Die Initiative „One Earth Message“ möchte die Plutosonde New Horizons als Botschafter für Bild und Ton von der Erde nutzen, wenn die Sonde ihre Wissenschaftsmission beendet hat. Für die Projektväter ist ihre Idee mehr als lediglich eine weitere „Golden Record“.
Ein Beitrag von Roman van Genabith. Quelle: Fiat Physica, NASA, One Earth Message, Space.com.
Mit den beiden 1977 gestarteten legendären Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 gelangten erstmals Botschaften, die von der Menschheit berichteten, ins All. Die „Golden Records“ , Datenscheiben mit einer optimistisch geschätzten Haltbarkeit von 500 Millionen Jahren, zusammengestellt von einem Wissenschaftlerteam unter der Leitung des US-Astrophysikers und Exobiologen Carl Edward Sagan, beinhalteten einige Basisinformationen über das Leben auf der Erde und ihre Position in der Galaxis und sollten Zeugnis von de Menschheit ablegen, auch lange nach dem Ende ihrer Existenz.
Abgesehen von verschiedenen kritischen Positionen, die unter anderem eine verzerrte Darstellung der Menschheit konstatierten, bleibt die Idee einer Botschaft an Außerirdische mehr eine kühne Fiktion. Das zeigt sich auch an der Tatsache, dass die Science-Fiction-Schriftststeller Isaac Asimov, Arthur C. Clarke sowie Robert A. Heinlein als externe Berater in das Projektteam geholt wurden.
In jedem Fall aber muss eine Botschaft an hypothetische Außerirdische von extrem langer Haltbarkeit sein, was nur zu deutlich wird, betrachtet man die Zeitspanne, die Voyager 1 benötigt hat, um überhaupt bis an die Grenzen unseres Sonnensystems vorzustoßen, Raumfahrer.net berichtete.
Generell scheint der Ansatz zur Nutzung analog kodierter Datenträger plausibel, wenn die Absicht verfolgt wird, lange haltbare Botschaften durch das Vakuum zu transportieren. So gesehen wirkt die Idee von Golden-Record-Chefdesigner Jon Lomberg auf den ersten Blick mehr als infantile Spielerei mit einer Raumsonde am Ende ihrer Dienstzeit, doch die Fragestellung hinter der Initiative „One Earth Message“ geht tiefer.
Grüße von der Erde
Am 14. Juli 2015 passiert New Horizons Pluto. Der Vorbeiflug wird der Höhepunkt der langen Reise, bevor die Sonde auf ihrem weiteren Flug noch einen Blick auf ein Kuiper Belt Object (KBO) werfen soll, Raumfahrer.net berichtete.
Nachdem Ende der wissenschaftlichen Aktivitäten könnte die Sonde zum Botschafter werden. 150 MB beträgt die Größe des Datenpakets, das die Initiatoren von „One Earth Message“ an New Horizons übertragen möchten, portioniert in 100 Fotos und etwa eine Stunde Ton. Videos sind nicht darunter, sie würden zu viel Speicherplatz schlucken. „Wir schreiben einen Haiku, keinen Roman,“ verdeutlicht Lomberg.
Die digitale Speicherung an Bord der Sonde kann mangels entsprechender Datenträger nur im Massenspeicher des Bordrechners erfolgen, was eine dramatisch verkürzte Haltbarkeit der Botschaften im Vergleich zu den recht langlebigen Platten der Voyagersonden impliziert.
Im nicht flüchtigen Speicher der Sonde abgelegt übersteht das Datenpaket zwar das endgültige Herunterfahren des Bordrechners, wenn die Sonde keine Energie mehr bekommt, doch dürfte der Massenspeicher an Bord im Gewitter solarer und später kosmischer Strahlung die Ewigkeit zu etwaigen fernen Sternen fraglos nicht überstehen. Das aber betrübt Lomberg und seine Mitstreiter nicht, für sie ist das Vorhaben nicht nur auf hypothetische Außerirdische weit draußen im Raum gerichtet, sondern ebenso sehr eine soziologische Fragestellung an den „Inner Space“.
„Dies ist nicht bloß ein Fotowettbewerb,“ so Lomberg im Gespräch mit dem US-Raumfahrtportal Space.com. „Es ist eine Methode, um herauszufinden, was Menschen mitteilen wollen. Wir werden nie erfahren, ob ein mögliches außerirdisches Volk unsere Botschaften empfängt, aber wir wissen, was es für die Menschen, die sich daran beteiligt haben, bedeutet sie auszusenden.“ Mit der Behauptung, das erste durch die Allgemeinheit komponierte Datenkonvolut zu versenden, liegt Lomberg indes nur halb richtig.
Bereits im Jahre 2008 erfolgte eine Transmission in Richtung des Exoplaneten Gliese 581 C, einer Supererde mit etwa fünffachem Erddurchmesser im Orbit des Roten Zwergs Gliese 581, im Sternbild Waage gelegen und etwa 20,4 Lichtjahre von der Erde entfernt. Erste Einschätzungen schienen auf einen Orbit innerhalb der Habitablen Zone hinzudeuten.
Die „A Message from Earth-Initiative“ brachte über die ukrainische AT-70 RADAR- und Radioteleskopanordnung eine digitale Zeitkapsel mit 501 Botschaften auf den Weg, über die zuvor von Besuchern eines Social-Media-Profils der Initiatoren abgestimmt wurde.
