Ein internationales Astronomenteam hat im Zentrum des planetarischen Nebels Fleming 1 zwei sich umkreisender Weißer Zwerge entdeckt. Diese Beobachtung bestätigt eine in der Fachwelt bereits seit längerem diskutierte Theorie über ein mit planetarischen Nebeln assoziiertes astronomisches Phänomen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.
Bei einem planetarischen Nebel handelt es sich um eine Hülle aus Gas und Plasma, welche einen sogenannten Weißen Zwerg – einen relativ massearmen, sonnenähnlichen Stern in der letzten Phase seiner Entwicklung – umgibt. Sobald ein Stern mit einer Masse von bis zu dem achtfachen Wert der Sonne die Endphase seines Lebens erreicht stößt er seine äußeren Schichten ab und verliert dabei einen Großteil seiner ursprünglichen Masse. Eine starke, von dem heißen Kernbereich des Sterns ausgehende Strahlung lässt diese nach außen driftende Hülle in der Folgezeit als planetarischen Nebel aufleuchten. Innerhalb unserer Galaxie sind derzeit etwa 1.500 planetarische Nebel bekannt. Ein besonders imposanter Vertreter dieser Klasse der astronomischen Objekte ist der etwa 7.800 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernte und im Sternbild Zentaur (lateinischer Name „Centaurus“) gelegene Nebel „Fleming 1“.
Dieser erst im Jahr 1910 von der US-amerikanischen Astronomin Williamina Fleming entdeckte planetarische Nebel weist zusätzlich noch zwei auffällige, symmetrisch verlaufende Jets mit geschwungenen, knotenartigen Strukturen auf, welche sich weit entfernt vom Zentrum des Nebels erstrecken. Lange Zeit bestand unter den Astronomen keine einheitliche Meinung darüber, wie sich derartig symmetrische Jets bilden können. Jetzt hat ein internationales Astronomenteam unter der Leitung von Henri Boffin von der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile neue Beobachtungsdaten von Fleming 1 ausgewertet. Für ihre Arbeit kombinierten die Astronomen kürzlich mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO angefertigte Aufnahmen von Fleming 1 mit bereits vorhandenen Computermodellen. Auf diese Weise konnte im Detail nachvollzogen werden, wie sich die teilweise geradezu bizarren Formen eines planetarischen Nebels bilden.
Zu diesem Zweck untersuchten die Astronomen das Licht, welches von dem im Zentrum des Nebels gelegenen Sterns ausgeht. Neben den Aufnahmen mit dem FORS-Instrument des VLT wurden dabei auch Spektren erstellt, mit denen weitere Daten über die Bewegung, die Temperatur und die chemische Zusammensetzung des Zentralobjektes gewonnen werden konnten. Hierbei stellte sich heraus, dass es sich bei dem Zentralstern von Fleming 1 sehr wahrscheinlich nicht nur um einen, sondern vielmehr gleich um zwei Weiße Zwerge handelt, welche einander innerhalb von 1,2 Tagen umkreisen. Laut den Untersuchungsergebnissen verfügen der Primär- und der Sekundärstern über 0,5 bis 0,86 Sonnenmassen beziehungsweise über 0,7 bis eine Sonnenmasse.
Aufgrund der über längere Zeiträume gemessenen Gesamthelligkeit des Systems können die Astronomen ausschließen, dass es sich bei einer der beiden Komponenten um einen „normaler“ Stern wie zum Beispiel unsere Sonne handelt. Ein normaler Stern würde von dem ihn begleitenden, deutlich heißeren Weißen Zwerg „aufgeheizt“ werden. Diese Temperaturveränderungen würden allerdings zu deutlich erkennbaren Helligkeitsschwankungen während des Umlaufs führen. Während des gegenseitigen Umlaufs der beiden Komponenten ändert sich die Gesamthelligkeit des Systems jedoch nur sehr geringfügig. Deshalb, so die Schlussfolgerung der Astronomen, muss es sich bei dem zentralen Sternpaar um zwei Weiße Zwerge handeln – eine sehr seltene und äußerst exotische Konstellation.
