Bemannte Raumfahrt in Japan

Besonders medienwirksam präsentiert sich auch in Japan die bemannte Raumfahrt. International hat sich die Bedeutung der bemannten Raumfahrt seit der erfolgreichen Mondlandung der Apollo Mission 1969 entscheidend verändert.

Autor: Markus Rösken

Der Astronaut Takao Doi auf der ersten EVA eines Japaners, an Bord von STS-87 im November 1997
(Bild: JAXA / NASA)

Das Bild vom Mensch im All hat sich als realisierbar aber letztendlich wenig sinnvoll erwiesen und brachte auch die bemannte Raumfahrt zur Frage nach einem praktikablen Wert. Nach dem propagandistischen Wettlauf der Reise zum Mond stand nun die Frage nach einer praktischen Nutzung dieser technologischen Fähigkeit im Zentrum. Die in den 60er und 70er Jahren aufgekommene Euphorie hinsichtlich bemannter Expeditionen der Menschheit zu fremden Welten und einer stetigen Kolonisation des Alls ist Science Fiction geblieben und die teuren Ausflüge der späten Apollo-Missionen wurden schnell aufgegeben. Stattdessen spezialisierte sich vor allem Russland auf Raumstationen wie Saljut und später die Mir, mit denen man Möglichkeiten und Grenzen des Menschen im All erforschte und so einen großen Beitrag zu heutigen Programmen wie der ISS lieferte. Auch die öffentliche Wahrnehmung hat sich stark verändert. Waren die Astronauten der Mercury-, Gemini- und Apolloreihe der 50er und 60er Jahre noch mediale Helden, so ist das heutige Bild des Raumfahrers beinahe vollständig hinter die Faszination der Technik getreten 1. Dennoch spielt der Mensch im All wieder eine wichtigere Rolle, da für ein Laienpublikum die bemannte Raumfahrt einen höheren Identifikationsgrad hat, als eine rein technische Erschließung des Weltalls.

Die Jaxa und ihre Vorläuferorganisationen hatten sich immer schwer getan mit der bemannten Raumfahrt und es dauerte trotz einer beeindruckenden Infrastruktur bis ins Jahr 1992, bis der erste japanische Astronaut als Mitglied einer wissenschaftlichen Mission ins All flog. Im Gegensatz zum sowjetischen und amerikanischen Raumfahrtprogramm der 50er und 60er Jahre, die direkt auf die bemannte Raumfahrt hinarbeiteten, waren die japanischen Vorstöße eher wissenschaftlicher Natur und weniger an propagandistischen als an wissenschaftlich-praktischen Zielen orientiert, wodurch die bemannte Raumfahrt ins Hintertreffen geriet. Zudem bestand vor allem bei der NASDA eine enge Zusammenarbeit mit der NASA, wodurch eine eigene, auf bemannte Raumfahrt ausgerichtete Trägerrakete nicht notwendig erschien, da die wenigen japanischen Astronauten Gelegenheit bekamen, an amerikanischen Flügen teilzunehmen. Tachikawa, der Direktor der JAXA, bemängelt das Fehlen eines eigenen bemannten Weltraumprogramms jedoch häufig. Die Jaxa fürchtet um ihren technischen Vorsprung, vor allem, da China am 15. Oktober 2003 mit Shenzhou 5 bereits aus eigener Kraft ein bemannter Raumflug gelang und weiterhin ehrgeizig an zukünftigen bemannten Programmen arbeitet wie beispielsweise eine geplante Extra Vehicular Activity (EVA) und sogar bereits laut über eine Mondstation nachdenkt.

Für die Jaxa gehört zu den wichtigsten Projekten der Gegenwart die Beteiligung an der International Space Station (ISS). Dazu gehören neben dem Japanese Experiment Module (JEM), das im Sommer 2008 gestartet werden soll, auch die Ausweitung der Raketenflotte, der Bau eines H-2 Transfer Vehicles (HTV) und der Einstieg in die bemannte Raumfahrt. Um am internationalen Standard vollkommen anknüpfen zu können, müssen auch die Trägerraketen modernisiert werden. Die nächste Generation der H-II-Familie ist die noch in der Entwicklung stehende H-II-B. Sie ist vor allem als Antwort auf die noch immer steigenden Anforderungen an die Nutzlastkapazität gedacht und im Prinzip eine größere und leistungsfähigere Version der H-II-A. Hauptsächliche technische Veränderungen zum Vorläufermodell sind eine Erweiterung des Durchmessers von 4 auf 5,2 Meter und die standardisierte Einbindung von vier statt wie bisher zwei Hilfsboostern, was die Nutzlastkapazität enorm erhöht. Im Vergleich zur H-II-A wird sie in der Lage sein, acht statt sechs Tonnen Nutzlast in einen geostationären Orbit zu transportieren und außerdem das eigens für die ISS konzipierte HTV mit einem Gesamtgewicht von mehr als 16 Tonnen zu transportieren. Weiterhin ist es durch die H-II-B möglich mehr als einen Satelliten gleichzeitig zu starten, was insgesamt die Startkosten senkt und zu einer höheren Flexibilität führt, da je nach Anforderung die H-II-A oder H-II-B genutzt werden kann. Gleichzeitig ist die H-II-B noch immer in der Lage die bisherige Startrampe auf Tanegashima zu nutzen, wodurch keine Erweiterung des Raumhafens nötig wird. Neben der erhöhten Tragkraft spielt die Rakete auch eine Rolle in den Bemühungen Japans um ein autonomes bemanntes Raumfahrtprogramm. Hier ist die Situation auch bei den Führungsmächten USA und Russland teilweise prekär. Die Space-Shuttle-Flotte hat durch die beiden Katastrophen des Challenger- und Columbiaunglücks von 1986 und 2003 schwere Rückschläge erlitten. Immer wieder mussten aus Sicherheitsgründen Starts verschoben oder gestrichen werden, wodurch sich der Bau der ISS verlangsamte und die Zeitpläne für „Gastmodule“, wie das japanische JEM und das europäische Columbus-Modul durcheinander gerieten.

