Vertrag für Orions Servicemodul unterzeichnet

Der europäische Raumfahrtkonzern Airbus Defence and Space (D&S) hat mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA einen Vertrag über 390 Millionen Euro unterzeichnet. Im Gegenzug soll Airbus D&S das Servicemodul für das neue Raumschiff Orion der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA entwickeln. Doch trotz aller Freude über die gelungene atlantische Kooperation bleibt bei dieser Unterzeichnung ein bitterer Nachgeschmack bezüglich der Zukunft der europäischen bemannten Raumfahrt.

Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: ESA, Airbus D&S, NASA, spacepolicyonline.com.

NASA
Orion mit europäischem Servicemodul- Illustration
(Bild: NASA)

Am 17. November machte das neue Raumschiff Orion der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA einen weiteren Schritt in Richtung des ersten Mondfluges mit ihm. In Berlin wurde im Beisein der deutschen Koordinatorin für Luft- und Raumfahrt, Brigitte Zypries, ein Vertrag der europäischen Raumfahrtagentur ESA über 390 Millionen Euro unterzeichnet. Dieser Vertrag finanziert die Entwicklung und den Bau des europäischen Servicemoduls für Orion. Durchgeführt werden sollen diese Arbeiten von dem Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus Defence and Space (D&S) in Bremen. Das Servicemodul soll bei Orions erstem, noch unbemannten Mondflug zum Einsatz kommen, genannt Exploration Mission 1 (EM-1). Das Servicemodul ist gleichzeitig ein finanzieller Ausgleich der ESA an die NASA. Mit seiner Lieferung begleicht die ESA die Schulden bei der NASA, die die ESA durch den Betrieb der Internationalen Raumstation von 2017 bis 2020 verursacht.

ESA
Das Orion-Raumschiff im Erdorbit- Illustration
(Bild: ESA)

Bei dem Servicemodul handelt es sich um den Versorgungsabschnitt des Orion-Raumschiffs. Angebracht unter dem Hitzeschild des kapselförmigen Crewmoduls (CM), in dem sich die Besatzung aufhalten wird, soll es für die Stromversorgung mithilfe von vier Solarzellen, wichtige lebenserhaltende Funktionen und die Thermalkontrolle zuständig sein. Zusätzlich wird das Servicemodul Orion mithilfe eines amerikanischen Triebwerks namens AJ-10 antreiben und mithilfe mehrerer kleinerer Triebwerke seinen Kurs korrigieren. Das Servicemodul für Orion basiert auf dem des europäischen Raumtransporters ATV (Automated Transfer Vehicle), der nun nach fünf Versorgungsflügen zur Internationalen Raumstation ISS außer Dienst gestellt wird. Im Mai 2014 fand der Preliminary Design Review des Servicemoduls statt, eine vorläufige Designprüfung, im November 2015 soll das Critical Design Review folgen, eine rigorose Designprüfung. Danach kann dazu übergegangen werden, das Servicemodul zu bauen, das tatsächlich bei EM-1 zum Einsatz kommen soll. Der Start zu dieser Mission soll der Jungfernflug der neuen Schwerlastrakete Space Launch System sein und nicht später als im November 2018 stattfinden.

Orion wird das neue Raumschiff der NASA sein. Während die kommerziellen Partner der NASA für den Transport von Fracht und Astronauten zur ISS im Erdorbit zuständig sind, wird das auch MPCV (Multi-Purpose Crew Vehicle) genannte Raumschiff Astronauten zu verschiedenen Zielen jenseits des Low Earth Orbits (LEO) transportieren. So kann eine intensivere Erkundung des Weltalls als je zuvor stattfinden. Mit der Entwicklung von Orion wurde bereits im Rahmen des 2010 gestrichenen Constellation-Programms entwickelt. So konnte die Entwicklung an einem Raumschiff, an dem bereits mit Hochdruck gearbeitet wurde, fortgeführt werden.

Wie es bei einem solchen Ereignis üblich ist, wurden bei der Vertragsunterzeichnung auch große Worte geschwungen. „Dieser Folgeauftrag zeigt das Vertrauen in unser Know-how und unsere Kompetenz, zuverlässige, hochmoderne Produkte termin- und budgetgerecht zu liefern. Durch dieses Programm und durch unsere kontinuierlichen Investitionen sichern wir unseren technologischen Vorsprung“, sagte etwa François Auque, Leiter von Space Systems. „Europa unterstreicht in diesem Programm nach dem herausragenden Erfolg der ISS-Versorgungstransporter ATV erneut seine wichtige Rolle im weltweiten Umfeld der bemannten Raumfahrt.“

DLR
Das Orion-Raumschiff im Mondorbit- Illustration
(Bild: DLR)

Ob die ESA mit diesem Servicemodul tatsächlich die europäische bemannte Raumfahrt voranbringt, darf stark bezweifelt werden. Im Moment sollen schließlich nur zwei Servicemodule gefertigt werden, danach gehen fast alle Pläne an die NASA über. Das Ergebnis dürfte höchst ernüchternd aus- fallen: Europa investiert mehrere Hundert Millionen Euro und zahlreiche Jahre Entwicklungsarbeit in ein enorm leistungsfähiges System, das dann lediglich zweimal zum Einsatz kommt. Dabei könnte eine weitere Nutzung des europäischen Servicemoduls eine Win-Win Situation sowohl für die NASA als auch für die ESA bedeuten: Die NASA erhält ein leistungsfähiges Servicemodul praktisch umsonst, was gerade in Zeiten niedriger Budgets ein großer Vorteil sein kann. Dafür darf die ESA bei jedem Orion-Flug einen der vier Astronauten an Bord stellen. So wäre es für die ESA möglich, weiterhin bemannte Raumfahrt betreiben, auch nach dem Ende der ISS. Die Chancen auf eine Realisierung dieses Konzeptes stehen jedoch leider schlecht: Unsere europäischen Raumfahrtpolitiker sehen bemannte Raumfahrt größtenteils als Geldverschwendung an. Es steht daher zu befürchten, dass es sich bei dem europäischen Servicemodul für Orion erneut um ein Projekt ohne allzu großen nachhaltigen Nutzen handelt und dass es nach dem Ende der ISS für längere Zeit keine bemannte europäische Raumfahrt geben wird.

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