Kürzlich veröffentlichte die japanische Raumfahrtagentur JAXA ein Interview mit ihrem Vorsitzenden Keiji Tachikawa, der einen Blick wirft auf die japanischen Aktivitäten und die Ereignisse im Jahr 2007.
Autor: Markus Rösken
„Auch dieses Jahr hege ich große Erwartung an das japanische Weltraumprogramm. Letztes Jahr haben wir sechs Raketen gestartet und werden auch in diesem Jahr zwei weitere starten, die komplett in Japan gebaut wurden. Außerdem wird ein Space Shuttle das japanische Experimentiermodul für die ISS liefern. Es wird eine Menge Events geben, und ich würde mich freuen, wenn Sie Interesse an unserer Arbeit zeigen würden. Wir strengen uns für den Erfolg an.“
Wie verlief das letzte Jahr?
Tachikawa: „Letztes Jahr hatten wir sowohl mit M-V als auch mit H-II A Raketen insgesamt sechs erfolgreiche Starts. Das ist Bahn brechend für die Jaxa. Die H-II A haben wir sogar vier Mal davon gestartet. Das hat drei Gründe: In den Monaten Januar bis Februar haben wir innerhalb des von dreißig Tagen zwei Raketen gestartet und bewiesen, dass das innerhalb eines so kurzen Zeitraums möglich ist. Zweitens haben wir im Dezember letzten Jahres zum ersten Mal eine H-II A [204] Rakete mit vier Hilfsboostern ausgerüstet, so dass das Lineup der H-II A Familie nun aus vier Versionen besteht. Drittens hat Japan nun zum ersten Mal zehn Raketen des gleichen Typs gestartet. Unter den elf H-II A Raketen war ein Fehlschlag darunter, was die Erfolgschance auf über 90% erhöht. Zudem haben wir innerhalb von 10 Monaten sechs M-V Raketen Missionen erfolgreich zum Abschluss gebracht. Deshalb glaube ich, dass unsere Zuverlässigkeitsrate durchaus auf einem internationalen Level ist.“
Weltweit sind wir auch auf dem Feld der Weltraumforschung stark. Zum Beispiel haben wir mit den Röntgenstrahlensatelliten Suzaku, dem Infrarotsatelliten Akari und dem Sonnenforschungssatelliten Hinode und so weiter einen hohen internationalen Stellenwert bekommen. Besonders konzentrieren wir uns auf unser Spezialfeld, der Röntgenstrahlung. Die Auflösung ist im Vergleich mit anderen Satelliten wesentlich besser, so dass wir hoffen dadurch neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Die beiden großen Antennen des Kommunikationssatelliten Kiku 8, der letztes Jahr mit der H-II A 8 gestarteten war, war ebenfalls ein voller Erfolg. Durch Kiku 8 wird der Empfang von sich bewegenden Handys und Laptops um einiges verbessert. Da der Empfang jetzt überall möglich ist, wird er zum Beispiel für den Katastrophenschutz, in den Bergen, auf hoher See oder überall dort eingesetzt, wo kein Sendemast verfügbar ist. Ich denke, dass das in vielen Bereichen sehr nützlich für uns ist.
Außer, dass wir letztes Jahr unsere Verlässlichkeit erhöht haben freuen wir uns ganz besonders darüber, dass wir in diesem Jahr wieder ein Mitglied der ISS stellen. Vorletztes Jahr sollte erneut Noguchi mitfliegen, doch da es zu diesem Zeitpunkt Probleme mit dem Space Shuttle gab, wurde der Plan eingestellt. Wir hatten Angst, dass sich dadurch der Bau der ISS verzögert, doch dieses Jahr wird der Bau wieder aufgenommen. Ich finde es sehr faszinierend, wie bei internationalen Projekten immer wieder Probleme auftreten, diese aber Schritt für Schritt gelöst werden.
Sie bemühen sich sehr um eine „friedliche, sichere Gesellschaft“. Welchen Beitrag leistet der Erdbeobachtungssatellit Daichi dazu?
