Super-Erde aus Wasser?

Astronomen haben mit geradezu amateurhafter Ausrüstung einen Exoplaneten entdeckt, der nur etwa zweieinhalb Mal so groß wie die Erde ist. Die Dichte des Körpers weist auf einen Vertreter einer bisher unbekannten Klasse von Exoplaneten hin, den so genannten Hot Ocean Planets.

Ein Beitrag von Timo Lange. Quelle: Rogers&Seager, 2009; Marcy 2009; CfA.

Bei dem neue entdeckten Planeten um den nur etwa 40 Lichtjahre entfernten Stern GJ 1214 handelt es sich um die zweite “Super-Erde”, die mit Hilfe der Transitmethode entdeckt wurde. Super-Erden sind Exoplaneten, deren Masse zwar größer ist als die der Erde, aber gering genug, um zumindest theoretisch eine feste Oberfläche zuzulassen.

David A. Aguilar, CfA
Künsterlische Darstellung des 40 Lichtjahre entfernten Systems GJ 1214.
(Bild: David A. Aguilar, CfA)

Die erste mit Hilfe der photometrischen Methode festgemachte Super-Erde war der Planet Corot-7b, dessen Existenz zu Beginn des Jahres bekanntgegeben wurde (Raumfahrer.net berichtete) und der vom auf Transitbeobachtungen spezialisierten Weltraumteleskop CoRoT entdeckt wurde. Bei der Transitmethode zur Entdeckung von Exoplaneten macht man sich die kurzzeitige Verdunklung des Lichts eines Sterns zu Nutze, die entsteht, wenn ein Planet aus unserer Perspektive genau vor dem Stern entlangläuft, wenn er also einen Transit vollzieht. Der Vorteil dieser Entdeckungsmethode ist es, dass der Durchmesser des Exoplaneten direkt bestimmt werden kann.

Ebenso wie Corot-7b umläuft der neu entdeckte Exoplanet einen Roten Zwergen der Spektralklasse M in einer sehr engen Umlaufbahn. Der Mutterstern GJ 1214 ist nur etwa ein Fünftel so groß wie die Sonne und verfügt nur über drei Tausendstel der Leuchtkraft. Der Planet GJ 1214b benötigt lediglich 38 Stunden für einen Umlauf bei einem Abstand von gerade mal 2,1 Mio. Kilometern. Trotz der Nähe zum Stern ist der Planet im Vergleich zu Corot-7b mit ein paar Hundert Grad Celsius relativ kühl.

Wasserwelt größer als die Erde
Im Unterschied zu Corot-7b verfügt der neue Exoplanet jedoch über eine wesentlich geringere Dichte. Da sowohl Masse und Radius bestimmt werden konnten, indem zusätzlich zur Transitbeobachtung auch die Radialgeschwindigkeit des Sterns gemessen wurde, ließ sich diese Aussage ableiten. Die Masse des Planeten beträgt 6,55 Erdmassen, wobei der Radius 2,7fach so groß ist wie der der Erde. Die sich daraus ergebende Dichte von etwa 1800 Kilogramm pro Kubikmeter ist nicht groß genug, als dass der Planet hauptsächlich aus Gestein und Eisen bestehen könnte.

In einem Fachartikel, der demnächst im Astrophysical Journal veröffentlicht wird, stellen der Physiker L.A. Rogers und die Planetologin Sarah Seager, beide vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), daher detaillierte Modellrechnungen der Beschaffenheit des Planeten vor. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit, so die Studie, verfüge der Planet über eine Atmosphäre. Über deren genaue Zusammensetzung, sowie über die genaue Zusammensetzung des Planeteninneren lassen sich jedoch nur Vermutungen anstellen. Drei solcher Vermutungen, die alle mit den gemessenen Daten konsistent wären, haben die beiden Wissenschaftler genauer durchgerechnet. Demnach handelt es sich bei GJ 1214b entweder um einen Mini-Neptun, einen Wasserplanet oder um eine augegaste Super-Erde mit fester Oberfläche.

Im ersten Fall, dem Mini-Neptun-Modell, ist es dem Planeten gelungen Wasserstoff- und Helium aus protoplanetaren Scheibe zu akkretieren. In diesem Szenario bestünde der Planet aus einem Eisenkern, einem Silikatmantel und einer darüber liegenden Wassereisschicht, sowie einer Wasserstoff-Helium-Atmosphäre, die je nach den zu Grunde gelegten Rahmenbedingungen mindestens 0,1 Prozent der Gesamtmasse ausmacht.

