Die ESA-Asteroidenmission Hera wurde entwickelt, um den kleinsten jemals erreichten Asteroiden zu vermessen und besteht aus drei Raumschiffen in einem. Das Hera-Mutterschiff wird von zwei CubeSats begleitet, die auf dem Zielkörper landen werden. Eine Information der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA).
Quelle: ESA.
Ein französisches Team hat untersucht, was zum Zeitpunkt des ersten Kontakts im All passieren könnte: „Wir haben einen bestehenden Fallturm individuell angepasst und mit einem System von Seilrollen und Gegengewichten ausgestattet, um eine Umgebung mit geringer Schwerkraft zu simulieren“, erklärt die Forscherin Naomi Murdoch vom Institut Supérieur de l’Aéronautique et de l’Espace (ISAE-Supaero) der Universität Toulouse.
„In der Testbox, die wir im Fallturm platzieren und die ein Lander-Modell sowie ein simuliertes Asteroidengelände enthält, können wir auf einige wenige Prozent der Erdgravitation heruntergehen.
Unser Team hat zunächst mit einem kugelförmigen Lander experimentiert, der auf einer sandigen Oberfläche landete, dann sind wir jedoch zu einer kubischen Form übergegangen, die der Form der echten CubeSats besser entspricht. Außerdem untersuchten wir den Einfluss verschiedener Oberflächenmaterialien, um zu verstehen, wie sich der Landevorgang mit unterschiedlichen Materialeigenschaften, Anziehungskräften und Geschwindigkeiten ändert.
Das ist notwendig, da wir jedes Mal, wenn wir auf einem anderen Asteroiden landen, überrascht sind von dem, was wir vorfinden. So traf beispielsweise die japanische Mission Hayabusa2, die derzeit den Asteroiden Ryugu untersucht, auf viel weniger Regolith-Staub und mehr Felsbrocken, als die Forscher erwartet hatten.“
Der CubeSat „Juventas“ der Mission Hera wird die erste Radaruntersuchung eines Asteroiden durchführen, während der CubeSat „APEX“ eine multispektrale mineralische Analyse des Asteroidenmaterials vornehmen wird.
Diese beiden Nanosatelliten werden näher an ihren Ziel-Asteroiden heranfliegen und mehr Risiken als das Hera-Mutterschiff eingehen. Sobald ihre wichtigsten Missionsziele erreicht sind, werden sie schließlich auf der Oberfläche aufsetzen.
Die Gravitation des Asteroiden beträgt weniger als ein Einhunderttausendstel der Anziehungskraft der Erde und liegt damit weit unter dem, was das ISAE-Supaero-Team reproduzieren kann. Damit wird der Touchdown mehr wie ein Andocken von Raumfahrzeugen als eine traditionelle planetarische Landung erfolgen.
„Wenn die CubeSats beispielsweise 200 m von der Asteroidenoberfläche entfernt freigesetzt werden, brauchen sie mehr als eine Stunde, um diese kurze Entfernung zur Oberfläche zurückzulegen“, ergänzt Naomi Murdoch. „Alles bewegt sich in einer Art Zeitlupe. Hinzu kommt die Möglichkeit eines Abprallens der CubeSats.
Der Rosetta-Kometenjäger Philae Lander prallte wiederholt von der Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ab, bevor er schließlich aufsetzen konnte. Wenn man sich als Astronaut auf der Oberfläche befinden würde, müsste man sich unglaublich vorsichtig bewegen, um nicht von der Oberfläche abzuprallen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.“
Es besteht die Hoffnung, dass beide CubeSats ihren Abstieg überstehen, um einige Beobachtungen, einschließlich Nahaufnahmen des Oberflächenmaterials, zu erhalten. Aber der Hauptzweck des ISAE-Supaero-Tests besteht darin, so viele wertvolle Daten wie möglich aus diesem ersten Kontaktmoment herauszuholen.
„Wir haben unseren Testlander mit Beschleunigungssensoren ausgestattet, die denen der Hera CubeSats entsprechen“, sagt Naomi Murdoch. „Wir können zum Beispiel beobachten, wie sich die Aufpralldynamik je nach Materialeigenschaft vom Sand bis zum großen Kies verändert, wie stark wir in die Oberfläche eindringen und wie lange die Kollision andauert.
Außerdem werden wir erfahren, wie sich die Ergebnisse unterscheiden, je nachdem, wie die CubeSats landen, d.h. ob sie zuerst mit einer Ecke oder der Fläche aufkommen – so würde eine „Bauchlandung“ zu einer höheren Spitzenbeschleunigung führen. Wir hoffen, dass wir zum Abschluss unserer Tests über einen Datensatz verfügen, mit dem wir die tatsächlichen Landungen besser interpretieren können und die sich als nützlich erweisen werden, um auch die Interaktionen anderer Missionen mit Asteroiden zu verstehen.“
Bereits 2005 konnten die Forscher wertvolle Erkenntnisse über den Eispanzer aus gefrorenem Methan auf dem Saturnmond Titan gewinnen, als der ESA-Lander Huygens bei seinem Landeanflug „wackelte“. Die Bewegung des Landers deutet auf eine Oberflächenkonsistenz von feuchtem Sand hin, der mit einem flockigen, staubähnlichen Material bedeckt ist, mit Feuchtigkeit direkt unter der Oberfläche – und mindestens ein 1-2 cm großer Kieselstein vorhanden ist.
Die bisherigen Tests von ISAE-Supaero unterstreichen, dass sich der Ziel-Asteroid der Hera-Mission mit seinem Durchmesser von 160 Metern und der extrem geringer Anziehungskraft als eine extrem fremdartige Umgebung herausstellt. „Das Oberflächenmaterial wird sich zwangsläufig anders verhalten, denn die Reduzierung der Schwerkraft führt zu einer Verringerung der Normalkraft zwischen den Teilchen und damit auch der Reibung. Daher sollte weniger Kraft vonnöten sein, um in dasselbe sandige Material einzudringen.
Die niedrige Schwerkraft bedeutet, dass auch andere Phänomene wie die Van-der-Waals-Kräfte, die dazu führen, dass Dinge wie Mehl zusammenkleben, eine viel größere Rolle spielen werden. Die Asteroidenoberfläche könnte eine Ansammlung großer Felsen aufweisen, die sich am Ende ähnlich wie Mehlteilchen verhalten. Oder die elektrostatische Aufladung könnte zur Folge haben, dass Staub aufgewirbelt und über die Oberfläche getragen wird.“
Diese Landedaten sollten außerdem dazu beitragen, die mit der Kollisionsdynamik verbundenen Skalierungsgesetze aufzuzeigen, die auch beim Einschlag der DART-Raumsonde der NASA auf diesem Asteroiden gelten werden – eine Mission, bei der Techniken zur planetarischen Verteidigung getestet werden.
Die Hera-Mission wird auf dem ESA-Treffen Space19+ im November dieses Jahres vorgestellt, auf dem die europäischen Raumfahrtminister eine endgültige Entscheidung über die Durchführung der Mission treffen werden.