Der planetarische Nebel der Medusa

Astronomen haben mit dem Very Large Telescope der ESO in Chile die bisher detailgetreueste Aufnahme des Medusa-Nebels angefertigt, welche je von diesem planetarischen Nebel gewonnen wurde.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO, IAU, Sky&Telescope
Diese Karte zeigt das allgemein bekannte Sternbild Zwillinge (lateinischer Name „Gemini“) mit den meisten Sternen in dieser Himmelsregion, welche unter optimalen Beobachtungsbedingungen mit dem bloßen Auge sichtbar sind. Die Position des dort befindlichen Medusa-Nebels wurde mit einem roten Kreis markiert. Dieser große und zugleich wunderschöne planetarische Nebel ist leider zu lichtschwach, um ihn mit kleinen Teleskopen beobachten zu können. Seine feinen Strukturen können nur mit fotografischen Abbildungen enthüllt werden.
(Bild: ESO, IAU, Sky&Telescope)

Bei einem planetarischen Nebel handelt es sich um eine Ansammlung von Gas, welches einen relativ massearmen, sonnenähnlichen Stern, der sich in der letzten Phase seiner Entwicklung befindet, umgibt. Sobald ein Stern mit einer Masse von bis zu der achtfachen Sonnenmasse die Endphase seines Lebens erreicht stößt er seine äußeren Schichten ab und verliert dabei einen Großteil seiner ursprünglichen Masse. Das im Rahmen dieses Prozesses freigesetzte Gas verteilt sich anschließend in der Umgebung.

Eine starke, von dem heißen Kernbereich des ’sterbenden‘ Sterns ausgehende ultraviolette Strahlung bewirkt, dass die Atome des immer weiter nach außen driftenden Gases ihre Elektronen verlieren. Das auf diese Weise ionisierte Gas leuchtet dabei in charakteristischen Farben. Astronomen können die Strahlung dieses leuchtenden Gases mit entsprechenden Filtern isolieren und die lichtschwachen Nebel so vor dem Sternhintergrund deutlicher hervortreten lassen. Dabei dient insbesondere das Vorhandensein des grün leuchtenden zweifach ionisierten Sauerstoffs als Hilfsmittel, um planetarische Nebel ausfindig zu machen.

Die ausgestoßenen Gase eines planetarischen Nebels bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von einigen Dutzend Kilometern pro Sekunde von dessen Zentrum weg. Der Sternwind ebbt im Laufe der Zeit jedoch vollständig ab, so dass bei dem ionisierten Gas eine Rekombination einsetzt, wodurch es unsichtbar wird. Dies hat zur Folge, dass es sich bei planetarischen Nebel um – in astronomischen Maßstäben betrachtet – nur sehr kurzlebige Objekte handelt. Für die meisten planetarischen Nebel beträgt die Zeitspanne, welche zwischen Formation und Rekombination vergeht, lediglich ungefähr 10.000 Jahre. Die Prozesse, welche zu der Entstehung eines planetarischen Nebels führen, stellen zugleich die letzte Phase im Sterbeprozess eines sonnenähnlichen Sterns dar, bevor dieser sein Dasein letztlich als sogenannter Weißer Zwerg beendet.

Planetarische Nebel stellen für ambitionierte Astrofotografen ein immer wieder beliebtes Aufnahmemotiv dar. Die charakteristischen Farben der ionisierten Gase ermöglichen den Fotografen die Anfertigung von ästhetischen Bildern, in denen sich zugleich die teilweise bizarr anmutenden Formen dieser kosmischen Strukturen besonders gut erkennen lassen.

ESO, Digitized Sky Survey 2
Diese aus den Aufnahmen des Digitized Sky Survey 2 zusammengesetzte Weitwinkelaufnahme zeigt die Himmelsregion um den ausgedehnten, aber lichtschwachen Medusa-Nebel. Hier ist – neben vielen lichtschwachen Sternen – die volle Ausdehnung dieses planetarischen Nebels erkennbar. Im Hintergrund befinden sich zudem ein Vielzahl an weit entfernten Galaxien.
(Bild: ESO, Digitized Sky Survey 2)

Für die professionellen Astronomen sind planetarische Nebel dagegen besonders deshalb von Interesse, weil diese Strukturen eine entscheidende Rolle in der chemischen Evolution einer Galaxie spielen. Das von den Weißen Zwergsternen abgestoßene Material reichert die interstellare Materie, aus der sich letztendlich wieder neue Sterne bilden, mit schweren Elementen wie zum Beispiel Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Calcium an.

Der Medusa-Nebel
Im Bereich unserer Heimatgalaxie sind den Astronomen derzeit etwa 1.500 planetarische Nebel bekannt. Bei einem dieser Nebel handelt es sich um den rund 1.500 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernten, im Sternbild Zwillinge (lateinischer Name „Gemini“) gelegenen Medusa-Nebel, welcher auch unter den offiziellen Katalogbezeichnungen „Sharpless 2-274“, „Abell 21“ oder „PN A66 21“ aufgelistet ist. Er verfügt über eine Ausdehnung von etwa 5,8 x 4,5 Lichtjahren und erreicht am Nachthimmel der Erde somit eine Winkelausdehnung von etwa 12 Bogenminuten.

