Wo ist Deimos?

Selbst nach über 100 Jahren intensiver Beobachtung sind die exakten Bahnparameter der beiden Marsmonde Phobos und Deimos noch nicht mit ausreichender Genauigkeit bestimmt. Eine neue Methode verspricht jetzt jedoch deutliche Fortschritte.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, EPSC 2012.

NASA, JPL, University of Arizona
Die HiRISE-Kamera an Bord des NASA-Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) fertigte diese Aufnahme von Deimos am 21. Februar 2009 an.
(Bild: NASA, JPL, University of Arizona)

Bereits 135 Jahre sind vergangen, seit der US-amerikanische Astronom Asaph Hall im August 1877 die beiden Marsmonde Phobos und Deimos entdeckte. Seitdem wurden diese beiden unregelmäßig geformten, jeweils nur wenige Kilometer durchmessenden und entsprechend lichtschwachen Monde unzählige Male von erdgestützten Teleskopen, Weltraumteleskopen und den Mars umkreisenden Raumsonden abgebildet. Auch die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde betriebenen Marsrover Spirit, Opportunityund kürzlich auch Curiosity, der jüngste Vertreter der Marsroverfamilie, konnten die beiden Monde erfolgreich von der Marsoberfläche aus mit ihren hochauflösenden Kameras abbilden und dabei sogar mehrfach Sonnenfinsternisse beobachten (Raumfahrer.net berichtete).

Aufgrund der so gewonnenen Daten konnte die Umlaufbahn von Phobos – dem größeren und inneren Mond – mittlerweile mit einer relativ großen Genauigkeit bis auf etwa einen Kilometer genau bestimmt werden. Die Parameter der Umlaufbahn von Deimos sind dagegen bislang lediglich mit einer deutlich höheren Fehlertoleranz bekannt. Wissenschaftler aus Deutschland und Russland haben jetzt eine neue Technik entwickelt, mit der sich dies schon bald ändern könnte. Hierfür soll auf Aufnahmen der High Resolution Stereo Camera (HRSC), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebenen Marsorbiters Mars Express, zurückgegriffen werden.

ESA
Mars Express umkreist den Mars auf einer langgezogenen elliptischen Umlaufbahn. Dabei kommt es in regelmäßigen Abständen zu relativ nahen Begegnungen mit den beiden Marsmonden Phobos und Deimos.
(Bild: ESA)

Deimos umkreist den Mars innerhalb von einem Tag, sechs Stunden und 18 Minuten auf einer fast kreisrunden, nur um 1,8 Grad gegen den Marsäquator geneigten Bahn in einer mittleren Entfernung von etwa 20.000 Kilometern zur Planetenoberfläche. Im Gegensatz zu den beiden gegenwärtig von der NASA betriebenen Marsorbitern Mars Odyssey und Mars Reconnaissance Orbiter, welche den Mars auf fast kreisrunden Bahnen in lediglich wenigen hundert Kilometern Höhe umlaufen, umkreist Mars Express unseren äußeren Nachbarplaneten dagegen auf einer stark elliptischen, über die Marspole verlaufenden Umlaufbahn. Bei einer Neigung von 86,3 Grad liegt der Punkt der größten Annäherung an den Mars in einer Höhe von 250 Kilometern. Die Apoapsis, der Punkt der größten Entfernung zum Mars, liegt dagegen rund 10.500 Kilometer von der Marsoberfläche entfernt. Dies führt dazu, dass sich die europäische Raumsonde den beiden Marsmonden in regelmäßigen Abständen immer wieder relativ weit nähert.

Zwischen dem Juli 2005 und dem Juli 2011 absolvierte Mars Express 50 Vorbeiflüge an Deimos, welche in Entfernungen von weniger als 14.000 Kilometern erfolgten. Die dichteste Passage erfolgte im März 2011 mit einer Entfernung von lediglich rund 9.600 Kilometern. Da Deimos, genauso wie auch der Mond der Erde, über eine gebundene Rotation verfügt und dem Mars immer die gleiche Seite seiner Oberfläche entgegenwendet, konnte die HRSC-Kamera bei diesen Gelegenheiten auch immer nur diese dem Mars zugewandte Seite abbilden.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Deimos und der größere Phobos auf einer Aufnahme der SRC-Teleoptik, welche am 5. November 2009 angefertigt wurde. Phobos befand sich dabei in einer Entfernung von 11.800 Kilometern zu Mars Express, während Deimos etwa 26.200 Kilometer entfernt war.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Bei diesen Gelegenheiten konnten mit dem in die HRSC-Kamera integrierten Super Resolution Channel (SRC) – hierbei handelt es sich um ein Maksutov-Cassegrain-Teleobjektiv – diverse Aufnahmen von Deimos angefertigt werden, welche eine etwa 4 x bessere Auflösung erreichen als normale HRSC-Aufnahmen. Im Fall von Deimos eignen sich diese SRC-Aufnahmen besonders gut für astrometrische Messungen, mit denen die exakten Orbitpositionen des Mondes vermessen und anschließend die Parameter der Umlaufbahn bestimmt werden können.