Tachikawa: Das größte Ziel der Weltraumanwendung (Space Application) ist einen Teil zu einer friedlichen, sicheren Gesellschaft zu leisten. Unser Beitrag dazu ist Daichi. Daichis Ziel ist vor allem zu kartographieren und Naturkatastrophen zu erfassen. Die Jaxa ist im Jahr 2005 ein Mitglied der International Charta Space and Major Diseases geworden und stellt die Bilder, die Daichi macht der ganzen Welt zur Verfügung. Die Aufnahmen stellen einen Beitrag zur Katastrophenbekämpfung dar und sind ein erster Schritt für eine friedliche, sichere Gesellschaft. Zudem haben wir nicht nur Satelliten als Katastrophenschutz, sondern arbeiten auch auf der Erde mit. Wir besprechen mit den zuständigen Behörden die verschiedenen Bedürfnisse, und legen fest wie die nächsten Satelliten zu bauen sind. Auch in der Space Activities Commission (der japanische High Council des Weltraumprogramms) haben stellen wir bereits die nächsten vier Satelliten vor. Dabei ist die Tendenz zu erkennen, die Erdbeobachtung nicht nur auf Katastrophengebiete zu beschränken, sondern vor allem auch die „alltägliche“ Erde zu beobachten. Diese Art von Katastrophenschutz und Katastrophenreduzierung macht allerdings nicht nur die Jaxa allein. Auch andere Länder, Institutionen und Unternehmen werden hier aktiv. Letztes Jahr haben Privatleute das Data and Information Management System Forum (DIMS) gegründet, das an Strategien arbeitet, den Schaden im Katastrophenfall zu reduzieren. Darüber hinaus kann Japan in Asien prompt auf Katastrophen reagieren und Regierungen, den zuständigen Behörden und Institutionen verschiedene Vorschläge machen. Nicht nur den Weltraumbehörden, sondern bis hinauf zur Industrie, den Universitäten und Regierungen werden konkrete Herangehensweisen geliefert.
Wie war die internationale Zusammenarbeit im letzten Jahr?
DAICHI wurde im Rahmen des SENTINEL ASIA Katastrophenschutzprogramms realisiert, welches Satellitendaten in einem Netzwerk zusammenschließt.
Es konzentriert sich vor allem auf Regionen in Asien, die von Naturkatastrophen besonders betroffen sind und stellt Bilder und katastrophenbezogene Daten der Erdbeobachtungssatelliten im Internet zur freien Verfügung. Wir arbeiten vor allem mit APRSAF (Asian-Pacific Regional Space Agency Forum) und dem asiatischem Katastrophenschutzprogrammen zusammen. Letztes Jahr hatten wir zwei Konferenzen abgehalten, an dem 19 Länder teilgenommen haben und bei dem besprochen wurde, wie man Satellitendaten praktisch anwendet. Auch auf dem Gebiet der Weltraumwissenschaft haben wir internationale Projekte gefördert, und dieses Jahr wird das japanische Experimentiermodul zur ISS geliefert und unsere internationale Kooperation trägt endlich Früchte.
Welche Punkte wurden im letzten Jahr verbessert?
Tachikawa: Wir haben sechs Raketen erfolgreich gestartet, so dass wir schließlich vor dem Problem standen, dass wir nicht mehr genügend Satelliten hatten. Das liegt daran, dass eine Satellitenentwicklung viel Zeit beansprucht. Deswegen muss man mit der Entwicklung des nächsten Satelliten bereits beginnen, während der erste noch nicht gestartet ist. Wir versuchen nun die Entwicklungszeit zu senken.
Ein zweiter Verbesserungspunkt sind die reduzierten Startkosten für Satelliten. Ein Raketenstart kostet etwa 10 Milliarden Yen, die Entwicklung eines Satelliten viele Hundert Millionen Yen. Bei diesen Preisen sind uns natürlich finanzielle Grenzen gesetzt, egal wie viele Satelliten man starten möchte. Es muss also schon einen vernünftigen Grund für einen Start geben. Ich denke, wir sollten auf Grund der Erfahrung, die wir in 50 Jahren Weltraumforschung angesammelt haben, ein gewisses Kostenbewusstsein entwickeln.
Was für Missionen wird es nächstes Jahr geben?
Tachikawa: Japan hat zwei Raketenstarts geplant. Dieses Jahr steht ganz im Zeichen der Mondbeobachtung. Wir werden im Sommer den Mondorbiter Selene starten. Seit dem Apollo Programm ist das weltweit die größte und genaueste Mondbeobachtung. Amerika plant wieder ein bemanntes Mondprogramm, China und Indien setzen ebenfalls ihre Mondprogramme fort. Der Mond ist weltweit wieder ein Thema geworden. Der Mensch untersucht den Mond, um künftig vielleicht dort leben zu können. Vielleicht wird das 20 Jahre dauern, doch durch internationale Zusammenarbeit, glaube ich, dass es gelingen wird. Japan ist auch ein Mitglied dieses Vorhabens. Selene ist die erste Stufe unseres Programms.