Das JEM besteht aus vier unterschiedlichen Einrichtungen: Dem etwa 11 Meter langen Pressurized Module (PM), dem Experiment Logistic Module, einer Außenplattform Exposed Facility (EF) und dem Roboterarm Japanese Experiment Module Remote Manipulator System (JEMRMS). Aus wissenschaftlicher Sicht kommt das Modul zu spät, um noch einen großen Datengewinn daraus zu ziehen. Viele Experimente in der Schwerelosigkeit sind schon von Russland und den USA abgeschlossen worden und die alternde ISS bietet nun nur noch wenige innovative Forschungsmöglichkeiten an. Dennoch ist die Plattform als erstes bemanntes japanisches Modul wichtig für zukünftige Missionen, nur eben seiner Zeit bereits hinterher.

Der japanische Astronaut Môri Mamoru auf einer Space Shuttle-Mission der Endeavour im September 1992
(Bild: JAXA / NASA)

Momentan besteht das Astronautencorps der Jaxa aus acht Personen, Môri Mamoru, Mukai Chiaki, Doi Takao, Wakata Kôichi, Noguchi Sôichi, Furukawa Satoshi, Hoshide Akihiko und Sumino Naoko, von denen fünf bereits im All waren und die anderen drei sich noch im Training befinden. Dies ist nicht viel im Gegensatz zu den Hunderten von amerikanischen und russischen Raumfahrern mit insgesamt vielen tausend Tagen Flugerfahrung. Allerdings ist die Idee der bemannten Raumfahrt in Japan bereits seit den 80er Jahren präsent. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten konkreten Pläne für ein externes Modul für eine Raumstation entwickelt, die heute beinahe genauso realisiert wurden, wie man sich das damals vorgestellt hatte. Heute ist es schwer zu sagen, wie sich die japanische Raumfahrt in den nächsten Jahren entwickeln wird, und ob es zu eigenen bemannten Raumschiffen kommen wird oder nicht. Von Seiten der Jaxa sind solche Ambitionen vorhanden, und mit dem Bau der H-II-B auch bereits eingeleitet, doch politisch lassen sich die Pläne nur schwer in ein vollständiges Programm nach Maßstäben der Supermächte umsetzten. Die bemannte Raumfahrt wäre ein neues, kostspieliges Unterfangen, das sich nur schwer vertreten lässt. In einer Pressemitteilung zur Gründung der Jaxa heißt es:

When we established JAXA, supporters of a domestic manned space transportation establishment were unfortunately not able to convince JAXA to pursue that field of development. It was obvious that emotional reasoning, such as, „It is historically inevitable to make a human space flight,“ or, „Japan can not be left behind China, who is planning a manned space flight,“ was not persuasive enough to justify spending such an enormous amount of our budget.

Momentan lässt sich noch kein echter Wandel in dieser Politik feststellen, obwohl China seine Pläne eines bemannten Flugs bereits in die Tat umgesetzt hat. Japanische Astronauten schließen sich ausschließlich den amerikanischen Ausbildungsprogrammen an und müssen jahrelang auf eine Flugchance warten. Allerdings ist der „halbe Weg“, ein eigenes Astronautencorps zu besitzen, dafür aber keine geeigneten Trägerraketen bereitzustellen, für die Jaxa immer noch besser als überhaupt nichts in dieser Richtung zu unternehmen, da somit zumindest auf ein Minimum an Erfahrung zurückgegriffen werden kann.

Was die Beteiligung an der ISS angeht, so spielt Japan, genau wie Europa, eine eher untergeordnete Rolle. Der Start der Module hat sich durch Schwierigkeiten seitens der in die Jahre gekommenen Space Shuttles der Nasa um Jahre verzögert. Der erste von drei Starts des JEM Moduls ist allerdings erst für das Jahr 2008 geplant.

Literatur
[1] Vergleiche dazu Klerkx, 2004: S.5: „Here was a boy who had the makings of an astronaut, who clearly loved space. In my mind here was nothing to keep him from blasting straight from the first grade to the dazzling horizon of my own youthful aspirations. High on the possibilities I envisioned for him, I asked him what he wanted to do when he grew up. “Maybe computers” was his reply. Dismayed, I asked him about being an astronaut. He pursed his lips and shook his head. Unlike me at the age of six, he had a very clear concept of what astronauts do these days: “They fly up in the shuttle and fix stuff.”.”

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