„Der Ursprung dieser ebenso wunderschönen wie komplexen Strukturen von Fleming 1 und anderer planetarischer Nebel wurde jahrzehntelang kontrovers diskutiert“, so Henri Boffin. „Die Astronomen hatten zwar schon zuvor Doppelsternsysteme als Verursacher ins Auge gefasst, aber bisher gingen wir immer davon aus, dass die beiden Komponenten sehr weit auseinander stehen und dementsprechend eine Umlaufdauer von mindestens zehn Jahren aufweisen müssen. Mit den Beobachtungsdaten von Fleming 1 und unseren Computermodellen konnten wir dieses ungewöhnliche System bis ins letzte Detail analysieren und dabei, wenn auch indirekt, mitten in das Herz des Nebels schauen. Dabei stellten wir fest, dass sich die beiden Sterne mehrere tausend Mal näher stehen als eigentlich erwartet.“
Während Sterne üblicherweise einfach nur die Form einer Kugel aufweisen, zeigen viele planetarische Nebel eine auffallend komplexe Struktur mit knotenartigen Verdickungen, Filamenten und dichten Materiejets, welche verschlungenen Mustern folgen. Einige der eindrucksvollsten planetarischen Nebel, so auch Fleming 1, zeigen dabei zudem punktsymmetrische Strukturen. Im Fall von Fleming 1 bildet das Material, von den Polen ausgehend, S-förmige Ausflüsse, welche sich über eine Distanz von rund neun Lichtjahren erstrecken.
Die hier kurz vorgestellte Studie führt zu dem Ergebnis, dass dieses Muster durch die gegenseitige Wechselwirkung der beiden Weißen Zwerge verursacht wird. „Durch die Simulation des Doppelsternsystems im Zentrum von Fleming 1 lässt sich die Entstehung der wirklich eindrucksvollen Strukturen des planetarischen Nebels ganz hervorragend beschreiben“, so Brent Miszalski, einer der an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler.
Die beiden Sterne im Zentrum von Fleming 1 sind demzufolge direkt für das Aussehen dieses Nebels verantwortlich. Als die beiden ursprünglich sonnenähnlichen Sterne sich der Endphase ihres Lebens näherten, begannen sie mit einem Ausdehnungsprozess. Dabei wurde der massereichere der beiden Sterne vorübergehend zu einem „stellaren Vampir“, welcher die Materie aus den äußersten Schichten des anderen Sterns aufsaugte. Dieses Material sammelte sich zunächst in einer sogenannten Akkretionsscheibe rund um den Vampir-Stern an. Bei ihrem weiteren gegenseitigen Umlauf kam es zu Wechselwirkungen der beiden Sterne mit der Scheibe, so dass diese begann, wie ein schief stehender Kreisel zu schwanken. Diese „Präzessionsbewegung“ beeinflusst dabei auch die Materie, welche von den beiden Polen der Scheibe in Form von Jets senkrecht zur Akkretionsscheibe nach außen getrieben wird.
Im Fall von Fleming 1, so die Schlussfolgerung der Astronomen, wurden die ersten Teile der Jets bereits vor etwa 16.000 Jahren erzeugt, welche sich in der Folgezeit mit einer Geschwindigkeit von rund 75 Kilometern pro Sekunde vom Zentrum des Nebels fortbewegten. Die gravitativen Wechselwirkungen zwischen den beiden Sternen und der Akkretionsscheibe hatten zur Folge, dass sich die beiden Jets dabei nicht in gerader Linie von den Polen der Scheibe fortbewegten, sondern vielmehr die heute zu beobachtende Gestalt eines Korkenziehers einnahmen.
Die neue Studie hat somit die bereits seit längerem diskutierte Theorie bestätigt, dass präzidierende Akkretionsscheiben in Doppelsternsystemen für die Entstehung symmetrischer Muster um planetarische Nebel wie Fleming 1 verantwortlich sind. Die detaillierten Aufnahmen des VLT haben außerdem zur Entdeckung eines stellenweise verdichteten Materierings im innersten Bereich des Nebels geführt. Vergleichbare Strukturen konnten zuvor bereits in der Umgebung von anderen Doppelsternsystemen beobachtet werden. Anscheinend, so die Annahme der Astronomen, sind solche Strukturen ein verräterisches Indiz für die Existenz eines Doppelstersystems innerhalb eines planetaren Nebels.
„Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass die Wechselwirkung zweier Sterne für die Form und vielleicht sogar für die Bildung planetarischer Nebel von großer Bedeutung sind“, so Henri Boffin. Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse von Boffin et al. wurden am 9. November 2012 unter dem Titel „An Interacting Binary System Powers Precessing Outflows of an Evolved Star“ in der Fachzeitschrift Science publiziert.
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