Trick 17 mit Anschleichen: Cluster wieder fit

Die Cluster genannte Satellitenkonstellation der europäischen Weltraumorganisation (ESA) zur Untersuchung der Magnetosphäre der Erde konnte ihre Arbeit im Juni 2011 wieder aufnehmen, nachdem es gelang, für die Mission der Satelliten notwendige Instrumente auf ungewöhnliche Weise wieder zu aktivieren.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA.

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Cluster-Satelliten im All – Illustration
(Bild: ESA)

Einfallsreichtum und eine besondere Verfahrensweise retteten die Mission der vier in einer exakt abgestimmten Konstellation agierenden Messsatelliten vor dem drohenden Totalverlust. Im März 2011 hatte das Drama begonnen: Eines der zur Erfüllung der Aufgaben der Satelliten unbedingt erforderliches Instrumentenpakte hatte aufgehört, auf Kommandos der Missionskontrolleure auf der Erde zu reagieren – für die Missionskontrolleure eines der schlimmsten Szenarien.

Seit zwei Starts im Jahr 2000 auf Sojus-Raketen von Baikonur aus umkreisen die vier Satelliten mit einer Masse von jeweils rund 550 Kilogramm die Erde in einer genau einzuhaltenden Konstellation als Voraussetzung für die Durchführung der Messaufgaben der Satelliten. Diese sind zur Untersuchung der Umgebung der Erde im Weltraum und deren Wechselwirkung mit dem Sonnenwind, einem Strom geladener Teilchen von der Sonne, mit einer identischen Instrumentenausstattung versehen.

Unter den 11 Instrumenten pro Satellit befinden sich jeweils 5, die einen gemeinsamen Gerätekomplex bilden und unter der Bezeichnung WEC zum Einsatz kommen. WEC steht für Wave Experiment Consortium, entsprechend gestaltet sich der Einsatzzweck der Geräte: sie dienen wichtigen Messungen elektrischer und magnetischer Felder.

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Die Bestandteile von WEC: 1 – STAFF, 2 – EFW, 3 – DWP, 4 – WHISPER, 5 – WBD
(Bild: ESA)

Die Messungen sind jedoch nur möglich, wenn die WEC-Gerätekomplexe auf den vier Cluster-Satelliten sorgsam orchestriert funktionieren. Treten an Bord eines der Satelliten Probleme auf, sind die einzigartigen wissenschaftlichen Möglichkeiten schnell massiv eingeschränkt.

Am 5. März 2011 war ein Einschalten des WEC-Gerätekomplex an Bord des Cluster-Satelliten Nr. 3, den man mit dem Eigennamen Samba versehen hatte, aus unbekannten Gründen nicht möglich. In ESAs europäischem Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt (ESOC) begann man unverzüglich, eine Reihe von Standardprozeduren mit dem Ziel der WEC-Aktivierung abzuarbeiten, aber mit keiner kam man zum Erfolg. Viel schlimmer noch: es waren vom betroffenen Satelliten keinerlei Informationen über den Zustand des WEC zu bekommen.

Das Fehlen von Statusdaten und das Ausbleiben einer Reaktion des Gerätekomplexes ließen eine Blockade seiner 5 Hauptschalter oder einen Defekt mit einem elektrischen Kurzschluss vermuten. Letzteres ist eine der größten Gefahren für einen Satelliten überhaupt.

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Cluster-Satellit Samba vor dem Start
(Bild: ESA)

Mehrere Wochen lang untersuchte die Arbeitsgruppe zur Kontrolle und Steuerung von Cluster mit dem Hersteller der Satelliten, den Erbauern des WEC-Gerätekomplexes und den ihn nutzenden Wissenschaftlern zusammen mit weiteren Arbeitsgruppen der ESA die Situation an Bord von Samba. Dabei kam auf Samba schließlich auch Software zum Einsatz, die zum letzten Mal kurz nach dem Start des Satelliten vor über zehn Jahren benötigt worden war.

Man fand schließlich heraus, dass ein Stromkreis kurzgeschlossen sein muss. Und genau dieser Kurzschluss war auch verantwortlich für das Nichtfunktionieren der Gerätehauptschalter.

1995 war im Rahmen von Simulationen untersucht worden, wie man vorgehen müsste, wenn drei der fünf Hauptschalter blockiert wären. Wie man den WEC-Gerätekomplex wieder in Betrieb nehmen könnte, wenn alle fünf Hauptschalter nicht zu bedienen sind, hatte man als nicht mögliches Szenario angesehen. Dass alle Schalter gleichzeitig unbenutzbar sein könnten, hielt man schlicht für zu unwahrscheinlich.

ESA/J. Mai
Cluster-Kontrollraum beim ESOC in Darmstadt
(Bild: ESA/J. Mai)

Ausgehend von den 1995 gewonnenen Arbeitsergebnissen und mit großem Einfallsreichtum konnte trotzdem eine Prozedur entwickelt werden, die es erlauben sollte, den WEC-Gerätekomplex von Samba wieder benutzbar zu machen. Die Ausarbeitung der einzelnen Schritte erfolgte peinlich genau, ein Testlauf auf einem von Sambas Schwestersatelliten bestätigte das Funktionieren der von den bisherigen Standards abweichenden neuen Methoden.

Man war sich sicher: Eine andere Möglichkeit, WEC für Cluster zu retten, gibt es nicht. Also sendete man eine Reihe von Kommandos an Samba und wartete in gespannter Atmosphäre auf die Reaktionen des Satelliten. Zur allgemeinen Erleichterung sprangen die WEC-Hauptschalter um und der WEC-Gerätekomplex begann endlich wieder zu arbeiten.

Mittlerweile befindet sich Cluster wieder im Regelbetrieb. An Vorkehrungen, die man treffen will, um zu verhindern, dass ein solcher Fehler wieder auftritt, wird gearbeitet. Solange alles funktioniert wie geplant und dokumentiert, ist die Betreuung einer Mission wie Cluster Routine. Passiert jedoch etwas Unerwartetes, und finden sich diesbezüglich in den Missionshandbüchern keinerlei Hinweise, braucht es ein Team mit Erfahrung und Talent, um die Schwierigkeiten zu überwinden. Bei der Rettung von Cluster war es zur Stelle.

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