Trotz seiner Größe ist dieser Nebel jedoch extrem lichtschwach und somit nur sehr schwer zu beobachten. Dies ist auch der Grund dafür, dass dieses Objekt erst im Jahr 1955 unabhängig voneinander von den beiden US-amerikanischen Astronomen George O. Abell und Hugh M. Johnson entdeckt wurde.

Fast zwei Jahrzehnte lang haben Astronomen darüber spekuliert, ob es sich bei dem Medusa-Nebel eventuell um die Überreste einer Supernova-Explosion handeln könnte. Erst zu Beginn der 1970er Jahren waren sie aufgrund der fortschreitenden Beobachtungstechniken in der Lage, die Bewegung und andere Eigenschaften der Materie innerhalb der Gaswolke mit hoher Genauigkeit zu vermessen und dieses Objekt somit eindeutig als einen planetarischen Nebel zu identifizieren. So beträgt zum Beispiel die Expansionsgeschwindigkeit der Gase etwa 50 Kilometer pro Sekunde. Dies ist ein viel geringerer Wert als allgemein für einen Supernova-Überrest angenommen wird.

Namensgeber für diesen planetarischen Nebel war die Gorgone Medusa – eine Gestalt aus der griechischen Mythologie, auf deren Haupt sich statt Haaren Schlangen befanden. Diese Schlangen werden in dem Medusa-Nebel durch die sich windenden Filamente aus leuchtendem Gas dargestellt. Das rote Leuchten des Wasserstoffs und die leuchtschwächere grüne Emission des Sauerstoffgases fügen sich gut hinter dieser Gestalt ein, indem sie einen sichelförmig verlaufenden ‚Schatten‘ am Himmel bilden.

ESO
Dieses Foto zeigt den Medusa-Nebel in seiner vollen Pracht. Das Bild wurde mit dem FORS-Instrument am Very Large Telescope der ESO in den nordchilenischen Anden aufgenommen. Es handelt sich hierbei um das bisher detailgetreueste Foto dieses Nebels, welches je aufgenommen wurde. Als der Stern im Herzen dieses Nebels in seine letzte ‚Lebensphase‘ eintrat, hat er seine äußeren Schichten abgestoßen, aus denen sich letztendlich diese farbenfrohe Wolke formte. Das Foto lässt zudem erahnen, welches endgültige Schicksal unsere Sonne einmal ereilen wird, denn in rund sechs Milliarden Jahren wird sich auch das Zentralgestirn unseres Sonnensystems einmal zu einem solchen Objekt entwickeln.
(Bild: ESO)

In der letzten Daseinsphase von Sternen findet der erfolgende Auswurf von Materie häufig stoßweise statt, was – wie hier zu beobachten ist, ohne dabei gleich zu Stein zu erstarren – zu wahrlich faszinierenden Strukturen innerhalb des planetarischen Nebels führen kann.

Jetzt ist es Astronomen gelungen, die bisher detailgetreueste Aufnahme des Medusa-Nebels anzufertigen. Hierfür verwendeten sie den FOcal Reducer and low dispersion Spectrographen (kurz „FORS“), welcher an das Very Large Telescope (kurz „VLT“) am Paranal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in den nordchilenischen Anden angeschlossen ist.

Neben den rötlichen, grünlichen und bläulichen Gasfilamenten sind in dieser Aufnahme auch diverse Sterne erkennbar. Entgegen der ersten Erwartung handelt es sich bei dem hellen Stern im Zentrum des Fotos allerdings nicht um den zentrale Stern des Medusa-Nebels, sondern vielmehr um einen im Vordergrund befindlichen Stern namens TYC 776-1339-1. Der für das Leuchten des Nebels verantwortliche Stern ist ein leuchtschwächerer, ebenfalls bläulicher Stern, welcher sich außerhalb der Mitte des sichelförmigen Schattens im rechten Teil der Aufnahme befindet.

Das „Cosmic Gems“-Programm der ESO
Diese hier gezeigte und bereits am 20. Mai 2015 von der ESO veröffentlichte Aufnahme des Medusa-Nebels wurde im Rahmen des „Cosmic Gems“-Programms (übersetzt „kosmische Edelsteine“) der ESO erstellt. Dieses Programm nutzt hauptsächlich Beobachtungszeiten, während derer die Beobachtungsbedingungen nicht den strengen Ansprüchen einer wissenschaftlichen Arbeit genügen, um Aufnahmen von interessanten und zugleich faszinierenden Himmelsobjekten anzufertigen, welche anschließend in erster Linie für die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Die Bilddaten sind anschließend im wissenschaftlichen Archiv der ESO frei zugänglich und werden auch von professionellen Astronomen für ihre Arbeiten genutzt. Höher aufgelöste Versionen des Medusa-Nebels finden Sie auf dieser Internetseite der ESO.

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