auf diesen Planeten nicht vorkommt. Also muss er verdeckt werden, und zwar wahrscheinlich von dieser Staubwolkenschicht, die wir in unserem Spektrum entdeckt haben.“ Richardson ist Hauptautor eines Artikels in der Februarausgabe von „Nature“, in dem ein Spektrum von HD 209458b beschrieben wird.
Außer Richardsons Team nutzten noch zwei weitere Gruppen von Astronomen Spitzer, um Spektren von Exoplaneten zu gewinnen. Ein Team um Dr. Carl Grillmair vom Spitzer Science Center an der Caltech-Universität beobachtete HD 189733b, während das Team von Dr. Mark R. Swain am JPL sich mit dem selben Planeten wie Richardson beschäftigte. Grillmairs Resultate werden in den „Astrophysial Journal Letters“ veröffentlicht und Swains Ergebnisse wurden ebenfalls an diese Publikation gesandt.
Ein Spektrum entsteht, wenn ein Instrument, das man als Spektrograph bezeichnet, Licht von einem Objekt in seine verschiedenen Wellenlängen aufspaltet, ähnlich wie ein Prisma das Sonnenlicht als Regenbogen erscheinen lässt. Das resultierende Lichtmuster, die Spektrallinien, enthüllen die „Fingerabdrücke“ der Chemikalien, aus denen das Objekt besteht.
Bis heute waren die einzigen Planeten, von denen Spektren gewonnen werden konnten, jene altbekannten Planeten unseres eigenen Sonnensystems. Die Planeten der neuen Spitzer-Studien umkreisen hingegen Sterne in solchen Entfernungen, dass sie mit dem bloßen Auge nicht mehr gesehen werden können. HD 189733b ist etwa 63 Lichtjahre (600 Billionen Kilometer) weit entfernt in der Konstellation Vulpecula, und HD 209458b gar etwa 150 Lichtjahre (1.500 Billionen Kilometer) in der Konstellation Pegasus. Das bedeutet, dass beide Planeten mindestens eine Million mal weiter weg sind als Jupiter.
Das Spitzer-Team konnte die Spektren aus dem kläglichen Licht der beiden Planeten nur herauskitzeln, indem es eine Technik namens „sekundäre Eklipse“ anwandte. Diese Methode funktioniert nur mit transitierenden Exoplaneten, deren Rotationsachse um ihre Sonne senkrecht zur Achse Erde-Exoplanet steht. Die Bahn eines solchen Planeten um seine Sonne erscheint also aus unserer Sicht als eine Linie, und pro Umlauf wird der Planet einmal von seiner Sonne verdeckt und verschwindet kurzfristig aus der Sicht von Spitzers Spektrographen. Diese kurze Verdeckung oder Eklipse ist entscheidend: Denn wenn man die Differenz zwischen dem Spektrum „Sonne mit Planet“ und dem Spektrum „Sonne ohne Planet“ bestimmen kann, hat man eben das wertvolle Spektrum eines extrasolaren Planeten.
Das ist zwar logisch, aber in der Praxis ist dieser Unterschied extrem klein und erfordert eine messtechnische Meisterleistung. Denn der Planet sendet ja nicht selbst Licht aus, sondern seine Oberfläche oder Atmosphäre reflektiert lediglich das Licht seiner Sonne, und dieses bisschen reflektierte Licht vom Planeten wird vom Licht des Sterns selbst auch noch millionenfach überstrahlt. Dennoch ist es möglich: 2005 nutzte Spitzer diese Methode erstmals, um das kaum wahrnehmbare Licht von einem Exoplaneten direkt nachzuweisen. Und diesen winzigen Unterschied jetzt nicht nur gemessen, sondern auch noch in Form eines auswertbaren Spektrums quantifizierbar gemacht zu haben, das genau ist der neuerliche Durchbruch des Spitzer-Teams.
Dass ausgerechnet das Infrarotteleskop Spitzer in der Exoplanetenforschung so reüssiert, ist allerdings kein Zufall: Planeten sind im Infraroten heller als in den sichtbaren Wellenlängen, daher ist ihr Licht „leichter“ vom überwältigenden Gleißen ihres Sterns zu unterscheiden.
„Als wir damit begannen, derartige Beobachtungen vorzuschlagen, dachten viele Leute, dass es nicht funktionieren würde“, sagte Grillmair. „Aber Spitzer hat sich als hervorragend konstruiert erwiesen und war der Aufgabe mehr als gewachsen.“
Frühere Beobachtungen von HD 209458b mit dem Hubble-Teleskop ergaben Hinweise auf einzelne Elemente wie etwa Natrium, Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff, die den Planeten in einer größeren Höhe umkreisen dürften als in den Spitzer-Studien und damit in einem Bereich, wo Moleküle wie Wasser auseinander brechen würden. Dazu maß Hubble Lichtänderungen des Sterns, wenn der Planet vor seinem Stern her passierte (primäre Eklipse) und das Licht seine Atmosphäre durchstrahlte. Schon diese Beobachtungen zeigten weniger Natrium als angenommen, was ebenfalls die These stützt, dass der Planet in hohe Staubwolken eingehüllt ist.
Die Forscher hoffen, Spitzer für weitere Studien von transitierenden Exoplaneten einsetzen zu können. Von den bis jetzt bekannten etwa 200 Exoplaneten transitieren 14. Nach HD 209458b und HD 189733b sind mindestens drei weitere Kandidaten für Spektraluntersuchungen bekannt. Außerdem werden weitere Spektralstudien von HD 209458b und HD 189733b weiter führende Informationen über die Atmosphären dieser Planeten liefern. Für die Zukunft erhoffen sich Astronomen auch Spektren von kleineren, felsigen Exoplaneten. Das würde ihnen erlauben, nach den anzunehmenden Schlüsselmolekülen für die Existenz von Leben zu suchen, wie etwa Wasser, Sauerstoff und vielleicht sogar Chlorophyll, dem wichtigsten Bestandteil der Pflanzen.
„Mit diesen neuen Beobachtungen können wir nun beginnen, die Werkzeuge für die Suche nach Leben zu entwickeln und zu verfeinern, die wir eines Tages brauchen werden“, sagte Swain. „Das hier ist so etwas wie eine Generalprobe.“