SLS: Booster QM-1 bereit zum Test

Die Herstellerfirma Orbital ATK wird am Mittwoch einen 5-Segmente Feststoffbooster am Boden testzünden. Zwei solcher Booster sollen eines Tages zusammen mit den Haupttriebwerken die neue Schwerlastträgerrakete der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA antreiben, das Space Launch System. Doch auch Technologien für einen Booster, der wohl erst in ferner Zukunft zum Einsatz kommen wird, wurden vor kurzem bereits getestet.

Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NSF, NASA, OrbitalATK.

NASA
Angetrieben von den beiden Feststoffboostern startet das Space Shuttle Discovery zu der Mission STS-120.
(Bild: NASA)

Sie können auf 134 erfolgreiche Einsätze zurückblicken: Die Feststoffbooster des Space Shuttles. 30 Jahre lang beförderten sie seitlich an dem orangefarbenen Außentank angebracht zusammen mit den Haupttriebwerken den Orbiter in die Erdumlaufbahn. Auch als in den 2000er Jahren an einem Nachfolgesystem gearbeitet wurde, sollten sie weiterhin zum Einsatz kommen: Die erste Stufe der Ares-1 Rakete, die das Raumschiff Orion zur Internationalen Raumstation oder zu einem Mondlander transportiert hätte, sollte ebenfalls eine modifizierte Version des ursprünglichen Feststoffboosters bilden. Doch obwohl die Entwicklungsarbeiten bereits im vollen Gange waren, stellte Präsident Obama die Entwicklung von Ares aus Kostengründen ein. Die Feststoffbooster lebten jedoch weiter, und zwar bei der neuen Schwerlatträgerrakete der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA, dem Space Launch System.

ATK
Ein 5-Segmente Feststoffbooster wird am Boden testgezündet.
(Bild: ATK)

Diese Feststoffbooster basieren zu großen Teilen auf denen des Space Shuttles. Jedoch kommen bei ihnen neue Avioniksysteme (elektronische Systeme, die den Booster steuern) und eine neue, umweltfreundlichere Isolierung zum Einsatz. Auch werden die Booster aus Kostengründen nicht wie beim Shuttle nach dem Flug erneut verwendet und ihr Herstellungsprozess wurde vereinfacht. Die größte Veränderung ist jedoch die Verlängerung des Raketenmotors um ein Treibstoffsegment, von vier auf fünf Segmente. Dieser Raketenmotor ist zylinderförmig und besteht aus festem Treibstoff, der nach der Zündung von oben nach unten abbrennt. In der Mitte dieser Treibstoffmasse befindet sich ein Kanal, durch den die Verbrennungsabgase nach unten in die Düse und dann nach draußen ausgestoßen werden. Oberhalb und unterhalb des Motors liegen die Avioniksysteme und die Schubvektorsteuerung, die die Düse und somit auch den Schubstrahl schwenkt. Ein vollständiger Fünf-Segmente Feststoffbooster ist etwa 55 Meter lang, über 700 Tonnen schwer und dazu in der Lage, über 14 Meganewton Schub zu erzeugen. Gleich zwei dieser Höllenmaschinen sind seitlich an der Hauptstufe des SLS angebracht, um die Rakete zusammen mit den vier RS-25 Flüssigtriebwerken anzutreiben.

OrbitalATK
Ein Techniker arbeitet an den Avioniksystemen der 5-Segmentebooster.
(Bild: OrbitalATK)

Zahlreiche Entwicklungsarbeiten wurden bereits für die 5-Segmente Booster durchgeführt: Modelle eines Boosters wurden testgezündet, Verkleidungen strukturellen Belastungstests ausgesetzt, die Avioniksysteme gebaut und getestet und vieles mehr. Im August 2014 wurde das Critical Design Review (CDR) der Booster abgeschlossen, eine rigorose Überprüfung des Designs, bei der die endgültige Auslegung festgelegt wurde. Nun konzentrieren sich die Arbeiten bezüglich der Booster auf die Zertifizierung für den Flugeinsatz. Anfang Februar wurden die Avioniksysteme der Booster von der Herstellerfabrik in Clearfield, Utah zum Marshall Space Flight Center der NASA im US-Bundesstaat Alabama überführt. Dort sollen integrierte Tests zusammen mit den Avioniksystemen der Hauptstufe des SLS stattfinden. Um das Gesamtdesign der Booster unter realistischen Bedingungen zu überprüfen, steht nun jedoch ein wesentlich beeindruckenderer Test an: Eine Testzündung eines vollständigen 5-Segmente Boosters am Boden.