Auf welches Gebiet möchten Sie sich als Präsident der JAXA dieses Jahr besonders konzentrieren?
Tachikawa: Da die Verlässlichkeitsrate unserer Entwicklung noch immer ein Problem darstellt, wollen wir darauf weiterhin unseren Schwerpunkt setzen. Außerdem werden wir der Grundlagen- und Materialforschung ein besonderes Augenmerk schenken. Die Herstellerfirmen von Weltraumgütern sind weltweit sehr begrenzt. Die japanischen Hersteller können uns leider nicht mit allen nötigen Gütern versorgen. Noch immer besteht das Problem, das wir benötigte Waren nicht rechtzeitig bekommen. Ich denke, an diesen Punkt sollten wir noch arbeiten. Außerdem wollen wir die Entwicklung von Robotern fortsetzen, die im Weltraum eine wichtige Rolle spielen. Japan ist in der Robotik führend, weswegen wir nun auch Roboter herstellen wollen, die den Mond oder Planeten untersuchen können. Letztes Jahr haben wir ein Roboterteam gegründet, von dem wir in diesem Jahr den Beginn der Entwicklungsarbeit erwarten.
Letztes Jahr haben wir auch ein Mond- und Planetenforschungsteam zusammengestellt. Dieses Team beschäftigt sich mit der Mondforschung und baut auch an dem Hayabusa-Nachfolger, der Asteroidensonde Hayabusa 2. Dieses Jahr wird die Arbeit daran beginnen.
Auf dem Gebiet der Luftfahrt ist unser nächstes Ziel, die Entwicklung eines leisen Überschallflugzeugs. Letztes Jahr haben wir dafür einen grundlegenden Plan vorgestellt, den wir dieses Jahr nun verwirklichen wollen und fangen nun mit Experimenten für die Entwicklung an. Dies geht jedoch ebenfalls nur durch internationale Zusammenarbeit. Japan wird innerhalb der Zusammenarbeit einen großen Beitrag zur Entwicklung des Überschallflugzeugs leisten.
Für Kinder spielt der Weltraum in ihrer Erziehung eine wichtige Rolle, wie sich im letzten Jahr bei verschiedenen Gelegenheiten bewiesen hat. Was haben Sie in diesem Bereich vor?
Tachikawa: Letztes Jahr wurde das Zentrum für Weltraumunterricht gegründet. Dort werden Kinder unterrichtet und Lehrer ausgebildet, die Unterricht über Weltraumthemen abhalten. Wir haben zwar eine Menge Unterrichtsmaterial vorbereitet, doch sind dem Grenzen gesetzt, weil man auch nicht alle interessierten Schüler innerhalb eines Jahres unterrichten kann. Deswegen müssen wir mehr Lehrer einstellen, die Interesse am Weltraum haben. Wir werden dazu dieses Jahr die Anzahl der Ausbildungsplätze für die Lehrkräfte erhöhen. Doch damit nicht nur dadurch mehr Weltraumfans entstehen, haben wir uns noch einige andere Sachen überlegt. Zum einen unterstützt die Jaxa die bestehende Jugendgruppe Weltraum und will mehr Leute für die landesweit 4000 Jugendliche umfassende Organisation gewinnen. Zweitens werden wir zwar keine direkten Aktionen starten, doch planen wir eine Art Weltraumfanclub für Menschen, die Interesse an unserer Arbeit haben, die wir dann mit Informationen versorgen können. Wir werden über das Internet die Informationen verbreiten und von Fall zu Fall auf Fragen Antwort geben können. Auf diese Art und Weise hoffen wir Fans zu gewinnen und Mitarbeiter für die Weltraumentwicklung zu gewinnen.
Seit einiger Zeit heißt es, dass das Interesse an den Naturwissenschaften zurückgeht, doch ich denke, dass es gut ist, wenn sich mehr Menschen damit beschäftigen. Wir werden den Fanclub dieses Jahr im Sommer starten und hoffen, dass sich viele dafür begeistern werden.
Was für eine Rolle strebt die Jaxa nun in der Welt an?