Astrometrische Messungen erfordern eine präzise Kenntnis der exakten Position des Beobachters – in diesem Fall die Raumsonde Mars Express – im Weltraum und der Blickrichtung der Kamera. Entsprechende Daten stehen den Wissenschaftlern durch die für die Kontrolle von Mars Express zuständigen Mitarbeiter des Europäischen Raumflugkontrollzentrums ESOC in Darmstadt zur Verfügung.

Bei einer geplanten Beobachtungskampagne wird die Ausrichtung der Raumsonde durch zwei Startracker-Kameras und drei Laser-Gyroskope ermittelt. Das Blickfeld der SRC-Kamera wird dabei durch einen Abgleich der berechneten und der tatsächlich beobachteten Positionen von verschiedenen Hintergrundsternen überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Die hierfür erforderlichen Sternpositionen sind durch einen Sternkatalog bekannt, welcher durch den ESA-Satelliten Hipparcos erstellt wurde.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Neun Einzelaufnahmen von Deimos. Durch einen Abgleich der beobachteten Oberflächenbereiche und der Gestalt des Mondes mit den berechneten Ansichten lassen sich die Orbitparameter des Mondes neu berechnen.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Bei der jetzt neu entwickelten Methode zur Bestimmung der Deimos-Umlaufbahn verwenden die Wissenschaftler eine neue astrometrische Technik. Zu diesem Zweck werden bei einer Beobachtungskampagne über einen Zeitraum von 90 bis 330 Sekunden sieben bis acht Bilder aufgenommen, welche auf die berechnete Bahn von Deimos “zielen” und bei denen sich der Mond somit durch den Aufnahmebereich bewegt. Die erste und die letzte Aufnahmen sind dabei so lange belichtet, dass die SRC-Teleoptik verschiedene Hintergrundsterne mit einer Magnitude von 3,4 bis 8,8 abbilden kann. Auf den restlichen, kürzer belichteten Aufnahmen ist der nur teilweise von der Sonne beleuchtete Mond erkennbar.

Durch die Verwendung eines Oberflächenmodells, welche die äußere Gestalt von Deimos zeigt, können die Wissenschaftler in Kombination mit anderen Daten wie der Position von Raumsonde, Sonne und Mond im Raum, der Eigenbewegung von Raumsonde und Mond, dessen Rotationsperiode und des Phasenwinkels von Deimos berechnen, welche Bereiche der Deimosoberfläche unter der Verwendung der aktuell bekannten Orbitparameter auf den SRC-Aufnahmen theoretisch als von der Sonne beleuchtete Regionen erkennbar sein sollten und mit welcher äußeren Gestalt sich der unregelmäßig geformte Mond dabei präsentieren sollte.

Die anschließend gewonnenen SRC-Aufnahmen von Deimos werden dann mit der berechneten Ansicht des Mondes verglichen. Die dabei auftretenden Unstimmigkeiten zwischen den berechneten und den tatsächlichen Ansichten von Deimos können durch Computersimulationen ausgeglichen werden. Der Grad der Unstimmigkeiten ermöglicht Rückschlüsse auf die Position des Mondes während der Beobachtungskampagne, woraus sich dann wiederum neue, aktuellere Bahnparameter berechnen lassen. Durch die Anwendung diese Methode konnte die Umlaufbahn von Deimos mittlerweile mit einer Genauigkeit von 0,6 bis 3,6 Kilometern ermittelt werden.

“Unsere Vergleiche mit den gegenwärtigen Orbitmodellen zeigen, dass sich Deimos – abhängig von dem verwendeten Modell – entweder bis zu 3,4 Kilometer vor oder bis zu 4,7 Kilometer hinter den vorhergesagten Positionen bewegt. Die Daten aus unserer neuen Methode sollten diese bisherigen Modelle jetzt deutlich verbessern”, so Andreas Pasewaldt vom Institut für Planetenforschung des DLR in Berlin-Adlershof. Die gleiche Methode lässt sich auch bei Phobos, dem zweiten Marsmond, anwenden.

Die hier vorgestellte Methode zur Verfeinerung der Orbitparameter von Deimos wurden kürzlich in der Fachzeitschrift “Astronomy&Astrophysics” publiziert und von Andreas Pasewaldt, dem Erstautor der Studie, in einer auf Phobos angepassten Version auf dem European Planetary Science Congress 2012, einer gegenwärtig in Madrid stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.

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