Die Entwicklung der Centaur machte die Atlas zum Universalvehikel der USA für geostationäre Satelliten. Hier der 2. Teil der Geschichte der Atlas.
Autor: Daniel Maurat
Nach der Agena wurde die Centaur zur wichtigsten Oberstufe der USA. Sie prägte die Atlas wie keine andere Oberstufe und diese Kombination existiert heute noch.
Entwicklung
Die Atlas hatte zwar großen Erfolg mit der Agena als Oberstufe, doch war die Leistung einer Atlas-Oberstufe ausbaufähig. Dafür entwickelte man ab 1956 eine neue Oberstufe, die ein bedeutender Einschnitt in der US-Raumfahrt war: die Centaur. Sie war die erste Oberstufe, die als Treibstoff flüssigen Wasserstoff (LH2) und als Oxidator flüssigen Sauerstoff (LOX) benutzte. Diese Treibstoffmischung war zwar sehr energiereich, doch waren bei der Entwicklung technische Probleme an der Tagesordnung. Ein Problem mit flüssigem Wasserstoff ist, dass dieser nur bei sehr tiefen Temperaturen von unter -200 °C flüssig ist und mit den meisten Metallen reagiert. Vor allem aber war das Triebwerk das Sorgenkind der Entwickler: das RL-10-Triebwerk (auch auf der Saturn 1 eingesetzt), welches auf zwei Zündungen ausgelegt war. Zwischen beiden Zündungen gab es eine Freiflugphase. Die Wiederzündung war ein Hauptproblem bei der Entwicklung und in den ersten Flugjahren der Centaur. Schießlich stand die Atlas Centaur 1962 erstmals auf der Rampe.
Technik
Atlas Centaur LV-3C
Die erste Flugkonfiguration der Atlas Centaur war die LV-3C. Mit ihr wurde die Centaur getestet und später operationell eingesetzt. Die ersten beiden Starts erfolgten mit den Centaur-Versionen A und B, die reine Entwicklungsmodelle waren. Danach wurde die Centaur C eingesetzt, ein Flugerprobungsmodell, mit der die Centaur qualifizert wurde. Letztlich wurde die Centaur D zum Serienmodell. Auch diese Oberstufe hatte eine Reihe von Fehlschläge, vor allem wegen Problemen mit der Wiederzündung. Schließlich wurde sie aber erfolgreich eingesetzt, so z. B. für die Starts der Suveyor-Sonden 1 bis 4 der NASA.
Start einer Atlas Centaur LV-3B, an Bord die Raumsonde Surveyor 3. (Bild: NASA) |
Technischen Daten
Stufen | 2 |
Höhe | 35,2 m |
Durchmesser | 3,05 m |
Startschub | 1.704,8 kN |
Startmasse | 136,1 t |
Treibstoffmasse | 127,2 t |
Max. Nutzlast | 4.000 kg (LEO); 1.800 kg (GTO); 1.000 kg (Fluchtbahn) |
Erster Start | 8. Mai 1962 |
Letzter Start | 14. Juli 1967 |
Treibstoff | RP-1/LOX (1. Stufe); LH2/LOX (2. Stufe) |
Triebwerke | 1. Stufe: Marschtriebwerke: 2x LR-89-5 Substainer: 1x LR-105-5 2. Stufe: 2x RL-10-A1 |
Atlas SLV-3C Centaur D
Die Atlas SLV-3C Centaur D war eine nochmal standardisierte Version der Centaur D, bei der die Atlas um 1,75 m verlängert wurde, um so mehr Treibstoff aufzunehmen zu können. Sie startete zum Beispiel die Suveyor-Sonden 5, 6 und 7 sowie die Mariner-Sonden 5 bis 9 wobei der Start von Mariner 8 ein Fehlstart war. Hier kam es aufgrund eines Elektronikfehlers in der Centaur zu einer Kursabweichung und die Rakete musste gesprengt werden.