Tachikawa: Die Weltraumfahrt ist natürlich eine internationale Angelegenheit geworden. Angefangen bei der ISS bis hin zur Wissenschaft beruht viel auf internationaler Zusammenarbeit. Den Geist dieser Zusammenarbeit wollen wir erhalten und auch bei Mond- und Planetenmissionen die internationale Kooperation am Leben erhalten. Ich denke, wir sollten Japans starke Seiten einbringen und damit unseren Beitrag zur Welt leisten.
Außerdem wollen wir wissenschaftliche Anwendungen im großen Stil an die Gesellschaft zurückführen und fangen damit bei den Daten die Dichi für Sentinel Asia letztes Jahr gesammelt hat an. Das sollten wir wirklich nutzen. Natürlich treten immer wieder Naturkatastrophen auf, aber mit den Daten, die die Satelliten uns liefern, können wir angemessene Gegenmaßnahmen treffen und konkret handeln. Dabei spielen allerdings nicht nur japanische Satelliten eine Rolle, sondern wir sprechen auch Indien und Südkorea dabei an, die ihre Satellitendaten ebenfalls zur freien Verfügung stellen und mit diesen Partnern haben wir ein effektives Schutzprogramm auf die Beine gestellt.
Zukünftig wollen wir aber nicht nur im Katastrophenschutz eine zentrale Rolle spielen, sondern auch beim Bau von Überschallflugzeugen.
Wie denken Sie über die japanische Weltraumpolitik?
Tachikawa: Unter den fünf wichtigsten Ländern, die Weltraumprogramme betreiben, hat unser Land nicht unbedingt die klarste Linie, doch letztes Jahr wurde endlich auf Parlamentsebene ein Weltraumgesetz angesprochen, aus dem sich eine klarere Linie herauslesen lässt. Ich habe gehört, dass es in absehbarer Zeit verabschiedet werden soll und es bald schon eine klare staatliche Zielsetzung geben soll. Die Jaxa wird dann das ausführende Organ dieses Gesetzes werden. Ich hoffe, dass dieser Gesetzesantrag bald realisiert wird.
Welche Punkte wollen Sie in diesem Jahr noch umgestalten?
Tachikawa: Wir haben letztes Jahr einige Änderungen in der Jaxa erlebt, die nun noch gefestigt und in die Tat umgesetzt werden müssen. Vor allem müssen sich die Jaxa-Mitarbeiter über die Veränderungen bewusst werden. Ich sage nicht, dass früher alles schlecht war, aber wir sind in ein neues Zeitalter eingetreten und durch die neue finanzielle Lage können wir für eine Weile nicht mehr so rasant wachsen wie bisher, obwohl wir natürlich weiterhin ein allmähliches Wachstum haben werden. Deshalb müssen wir uns klar machen, wie wir das Weltraumprogramm fortsetzen wollen. Außerdem dürfen wir nicht nur entwickeln, sondern müssen die Technik auch verstärkt zur Anwendung bringen und es wird nötig sein, ein Bewusstsein für die wichtigen Dinge zu entwickeln. Das betrifft natürlich vor allem die Kosten. Ich denke, wir dürfen außerdem auch nicht vergessen, dass die Jaxa ein Forschungs- und Entwicklungsorgan ist. Die Forschung und Entwicklung (Research & Development, R&D) ist eine unserer Hauptaufgaben, die wir nach Möglichkeiten ausweiten sollten. Es bringt nichts, wenn wir da nicht weitere Erfolge erzielen. Deswegen müssen wir die Forschung auf jeden Fall weiter fortsetzen.
Ich möchte vor allem Gewicht auf die Grundlagenforschung legen. Das bringt zwar keine kurzfristigen Erfolge, aber langfristig gesehen sehr viel, wenn irgendwann Ergebnisse dabei herauskommen. Bei zivilen Projekten belaufen sich die Grundlagenforschungskosten auf etwa 5-10 Prozent. Ich möchte ebenfalls etwa 5 % in die Grundlagenforschung stecken. Weil die wirtschaftliche Lage sich momentan verschlechtert, ist auch die Tendenz zu erkennen, dass sich Investitionen für R&D verschlechtern. Als guter Wirtschaftler muss man auch neben den R&D Ausgaben immer die Gesellschaft im Auge haben. Wenn die Jaxa nun genügend Energie in die Entwicklung steckt, werden in der Zukunft bestimmt gute Ergebnisse zu sehen sein.
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