Wie Raumfahrer.net bereits berichtet haben diese Jahr Studenten von der europäischen Raumfahrtbehörde ESA die Möglichkeit erhalten im Rahmen der “Student Parabolic Flight Campaign” (SPFC) von ihnen entworfene Experimente während Parabelflügen zu testen.
Autor: Guido Schumann. Vertont von Dominik Mayer.
Eine der Gruppen, das Team “zero-g graz” aus Österreich, hat sich mit dem Essen von Astronauten für zukünftige Missionen zum Mars beschäftigt. Sie wollen neue Möglichkeiten des Nachwürzens von Speisen und einen Effekt der bei Langzeitaufenthalten im All untersuchen. Hierbei haben Raumfahrer festgestellt, dass ihr Geschmacks- und Geruchssinn nachlässt – etwas was wahrscheinlich mit der Veränderung der Blutverteilung im Körper zu tun hat.
Im Jänner wurde von den Österreichern ihr Vorschlag, des Ansprühens von Speisen, einer deutlichen Verbesserung zum jetzigen Aufschmieren von einigen wenigen Saucen, wie Ketchup oder Barbecue-Sauce, sowie ein aus einer DIN-Norm entwickeltes Testprocedere zum Feststellen von Geschmacks- und Geruchsschwellenwerten eingereicht. Anfang März kam dann die fantastische Nachricht aus dem ESTEC in Holland: das Team darf als erstes österreichisches Studententeam an der SPFC teilnehmen.
Viel Arbeit im Labor und beim Konstruieren folgt und Ende Juli ist der Experiment-Rack fertiggestellt. “In der besonderen Umgebung des Flugzeugs müssen alle Experimente ziemliche hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen, schließlich kann man bei Problemen ja nicht einfach den Raum verlassen”, erläutert der “Chef-Konstrukteur” und Maschinenbau-Student Gunter Taschil. Am 10. Juli machte man sich dann mit dem gesponsorten VW-Bus die 1.600 Kilometer auf nach Bordeaux, wo der Airbus A300 Zero-G der Firma Novespace, dem von der ESA genutzten Flugzeug, stationiert ist.
Eine Woche harte Arbeit in der dortigen Werkstatt stand auf dem Plan – die Endmontage, letzte Tests, die Behebung kleinerer Probleme und der alles entscheidende “Security Visit” durch den Piloten, die Sicherheitscrew und Vertreter der französischen Behörden sind nur ein Ausschnitt von allem was bei fast 40 Grad Außentemperatur zu erledigen war. Jedoch erging es auch keinem der anderen 29 Teams aus allen ESA-Mitgliedsländer anders, hat man ja ein gemeinsames Ziel – das Erlebnis der Schwerelosigkeit. Andere Experimente beschäftigten sich beispielsweise mit einem Duschsystem für Astronauten, dem Verhalten von Knochenzellen in Schwerelosigkeit, den Eigenschaften von Ferro-Fluiden und sogar Satellitenprototypen wurden getestet.
Am 18. Juli, nach einem Wochenende letzter Entspannung am Strand, stieg dann bei allen Teilnehmern zum ersten mal der Adrenalinspiegel – das Flugbriefing und der Eingewöhungsflug standen auf dem Programm. Das Manöver des Airbus sieht folgendermaßen aus: Mit Vollgas zieht der Pilot die Maschine bis zu einem Winkel von 47 Grad hoch, alle Insassen werden mit 1,8 g auf den Boden gedrückt, dann wird der Schub weggenommen und mit der Ansage “Injection” beginnt der Airbus im freien Fall eine Wurfparabel zu beschreiben und alles innerhalb wird schwerelos. 22 Sekunden später bei einem Neigungswinkel von 45 Grad zieht der Pilot wieder mit voll laufenden Triebwerken hoch, jeder erlebt wieder die 1,8-fache Schwerkraft. Dieser Wechsel zwischen Hyper- und Mikrogravitation schlägt vielen Leuten trotz Medikamenten auf den Magen und die schon flugerfahrenen ESA-Betreuer stellen sogar eine “Übelkeitshitliste” auf.
Zum ersten mal tönt “Pull Up” durch das Flugzeug, jeder spürt das doppelte seines Gewichts und wird in den Sitz gepresst, dann nach “Injection” das großartige Gefühl – man hebt ab und schwebt wahrhaftig durch die Luft und im Gegensatz zur Achterbahn hält dies lange 22 Sekunden an. Jeder erlebt ein wahnsinniges Glückgefühl, dass sich beim ersten Flug noch vier Mal wiederholt – beim Rückflug zum Flughafen gibt es nur ein Thema, der morgige erste Experimentierflug und die Steigerung des eben Erlebten, denn dann kann man sich frei im Flugzeug bewegen und muss nicht wie jetzt in seinem Sitz bleiben. Einige haben aber auch einen leicht zweifelnden Gesichtausdruck, hatten sie schon jetzt ein mulmiges Gefühl im Magen und sehen deswegen dem langen Flug nicht hundertprozentig zuversichtlich entgegen. Am Abend erteilen die Sicherheitsleute noch den Rat, die üppige französische Küche nicht zu sehr zu genießen und auch den Wein der Region sein zu lassen.
Die nächsten beiden Tage das selbe Bild, jeweils zwei Teammitglieder in den blauen Spezialanzügen stellen sich für die Medikamente Skopalamin und Koffein – damit die Nebenwirkungen, vor allem Müdigkeit, des ersten ausgeglichen werden – an, die anderen beiden sind für letzte Vorbereitungen im Flugzeug. Zehn Minuten vor dem Schließen der Tür nochmals der Rat auf die Toilette zu gehen, im Airbus gibt es nämlich keine, was bei drei bis vier Stunden Flugzeit bis zur Rückkehr durchaus zu einem kleinen Problem werden kann.
Der Airbus hebt ab, die Experimente werden bereit gemacht und das Manöver vom Vortrag wiederholt sich 31 mal – 30 Experimentatoren arbeiten hart und versuchen bestmögliche Ergebnisse zu bekommen, aber auch der Spaß kommt nicht zu kurz. Die “free-floating area” wird ausgiebig genutzt und Dinge, die am Boden nie möglich wären, werden ausprobiert.
Doch wie erwartet gibt es auch erste Ausfälle, die ersten die ihr Frühstück nicht bei sich behalten sind aber skurilerweise die beiden ESA-Betreuer und nicht wie erwartet eines der Teams auf dem “Kotz-Ranking”. Auch bei den Grazern schlägt der wiederholte Schwerkraftwechsel am Ende zu – bei einem ist nach der 26. Parabel nicht mehr an Testen zu denken, die Kotztüte muss er aber trotzdem nicht benutzen. “Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich, man hebt wirklich einfach ab und beginnt zu schweben”, beschreibt Hannes Schleifer. So sind sich alle einig – viel zu schnell ist die Zeit vergangen und die letzte Parabel geflogen – jeder würde wohl sofort wieder einsteigen und erneut mitfliegen.
Das Fazit – alle konnten Daten von ihren Experimenten sammeln, einige hatten leichte Probleme und alle haben mehr als 13 Minuten lang das Gefühl erlebt, dass auch Astronauten als fantastisch beschreiben. Vielleicht wird ja einer der 20 Studenten irgendwann auch wirklich den Weltraum erobern und für alle, die nun auf den Geschmack gekommen sind, die nächste Kampagne wird wahrscheinlich im Herbst ausgeschrieben.
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