In der digitalen Speicherung sieht Lomberg auch Vorteile. „So sind wir deutlich flexibler,“ führt er aus. „Wir können etwa die Inhalte modifizieren oder ergänzen, so lange New Horizons in Reichweite ist. So könnte zum Beispiel eine Weltkarte übertragen werden, auf der die Fotos und Töne geografisch getaggt wurden.“
Nicht nur die Inhalte stammen von Menschen aus der ganzen Welt, auch die Finanzierung. „One Earth Message“ wird als Crowdfundingprojekt auf der Plattform „Fiat Physica“ platziert, die speziell für das Funding wissenschaftlicher Projekte ins Leben gerufen wurde. Bis zum 9. Juni 2015 wurden allerdings erst rund 3%, 1.445 Dollar der benötigten 500.000 Dollar, zugesagt, die bis zum Plutovorbeiflug in gut einem Monat eingeworben werden sollen.
Die NASA erwägt das Projekt zuzulassen, ob es allerdings noch während der wissenschaftlichen Nutzung der Sonde zur Ausführung kommen wird, sofern das Spendenziel überhaupt erreicht wird, scheint indes fraglich.
Kontroverser Kontakt
Die Idee einer Botschaft an Außerirdische führte überdies zu einigen bemerkenswerten Reaktionen. Beim Jahrestreffen der „American Association for the Advancement of Science“ in San Jose war die Frage über Sinn oder Unsinn einer METI-Initiative (Message to extraterrestrial intelligence) als aktives Gegenstück zum lange bekannten SETI-Ansatz Gegenstand lebhafter Debatten.
So hatte kurz zuvor der US-Physiker und SF-Autor David Brin mit einigen Mitstreitern eine Petition gegen METI-Aktivitäten verfasst. Brin verweist auf die möglicherweise fatalen Folgen einer erfolgreichen Kontaktaufnahme zu einer außerirdischen Zivilisation und vergleicht sie mit den Auswirkungen der Kolonisierung Lateinamerikas durch die Europäer.
Als Argument wird das in diesem Zusammenhang stets bemühte Bild einer Zivilisation herangezogen, die unserer Entwicklung um Millionen Jahre voraus ist und im Falle einer angenommen feindlichen Gesinnung zur tödlichen Gefahr für die Menschheit würde, nachdem sie durch irdische Funksignale auf diese aufmerksam wird.
Diese Position trifft sicher auf die Zustimmung des britischen Physikers Stephen Hawking, der schon vor Jahren warnte, eine außerirdische Zivilisation, die auf die Erde aufmerksam würde, hätte wahrscheinlich keine freundlichen Absichten. Nach Hawkings Vermutung handele es sich bei Besuchern aus dem All um Wesen, die die Rohstoffe ihrer eigenen Welt bereits total ausgebeutet haben und sich in der Folge an anderen Planeten bedienen, eine Sichtweise, deren simplifizierender Charakter durchaus an Plots von Filmen wie Independence Day erinnert.
Neben Wissenschaftsgrößen wie Hawking zählen John Rummel, ehemaliger Direktor der Abteilung für Planetare Verteidigung der NASA, und Elon Musk, Chef des privaten Raumfahrtkonzerns SpaceX zu den METI-Gegnern.
Der Umstand, dass auch eine millionenjahre-fortschrittlichere Kultur sich zunächst über einige grundlegende Gesetze der Physik hinwegsetzen müsste, um das Leben auf der Erde angreifen zu können, bleibt in dieser Argumentation unberücksichtigt.
Gibt man der Überlegung destruktiv orientierter Außerirdischer eine theoretische Chance, kämen höchstens Kontakte zu Planeten in relativer kosmischer Nähe als potenzielle Gefahrenquellen in Betracht. So wäre das Ziel der ukrainischen „A Message from Earth“-Initiative, der Exoplanet Gliese 581 C, ein theoretischer Kandidat für einen unfreundlichen Besuch. Im Jahre 2029 erreicht das Signal den Planeten, falls es sich nicht vorher zu sehr abschwächt.
Die rund 20 Lichtjahre Distanz zu Gliese 581 C verschaffen der Menschheit allerdings noch eine Gnadenfrist bis zu einem möglichen Konterschlag der Außerirdischen. Selbst wenn eine unmittelbare Reaktion erfolgte, verblieben noch deutlich mehr als die 20 Jahre einer angenommenen Reise mit Lichtgeschwindigkeit, nämlich mehrere Jahrhunderte oder wahrscheinlicher Jahrtausende.
Doch auch dieser wage Anlass einer Besorgnis besteht inzwischen nicht mehr. Neuere Prognosen über Kreisbahn und Klima von Gliese 581 C eines deutschen Wissenschaftlerteams deuten darauf hin, dass die durchschnittlichen Temperaturen aufgrund der geringen Entfernung des Planeten zum Zentralstern von einem Vierzehntel AE für erdähnliches Leben vermutlich deutlich zu hoch liegen.
Unter den 501 Botschaften im Signal von „A Message from Earth“ finden sich neben persönlichen Motiven der Einsender vor allem Ansichten der Erde, herausragender Landmarken und von Menschen errichteter Bauwerke wie dem London Eye oder Edinburgh Castle, sowie Bilder von Personen der Zeitgeschichte wie Hillary Clinton oder Cheryl Cole.
„Ich weiß, dass viele dieser Botschaften eher naiven Charakters sind,“ erklärt Dr. Alexander Zaitsev, Initiator des Projekts. „Ich hoffe, wir erhalten durch dieses Vorhaben frische und kreative Perspektiven zu dieser Thematik. Mit diesem Vorsatz liegt er gar nicht weit von den Protagonisten hinter „One Earth Message“ entfernt.
Letztendlich scheinen die meisten Initiativen, Botschaften zu den Sternen zu senden, weniger vom Wunsch nach dem Kontakt zu Außerirdischen, als viel mehr vom Streben nach einem besseren Verständnis von Wünschen und Sehnsüchten der Menschen getrieben.
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