Supermikroskop auf dem Mars

Phoenix hat mit einem in der Schweiz gebauten Rasterkraftmikroskop ein Bild von einem einzelnen Mars-Staubteilchen aufgenommen – das mit Abstand höchstaufgelöste Bild, das bisher je auf einer anderen Welt außerhalb der Erde aufgenommen wurde.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA/JPL.

Das Teilchen ist ein abgerundetes Partikel von etwa einem Mikrometer Größe und stammt aus dem Staub, der den ganzen Mars bedeckt. „Die Größe stimmt mit Voraussagen überein, die aus der [bläulichen] Farbe der Sonnenuntergänge auf dem Mars gewonnen wurden“, sagte Urs Staufer von der Universität von Neuchatel/Schweiz, der das Konsortium leitet, das das Mikroskop gebaut hat.

NASA/JPL/University of Arizona/University of Neuchatel
Oben links ist die Trägerscheibe mit einigen Brocken Marsboden zu sehen. Diese Aufnahme hat MECAs optisches Mikroskop gemacht.
Rechts die Aufnahme von MECAs Rasterkraftmikroskop: Die vier Vertiefungen sind in die Trägerscheibe eingeätzte „Nanokörbe“. Drei davon sind leer, aber in der Vertiefung links hat sich ein Marsstaub-Partikel gefangen (gelber Kreis).
(Bild: NASA/JPL/University of Arizona/University of Neuchatel)

Es dauerte sehr lange, etwa ein Dutzend Jahre, um ein auf atomaren Kräften basierendes Mikroskop zu entwickeln, das nicht wie sonstige Geräte dieser Art in einem bestens ausgestatteten Labor auf der Erde operiert, sondern Millionen Kilometer entfernt in der Polarregion des Mars´, und mit den bescheidenen technischen Möglichkeiten einer Raumsonde.

Die grundsätzliche Technik des Rasterkraftmikroskops wurde Ende der 1980er-Jahre von dem deutschen Wissenschaftler Dr. Gerd Binnig entwickelt, der 1986 den Nobelpreis für Physik für das ähnlich funktionierende Rastertunnelmikroskop erhielt. Ein Rasterkraftmikroskop scannt eine Probe mit einem eigentlich simpel anmutenden Prinzip: Am Ende einer sehr kleinen Feder, die wie ein Sprungbrett geformt ist und „Cantilever“ genannt wird, sitzt eine extrem feine Spitze. Diese wird von piezoelektrischen Elementen in einem sehr kleinen rechteckigen Bereich über die Oberfläche der Probe geführt. Die Bewegung der Spitze wird von hochempfindlichen Sensoren überwacht und daraus die Messsignale gewonnen; verschiedene berührende und nicht-berührende Modi stehen zur Verfügung.

Da das Messprinzip auf der Auswirkung atomarer Kräfte resultiert – daher auch die Bezeichnung Rasterkraftmikroskop – sind mit einem solchen Gerät auf der Erde unter idealen Laborbedingungen Auflösungen bis hinunter zur Größe einzelner Atome möglich. Das Mikroskop an Bord von Phoenix, das zum Gerät MECA gehört und schon 2001 für den Mars Polar Lander geliefert wurde, ist immerhin in der Lage, die Formen von 100 Nanometer großen Partikeln abzubilden. Das entspricht einem Tausendstel der Dicke eines menschlichen Haares und stellt eine 100mal bessere Vergrößerung dar als die von MECAs optischem Mikroskop, das vor zwei Monaten seinerseits seine ersten Aufnahmen zur Erde sandte und bis jetzt den Rekord für die höchstaufgelöste Aufnahme von einem anderen Planeten hielt.

Zu dem Erfolg trug noch ein zweites Element bei: Eine sehr glatte Trägerscheibe aus Silizium mit winzigen Vertiefungen von nur fünf Mikrometer Größe („Nanokörbe“ genannt), die dafür sorgen, dass sich Partikel in ihnen halten und gescannt werden können. Diese Scheibe wurde am Imperial College in London gefertigt. Schon Anfang Juli wurde die Scheibe mit einer Probe Marsboden von der Stelle „Snow White“ beschickt. Mit dem optischen Mikroskop wurde anschließend eine geeignete Stelle bestimmt, die frei von großen Partikeln sein musste, welche die Abbildung von erwünschten, feinen Partikel gestört hätten.

BildquelleNASA/JPL/University of Arizona/University of Neuchatel
Da die Spitze eines Rasterkraftmikroskops verschleißen kann, ist das Gerät an Bord von Phoenix mit acht Cantilevern ausgestattet. Jede Spitze am Ende eines Cantilevers ist zwei Mikrometer groß.
(Bild: NASA/JPL/University of Arizona/University of Neuchatel)

Dass MECAs Rasterkraftmikroskop aber erst jetzt, nach zwei Dritteln der Primärmission, erfolgreich ein Bild von einem solchen kleinen Partikel produzieren konnte, lag an der komplizierten Inbetriebnahme. Vor allem ist es für eine erfolgreiche Messung unbedingt erforderlich, die Temperatur in einem bestimmten Bereich konstant zu halten. Da aber die eigene Elektronik des Mikroskops Wärme produziert und damit die Anordnung signifikant aufheizt, musste das Mikroskopteam erst wochenlang einen Modus ausknobeln, wann und wie genau es die Aufnahme vornehmen muss, um brauchbare Bilder zu produzieren. Da dieses Gerät das erste seiner Art außerhalb der Erde ist und somit keinerlei Erfahrungswerte vorlagen, hätte sein Einsatz auch durchaus scheitern können. Dies war dem Phoenix-Team vor der Mission wohl bewusst, weshalb das Rasterkraftmikroskop auch nicht zum Katalog der Missionserfolg-Kriterien zählt – es läuft sozusagen unter „kann, nicht muss“.
„Dieser erste Erfolg ist ein Beweis für das Potenzial des Mikroskops“, sagte Staufer. „Wir können jetzt wissenschaftliche Experimente starten, die eine neue Dimension zu den Messungen der anderen Phoenix-Instrumente beisteuern.“

Nach oben scrollen