OrbitalATK
Der fast fertige Booster für QM-1 auf dem Teststand.
(Bild: OrbitalATK)

Dieser Test –QM-1 für Qualification Motor 1 genannt- soll auf dem Teststand T-97 des Geländes des Herstellerunternehmens OrbitalATK im US-Bundesstaat Utah stattfinden. Die einzelnen Segmente des Motors wurden bereits 2012 nach der Herstellung zu dem Teststand transportiert und dort zu einem fertigen Booster zusammengebaut. Drei Testzündungen eines 5-Segmente Feststoffboosters wurden bereits problemlos im Rahmen der Ares-Entwicklungsarbeiten durchgeführt: DM-1 2009, DM-2 2010 und DM-3 2011. Bei den Vorbereitungen von QM-1 trat jedoch ein Problem auf: Lücken zwischen der Isolierung und dem festen Treibstoff wurden in einem Treibstoffsegment gefunden. Nach fast anderthalb Jahren wurde jedoch dieses Problem durch eine Änderung der Formel der Isolierung behoben, die Vorbereitungen konnten weitergehen. Inzwischen sind diese Arbeiten weitgehend abgeschlossen, momentan ist die Testzündung für den 11. März um 9:30 Ortszeit (17:30 MEZ) geplant. Bei QM-1 wird der Motor auf 32,8° Celsius erwärmt und 122 Sekunden lang in waagerechter Ausrichtung gezündet. Mehr als 534 Messinstrumente werden Daten zu insgesamt 103 Designthemen sammeln. Der Test wird live auf NASA TV übertragen, auch auf raumfahrer.net und im Raumcon-Forum erfahren Sie natürlich alles über diesen Test. Anfang 2016 soll eine zweite Testzündung eines 5-Segmente Feststoffboosters stattfinden, genannt QM-2.

Der SLS-Booster jenseits von QM-1

NASA
Die geplante Weiterentwicklung des SLS vom Block I (links) zum Block II (rechts) -Illustration.
(Bild: NASA)

Bis mindestens 2025 wird der 5-Segmente Feststoffbooster in dem SLS zum Einsatz kommen. Danach plant die NASA, eine stärkere Version des Space Launch System zu starten: Den Block II. Ist bereits die anfängliche Variante des SLS mit einer Nutzlast von 70 Tonnen in einen niedrigen Erdorbit leistungsfähiger als jede andere Rakete, die gegenwärtig im Einsatz ist, so wird das SLS Block II über eine unglaubliche Nutzlast von 130 Tonnen in einen niedrigen Erdorbit verfügen. Bei dieser leistungsfähigen Trägerrakete werden dann vermutlich neue Booster zum Einsatz kommen. Für solche haben verschiedene Raumfahrtunternehmen bereits Vorschläge eingereicht, die NASA hat jedoch noch nicht das Design festgelegt. Trotzdem finden bereits Arbeiten der entsprechenden Firmen statt, deren Ziel es ist, wichtige Technologien für die Booster zu demonstrieren.

ATK
OrbitalATKs Vorschlag: Der Batman-Booster.
(Bild: ATK)