Start einer Atlas SLV-3C Centaur mit der Raumsonde Mariner 9 (Bild: NASA) |
Technischen Daten
Stufen | 2 |
Höhe | 40 m |
Durchmesser | 3,05 m |
Startschub | 1.957 kN |
Startmasse | 149,4 t |
Treibstoffmasse | 139,1 t |
Max. Nutzlast | 4.000 kg (LEO); 1.900 kg (GTO); 1.050 kg (Fluchtbahn) |
Erster Start | 8. September 1967 |
Letzter Start | 21. August 1972 |
Treibstoff | RP-1/LOX (1. Stufe); LH2/LOX (2. Stufe) |
Triebwerke | 1. Stufe: Marschtriebwerke: 2x LR-89-7 Substainer: 1x LR-105-5 2. Stufe: 2x RL-10-A1 |
Atlas SLV-3D Centaur D1A und D1AR
Zwar gibt es keine äußeren Unterschiede zur Atlas SLV-3D Centaur D, doch war die Atlas SLV-3D Centaur D1A ein großer Entwicklungssprung für die Atlas: die Centaur setzte jetzt eine verbesserte Version des RL-10-Triebwerks ein. Die größte Weiterentwicklung war aber der Bordrechner der Centaur. Zum Einsatz kam nun ein digitaler Computer, der die damals immense Speicherkapazität von 48 KB hatte. Nun war der Centaur-Bordrechner leistungsstark genug, um auch die Atlas zu steueren. Somit wurde der Atlas-Bordrechner obsolet. Außerdem konnte der Bordrechner bis kurz vor dem Start neu programmiert werden, was bei wechselhaften Wetterbedingungen ungeheuer nützlich war. Von nun an musste man den Start nicht mehr abbrechen, weil die Programmierung zu lange dauerte und sich das Startfenster schon wieder geschlossen hat. Ab 1975 benutze man eine Modifikation der Centaur D1A, die Centaur D1AR. Mit diesem Träger wurden verschiedene Raumsonden gestartet, wie die Merkursonde Mariner 10, die Jupitervorbeiflugssonde Pioneer 10 (mit zusätzlicher Kickstufe vom Typ Star 37E), aber auch der Pioneer Venus Orbiter und die Pioneer Multiprobe, die vier kleine Atmosphärensonden zur Venus schickte. Es wurde auch eine Reihe von Intelsat-Satelliten gestartet, was zu dieser Zeit wegen der Rarität der Starts kommerzieller Nachrichtensatelliten ein besonderes Ereignis war.
Eine Atlas SLC-3D Centaur D1A mit der Raumsonde Pioneer 10 (Bild: NASA) |
Technischen Daten
Stufen | 2 |
Höhe | 40 m |
Durchmesser | 3,05 m |
Startschub | 1.957 kN |
Startmasse | 149,4 t |
Treibstoffmasse | 139,1 t |
Max. Nutzlast | 4.000 kg (LEO); 1.900 kg (GTO); 1.050 kg (Fluchtbahn) |
Erster Start | 5. März 1974 |
Letzter Start | 19. Mai 1983 |
Treibstoff | RP-1/LOX (1. Stufe); LH2/LOX (2. Stufe) |
Triebwerke | 1. Stufe: Marschtriebwerke: 2x LR-89-7 Substainer: 1x LR-105-5 2. Stufe: 2x RL-10-A3-3 |
Atlas G Centaur
Die Atlas war mit wenigen Änderungen nun schon über zwei Jahrzehnte lang so gut wie unverändert geblieben. Die Konkurrenz aus Europa in Form der Ariane und in den eigenen Reihen in Form der Delta aber gewann immer mehr Marktanteile und so war eine grundlegene Verbesserung der Atlas-Grundkonstruktion notwendig. Die Atlas wurde verlängert, so dass mehr Treibstoff und Oxidator mitgeführt werden konnte. Die Triebwerke wurden verbessert, um den Schub zu steigern. Als Oberstufe verwendete man die Centaur D1AR, die schon auf der Atlas SLV-3D benutzt wurde. Daraus entwickelte sich die Atlas G. Sie startete in fünf Jahren aber nur sieben Mal, was für den Träger ein relativ kurzes Einsatzleben war. Nutzlasten waren ausschließlich kommerzielle Nachrichtensatelliten.
Start einer Atlas G von Cape Canaveral (Bild: NASA) |
Technischen Daten
Stufen | 2 |
Höhe | 41,8 m |
Durchmesser | 3,05 m |
Startschub | 1.957 kN |
Startmasse | 163,5 t |
Treibstoffmasse | 153,9 t |
Max. Nutzlast | 3.630 kg (LEO); 2.340 kg (GTO) |
Erster Start | 9. Juni 1983 |
Letzter Start | 25. September 1989 |
Treibstoff | RP-1/LOX (1. Stufe); LH2/LOX (2. Stufe) |
Triebwerke | 1. Stufe: Marschtriebwerke: 2x LR-89-7 Substainer: 1x LR-105-7 2. Stufe: 2x RL-10-A3-3 |
Atlas H
Die Atlas H war eine Atlas G ohne Oberstufe. Sie war eine Sonderversion für die US Navy, um damit mehrere Funkaufkläungssatelliten auf einmal zu starten. Sie war wesentlich preiswerter als die Atlas G, hatte aber für die angesteuerte Bahn (elliptische, erdnahe Bahn) eine vergleichbare Nutzlastkapazität (die Centaur war für den GTO-Transport ausgelegt). Gestartet wurde die Atlas H nur von Vandenberg aus.
Start einer Atlas H von Cape Canaveral (Bild: NASA) |
Technischen Daten
Stufen | 1 |
Höhe | 27 m |
Durchmesser | 3,05 m |
Startschub | 1.957 kN |
Startmasse | 150,5 t |
Treibstoffmasse | 142,6 t |
Max. Nutzlast | 3.630 kg (LEO) |
Erster Start | 9. Februar 1983 |
Letzter Start | 15. Juni 1987 |
Treibstoff | RP-1/LOX |
Triebwerke | 1.Marschtriebwerke: 2x LR-89-7 Substainer: 1x LR-105-7 |
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