Das deutschsprachige Raumfahrtmagazin Raumfahrt Concret feiert in diesen Tagen seinen 20. Geburtstag und bringt dazu die 100. Ausgabe heraus. Grund genug für Raumfahrer Net zu gratulieren.
Ein Beitrag von Andreas Weise. Quelle: Interview.
Dazu trafen Mitte Januar Steve Münker und Andreas Weise in Berlin zwei Macher von Raumfahrt Concret. Ute Habricht und Chefredakteur Uwe Schmaling waren in Berlin zu Recherchen raumfahrtpolitischer Fragen unterwegs. Die Zeitschrift Raumfahrt Concret selber ist in Neubrandenburg (Land Mecklenburg-Vorpommern) ansässig. Schmaling wurde die aktuelle Raumfahrer Net-Tasse überreicht mit dem Wunsch, er möge jeden Morgen beim Frühstück an uns denken. Dieser bemerkte, das würde er auch so machen. In gelockerter Atmosphäre gab er uns anschließend ein Interview, das wir im Folgenden leicht gekürzt wiedergeben wollen.
RN: Zunächst etwas zur Verfahrensweise: Wir bleiben auch hier beim DU?
RC: Natürlich! Wir ziehen ja als Freunde der Raumfahrt am selben Strang.
RN: Zu Eurem Geburtstag und zur 100. Ausgabe von Raumfahrt Concret hatten wir Euch schon gratuliert. Ihr seid jetzt 20 Jahre alt, aber die Geschichte der Zeitschrift geht eigentlich schon früher los…
RC: Das ist richtig. 1979 haben wir in der damaligen DDR ein Informationsblatt zur Raumfahrt heraus gegeben, genauer zur Astronomie und Raumfahrt. Dieses wurde 1981 in Raumfahrt informativ umbenannt. 1984 wurde die Schrift durch die Führung der SED verboten. Die Neuauflage starteten wir 1997 zunächst mit dem Titel Raumfahrt Controvers. Aber nach einem Jahr merkten wir schnell, dass dieser Name nicht passte. Wir verstehen uns ja nicht als kontrovers zur Raumfahrt, sondern als Förderer der Raumfahrt. Wir haben uns dann in Raumfahrt Concret umbenannt. Dabei ist im Namen das „C“ erhalten geblieben. Aber bitte nicht mit „e“ am Schluss, denn sonst würde es „Beton“ heißen. Und das wollen wir ja auch nicht. Also das ist die Geschichte unserer etwas eigentümlichen Schreibweise.
RN: Wieso wurde eigentlich die Zeitschrift damals 1984 verboten? Eigentlich sollte man gegen die Verbreitung von Wissen nichts haben. Wo war da die Subversion?
RC: Für ganz junge und für westliche Raumfahrtfreunde ist das nicht ganz einfach zu verstehen. Insofern ist die Frage nicht dumm. Es gab nur einen einzigen Grund: Wir haben zu westlich berichtet. Wir waren ein Dorn in den Augen von manchem Politiker. Ich muss aber auch sagen, wir haben es auch austesten wollen, wie weit wir gehen können. Hinzu kam, dass zur westlichen Raumfahrt viel mehr Informationen vorlagen, als zur sowjetischen. Dort war alles so geheim. So haben wir über die amerikanische Raumfahrt immer ein Schrittchen mehr und mehr berichtet, bis jemand gesagt hat: So, jetzt reicht‘s! Da war es dann zu spät. Wir hatten die letzte Ausgabe vor dem Verbot im Juni 1984 getitelt „Lenin und die Raumfahrt“. Das war natürlich auch etwas sarkastisch gemeint, aber Lenin hatte tatsächlich in seinen Werken Beiträge zur philosophischen Raumfahrt gemacht. Und die haben wir akribisch heraus gearbeitet. Es hatte aber dann zum Schluss doch nichts mehr genützt. Verwirkt ist verwirkt. Einmal entschieden ist entschieden. Aus! 1990 sind wir dann nach der sog. Wende sogar rehabilitiert worden. Aber das half dann auch nichts. Es lag dann alles brach. In der DDR brauchten wir uns um nichts zu kümmern. Papier und Druckkapazität wurde per Kontingent zugeteilt. Das Geld hat der Kulturbund gegeben.
Danach war dann alles anders. Es war plötzlich Marktwirtschaft. Und dann hat es bis 1997 gedauert, bis wir dann mit Hilfe des ehemaligen Bundesforschungsministers Dr. Paul Krüger wieder einen neuen Anlauf nehmen konnten. Er hat uns zum Start von Raumfahrt Concret, und ein paar Jahre schon früher auch zur Neuauflage der Tage der Raumfahrt in Neubrandenburg, geholfen. Auch die gab es schon früher. Jetzt war alles mit Geld verbunden. Wir brauchten Sponsoren. Dr. Krüger war bekannt und konnte so manche Tür öffnen. Er hat uns wirklich sehr geholfen. Und das sind eben heute noch unsere beiden Highlights: Die Tage der Raumfahrt und Raumfahrt Concret.
RN: Ihr wart immer in Neubrandenburg ansässig?
RC: Nicht ganz. Zu DDR-Zeiten war das geteilt. Die anfangs erwähnte Schrift Astronomie und Raumfahrt wurde vom Kulturbund in Neubrandenburg und der Urania in Magdeburg herausgegeben. Erst mit Raumfahrt Concret ging das dann komplett nach Neubrandenburg über.
RN: Und wie ist Eure Leserschaft verteilt. Konzentriert die sich mehr im Osten?
RC: Nein! Im Gegenteil. Wir werden gelesen in den Hochburgen der Raumfahrt und Raumfahrtforschung in Deutschland, in Bayern, Bremen, Baden-Württemberg und eher weniger im Osten. Also die größte Leserzahl ist im Westen Deutschlands.