Das zweite Szenario ist besonders interessant, da es sich hier um eine neue Klasse von Exoplaneten handeln würde, träfe das Modell zu: den Hot-Ocean-Planeten. Zu einem solchen Planeten gäbe es keine vergleichbare Entsprechung in unserem Sonnensystem, könnte aber als eine größere und heißere Version des Eismondes Europa betrachtet werden. In diesem Fall wäre GJ 1214b weiter außen im System, jenseits der Schneelinie, entstanden und anschließend in Richtung Stern gewandert. GJ 1214b hätte einen großen Anteil an Wasser bei einem Kern aus Eisen und Silikaten. Darüber würde eine Schicht aus superfluidem Wasser bei Drücken jenseits des kritischen Drucks (221 bar) von Wasser liegen, welche dann direkt in eine heiße, ausgedehnte Wasserdampfatmosphäre übergehe würde. Eine Schichte aus normalem, flüssigem Wasser gäbe es nach diesem Modell nicht, obwohl auch das nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Bei noch stärkeren Drücken könnte sich ebenso über dem Kern eine Zone aus ionisiertem Wasser, d.h. eine Form von Plasma befinden, sowie exotische Formen von Eis, wie Eis VII, das erst bei Drücken von über 20.000 bar entsteht.

Im dritten Fall, den die Studie in Betracht zieht, wäre GJ 1214b aus reinem Gestein, ohne Wasserstoff, Helium oder Wasser aus der protoplanetaren Scheibe aufzunehmen, entstanden. Auch hier müsste aber eine signifikante Atmosphäre vorhanden sein, um den Radius des Planeten zu erklären. Hätte GJ 1214b nämlich dieselbe Dichte wie die Erde, wäre er bei gleicher Masse nur etwas mehr als 1,6 Erdradien groß. Die Atmosphäre bestünde also aus Stoffen, die bei der Planetenentstehung aus dem Inneren freigesetzt wurden und eventuell auch noch später durch geologische Aktivitäten. Aus was die Atmosphäre genau bestünde, sollte das Szenario zutreffen, kann schwer gesagt werden. Lediglich eine Stickstoff dominierte Atmosphäre wie auf der Erde und eine Kohlenstoffdioxid dominierte Atmospäre wie auf der Venus können ausgeschlossen werden. Am wahrscheinlichsten scheint eine von Wasserstoff dominierte Atmosphäre. Aber insgesamt braucht das Modell der ausgegasten Supererde mehr Annahmen, um die Beobachtungen zu erklären, als die beiden anderen Modelle: Z.B. bräuchte es eine Quelle, die Verlust der Atmosphäre beständig ausgleichen würde. Dies hängt wiederum davon ab, wie lange der Planet schon in seinem engen Orbit unterwegs ist, d.h. wann er so weit ins Innere des Systems migriert ist.

Dan Brocious, CfA
Acht der sechzehn Teleskope, die für die Beobachtungen des MEarth-Projekts verwendet werden.
(Bild: Dan Brocious, CfA)

Transitbeobachtung mit Amateurteleskopen
Entdeckt wurde der Planet nicht wie Corot-7b mit einem Millionen Euro teuren Weltraumteleskop, sondern mit einem Netz aus bodengestützten Teleskopen, wie auch anspruchsvolle Amateurastronomen sie verwenden. Das MEarth-Projekt besteht aus sechzehn 40cm-Teleskopen, mit denen die Astronomen 2.000 Rote Zwerge beobachteten. Zum Einsatz kam dabei eine Apogee Alta U42-Kamera mit einem handelsüblichen CCD-Chip. Die wirklich anspruchsvolle Aufgabe war es daher nicht, die Transits an sich zu entdecken, sondern sie von anderen Ereignissen und Schwankungen in der Helligkeit des Sterns zu unterscheiden. Dafür entwickelte das Team vom Harvard-Smithonian Center for Astrophysics eine neue, spezialisierte Software.

Da der Planet mit 40 Lichtjahren noch relativ nah an der Erde liegt, werden genauere Beobachtungen der Transitereignisse, z.B. mit dem Hubble-Weltraumteleskop, schon bald genauere Hinweise auf die Zusammensetzung der Atmosphäre und damit des gesamten Planeten geben. Sollte sich bestätigen, dass es sich um eine von Wasser dominierte Welt handelt, wäre das ein außerordentlich interessantes Ergebniss.

Die Entdeckung des neuen Exoplaneten wurde in der Ausgabe der Fachzeitschrift Nature am 17. Dezember 2009 veröffentlicht.

Raumcon:

Nach oben scrollen