Sally Ride: Kritisch, unbequem, unbelehrbar

Sie war die erste US-Astronautin im All – 20 Jahren nach dem ersten Flug einer sowjetischen Kosmonautin. Geprägt hat sie die amerikanische Raumfahrt dennoch wie kaum ein anderer Raumfahrer. Im Alter von 61 Jahren verstarb sie an Krebs.

Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: Eigene Recherche.

Sally Kristen Ride hätte das Zeug zum Popstar gehabt. Sie flog als erste Amerikanerin ins All, auf der siebten Mission des Space Shuttles. Sie gestaltete die Zukunft der US-Raumfahrt in entscheidenden Momenten mit – und scheute nicht, mit ihrem kritischen Geist auch unbequeme Haltungen einzunehmen. Bis zu ihrem Tod setzte sie sich für die Förderung von Kindern und Mädchen in den Naturwissenschaften ein. Und doch blieb sie immer sie selbst.

NASA
Sally Ride auf ihrem ersten Raumflug (STS-7): Auf dem Pilotensitz der Challenger.
(Bild: NASA)

Ihre Begeisterung für die Wissenschaft machte sie erst zur Astronautin: In der anbrechenden Shuttleära waren nicht mehr ausschließlich Kampfpiloten gefragt, wie noch bis zum Mondprogramm. Ingenieure und Naturwissenschaftler wurden gesucht. Sally Ride setzte sich als Physikerin gegen 8.000 Bewerber durch. Sie flog zweimal ins All. Während sie auf den dritten Einsatz trainierte, verunglückte die Challenger. Sie wirkte in der untersuchenden Rogers-Kommission mit – als einzige Frau. Auch als 17 Jahre später die Columbia beim Wiedereintritt verglühte, war ihr kritischer Geist immer gefragt. Als einzige Person in beiden Kommissionen: „Ich höre hier ein kleines Echo“, sagte sie zwei Monate nach dem Unglück von 2003. Sie hatte beim NASA-Management ähnliche Prozesse beobachtet, die schon die Explosion der Challenger begünstigt hatten.

Gegen die Stereotype
Von Anfang an hatte sie es nicht leicht: als eine von sechs Astronautinnen für das neue Shuttleprogramm ausgewählt, war sie an der Entwicklung des shuttleeigenen Roboterarmes beteiligt. Das befähigte sie für Kommandant Robert Crippen über alle Maßen, an der Mission STS-7 teilzunehmen – als Frau und noch dazu als jüngster Raumfahrer der US-Geschichte. Doch unter Druck gerät sie trotzdem: „Sie fühlt sich im Copilotensessel wohl, obwohl ihr die tausend Stunden Flugerfahrung fehlen“, schreibt ein US-Magazin. Auch die vor dem Flug angereisten Journalisten stellen unerträgliche Fragen: Ob sie bei Problemen im Beruf weinen müsse? Würden ihre reproduktiven Organe beim Raumflug nicht Schaden nehmen? Ride lässt sich nicht darauf ein: „Warum fragen sie das nicht auch den Kommandanten?“

Es war dieser Kampf gegen die Stereotype, der ihren Lebensweg kennzeichnen sollte. Sie arbeitet selbstverständlich weiter als Physikerin, geht 1987 zur Stanford University und wird 1989 Professorin an der University of California in San Diego, wo sie über Freie-Elektronen-Laser forscht. Auch die Zukunft der NASA gestaltet sie weiterhin mit: Im Ride-Bericht werden 1987 wichtige Projekte der kommenden Jahrzehnte vorgeschlagen. Er bewirkt etwa grünes Licht für die Raumsonde Cassini-Huygens ins Saturnsystem. Nebenbei setzt sie sich dafür ein, Jungen und Mädchen für Raumfahrtthemen zu begeistern. Die EarthKam geht auf ihre Initiative zurück: sie ermöglicht seit 1996 Schulkindern den Zugang zu hochaufgelösten Erdaufnahmen von Space Shuttle und Raumstation. Sie ist überzeugt: Dass weniger Frauen technische Berufe ergreifen, hänge kaum mit fehlendem Interesse zusammen. Erst gesellschaftliche Normen bewirkten, dass sich die heranwachsenden Mädchen unwohl fühlten.

Am Ende ist Sally Ride auf ihre Weise zur Ikone geworden. „Sie ist der Neill Armstrong der Shuttleära“, sagt US-Raumfahrtjournalist Miles O`Brien. Zwar flog sie erst 20 Jahre nach der Russin Valentina Tereschkowa ins All. Doch selbst zu dieser Zeit waren Frauen in klassischen Männerberufen in den USA Stein des Anstoßes. Sally Ride hat geholfen, das zu ändern.

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