RN: Welche Bedeutung hat heutzutage noch ein Printmedium? Nachrichten werden doch schneller über das Internet abgebildet.
RC: Naja. Nun gut, man kann online mehr fluchen! Das ist schneller gemacht und getan. Schwer haben es natürlich aktuelle Printmedien, wie Tageszeitungen zum Beispiel. Wenn man mit Kollegen spricht, gibt es hier einen dramatischen Rückgang der Abonnenten. Wir sehen nach wie vor ein Printmedium als etwas Physisches an. Was man spürt, wenn man es in der Hand hält. Ich bin überzeugt, dass es immer Menschen geben wird, die an Stelle des Laptops lieber ein Blatt Papier in den Händen halten wollen. Hinzu kommt, dass vom Handwerklichen eine besondere Sorgfalt geboten ist. In entsprechenden Blogs wird natürlich auch recherchiert und sorgfältig geschrieben, aber …
RN: … die Entertaste ist schnell gedrückt.
RC: Genau! Die Entertaste ist schnell gedrückt. Und wir können dann einen Fehler nicht so schnell korrigieren. Übrigens möchte ich hier einem Vorurteil entgegen wirken: Unser Leserkreis ist nicht ausschließlich 60+. Unserer Leser sind zwischen 20 und 80 Jahre. Also gut gemischt. Das freut uns, dass auch junge Leser nicht nur zum Online-Medium gehen, sondern auch Interesse an Papier zeigen.
RN: Zur 100. Ausgabe habt Ihr Euer Layout umgestellt?
RC: Ja. Das haben wir zur 50. Ausgabe gemacht und nun zur 100. Also alle 50 Ausgaben ein Wechsel und ein neues Gesicht. (Lachen)
RN: Ihr habt ja auch das Glück einen tollen Grafiker in Euren Reihen zu haben: Dietmar Röttler.
RC: Ja natürlich: Ein absolutes Kleinod, bildlich gesprochen. Das kann ich nicht oft genug unterschreiben. Es gibt eine richtige Fangemeinde. Wir wünschen ihm viel Gesundheit und dass er noch lange tätig sein kann. Wenn das Talent einmal erlischt, dann sieht es recht düster aus.
RN: Euren Internet-Auftritt habt Ihr auch überarbeitet.
RC: Ja. Die Seite ist aber sehr spartanisch gehalten. Sie zeigt, dass wir präsent sind. Wir wollen auch kein paralleles Online-Produkt schaffen. Dafür gibt es u.a. Raumfahrer Net. Ihr seht es ja selber, dass wir ganz selten aktuelle Meldungen dort haben. Und wenn, dann sind es Veranstaltungshinweise oder interne Sachen, wie zum Beispiel der Tag der Raumfahrt. Wir nutzen unsere Seite als Vertriebsweg und Online-Shop.
RN: Eine Magazin für Luft- und Raumfahrt sucht zur Zeit mit ganzseitiger Anzeige Redaktionsmitarbeiter. Habt Ihr Nachwuchsprobleme?
RC: Unsere Philosophie ist von Anfang an etwas anders. Wir schreiben die Artikel nicht selber. Wir lassen die Beiträge von Leuten schreiben, die tatsächlich in der ersten Reihe tätig sind. Hinzu kommen in Ausnahmefällen einige sehr kompetente und talentierte Personen aus anderen Bereichen, die wir uns aber schon ganz genau vorher ansehen. Einige sind auch bei Raumcon aktiv und umgekehrt. Aber wie gesagt: Wir machen es nicht selbst. Wir wählen aus, stellen zusammen und machen das Produkt fertig. Aber als Autor sind wir nicht vorrangig tätig.
RN: Ich hatte im letzten RC-Heft etwas von der „Silbernen Erdsichel“ gelesen ….
RC: „Der silberne Erdkreis“. Ja, das ist eine Idee. Das ist ein Vorschlag. Gewissermaßen in die Raumfahrtfan-Runde. Es geht darum, die Raumfahrt mehr in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Und da wäre das ein Punkt. Es handelt sich dabei um einen Preis, der jährlich an Menschen verliehen wird, die sich um den Gedanken der Raumfahrt verdient gemacht haben. Wir denken dabei an drei Kategorien: Professionelle, Amateure und Jugendliche. Wir selber können das nicht stemmen. Man benötigt dazu jemanden, der die Federführung hat und nicht zuletzt Sponsoren. Man könnte die Leser von Printmedien oder die Onlinenutzer eines Netzwerkes befragen. Das wäre ähnlich einer Sportlerumfrage. Es ist, wie gesagt, erst einmal eine Idee, ein Vorschlag. Wie das alles konkret aussehen könnte, darüber muss man sprechen.
RN: Zum Schluss: Was werdet Ihr 2018 machen?
RC: Wir werden etwas über Juri Gagarin bringen. Da jährt sich sein Todestag zum 50. mal dieses Jahr. Ansonsten Apollo 8 .… Ach, eigentlich möchte ich noch nichts verraten. Wir werden sehen. Es wird die 34. Raumfahrttage geben. Und zwar vom 23. bis 25. November in Neubrandenburg. Eingebettet sind sie in die Nordischen Wochen der Raumfahrt und Weltraumforschung. Am 4. Oktober, dem Starttag von Sputnik 1, werden wir dazu an dem historisch, aber auch ambivalenzträchtigen Ort Peenemünde beginnen. Geplant ist auch ein Raumfahrttag im Otto-Lilienthal-Museum Anklam. In Neubrandenburg werden wir dann zum Finale wieder hochkarätige Gäste haben.
RN: Man darf gespannt sein?
RC: Ja, man darf gespannt sein.