Auch die Herstellerfirma der derzeitigen SLS-Booster, OrbitalATK, hat einen solchen Vorschlag eingereicht. Anders als die Konkurrenz von Aerojet und Dynetics verwendet ihr Booster namens „Batman“ weiterhin festen Treibstoff und stellt eher eine Evolution des 5-Segmente Feststoffboosters dar. Jedoch sollen ein energiereicherer Treibstoff, fortschrittlichere Avionik- und Schubvektorsteuerungssysteme und eine aerodynamisch vorteilhaftere Spitze (ähnlich der der Ariane 5) zum Einsatz kommen. Die größte Innovation ist jedoch, dass die Hülle dieses Boosters nicht mehr aus Stahl, sondern aus CfK-Verbundwerkstoffen besteht. OrbitalATK verspricht für Batman eine deutliche Senkung der Kosten bei gleichzeitig höherer Nutzlast und Sicherheit. Batman ist der klare Favorit, tatsächlich der leistungsfähige Booster des SLS Block II zu werden: SLS-Ingenieure sind mit den hohen Beschleunigungskräften der Flüssigbooster unzufrieden. Auch benötigt die mobile Startplattform des SLS ein komplett neues Design, wenn die Booster flüssigen Treibstoff verwenden.

OrbitalATK
Die Hülle des CfK-Boostersegments vor dem Test.
(Bild: OrbitalATK)

Zahlreiche Arbeiten wurden bereits zu Batman durchgeführt, um Technologien zu demonstrieren und Erfahrungen zu sammeln: 2013 begannen Windtunneltests der neuen Spitze, verschiedene Formeln für den neuen Treibstoff wurden untersucht und ein erster Prototyp der CfK-Hülle wurde gefertigt. Nun wurde in Promtory, Utah eine solche Hülle strukturell getestet, um die Stabilität zu überprüfen. Dazu wurde eine CfK-Hülle Kräften von etwa 2000 N pro Quadratzentimeter ausgesetzt, wesentlich mehr, als sie jemals bei einem Flug erfahren würde. Dann brach die etwa 2,3 Meter im Durchmesser und ungefähr 7,6 Meter in der Länge messende Hülle, und zwar innerhalb eines Prozentes der Vorhersagen. 112 Kanäle von Messinstrumenten sammelten Daten über den Test. Vorher wurde die Hülle an mehreren Stellen vorsätzlich beschädigt, wodurch bestätigt wurde, dass auch ein beschädigter Booster den strukturellen Belastungen standhält. Außerdem können nun durch die Daten Hüllen aus Verbundwerkstoffen mit Metallhüllen verglichen und Computermodelle nachgeschärft werden.

Die weiteren Highlights der SLS-Entwicklungsarbeiten im diesem Jahr werden neben der besagten Testzündung des neuen 5-Segmente Feststoffboosters Arbeiten an der ersten Hauptstufe des SLS, Testzündungen des RS-25 Haupttriebwerks, integrierte Tests der Avioniksysteme, die Fertigstellung zweier großer Teststände und das Critical Design Review der gesamten Rakete sein.

NASA
Das SLS während des Fluges- Illustration
(Bild: NASA)

Das Space Launch System ist der neue Schwerlastträger der NASA. Er basiert zu großen Teilen auf dem 2011 außer Dienst gestellten Space Shuttle: So werden die Hauptstufe aus dem External Tank des Shuttles, die 5-Segmente Booster aus den SRBs und die RS-25 Triebwerke aus den SSMEs entwickelt. Es wird drei Varianten des SLS geben: Die Block I Version wird lediglich eine leicht modifizierte Version der DCSS (Delta Cyrogenic Second Stage) als Oberstufe haben. Mit ihr soll der Erstflug EM-1 erfolgen. Block IB wird über die wesentlich stärkere EUS (Exploration Upper Stage)-Oberstufe verfügen. Bei Block II handelt es sich um die stärkste Variante des SLS, seine Oberstufe wird ebenfalls die EUS sein; die Feststoffbooster werden durch verbesserte Booster ersetzt, ihr Konzept ist jedoch noch nicht festgelegt, obwohl bereits verschiedene Vorschläge zu neuen Flüssig- oder Feststoffboostern existieren. Der Erstflug des SLS ist nicht später als im November 2018 mit der Mission EM-1 (Exploration Mission 1) geplant, bei der das neue NASA-Raumschiff Orion noch unbemannt zum Mond fliegen wird. Weitere SLS-Missionen sollen bemannte Marsflüge in den 2030ern vorbereiten, jedoch hat der US-Kongress immer noch keine dieser Missionen bewilligt, obwohl er als Unterstützer des SLS gilt.

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