Die Raumsonde Venus Express

Hier erfahren Sie alle wichtigen Fakten über den Venus-Orbiter der ESA, Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit Mars Express sowie Informationen über die wissenschaftlichen Instrumente an Bord der Raumsonde.

Autor: Michael Stein.

Venus Express kurz vor dem Transport nach Baikonur. Gut sind hier die hellen Folienstreifen auf einem der beiden Solarpaneele zu sehen, die eine Überhitzung der Solarzellen verhindern sollen.
(Foto: ESA-S. CORVAJA)

Der neueste interplanetare Orbiter der ESA ist Teil einer Familie von Raumsonden, die außer Venus Express noch Mars Express und die Kometensonde Rosetta umfaßt. Diese drei “Familienmitglieder” zeichnen sich durch viele Gemeinsamkeiten aus (Rosetta ist allerdings deutlich größer als die die anderen beiden Sonden), was bei jeder einzelnen Mission Zeit (für Entwicklungen und Tests) sowie Kosten spart: immerhin vier von sechs wissenschaftlichen Instrumenten von Venus Express sind Reserve-Exemplare der beiden anderen Sonden, und bei den anderen beiden Instrumenten basieren zumindest Teile auf vorhandene Entwicklungen! Dieses Vorgehen, durch Verwendung möglichst vieler gemeinsamer Komponenten und Instrumente Kosten zu sparen, ist allerdings nur unter der Bedingung praktikabel, dass alle Missionen einer “Familie” innerhalb eines zeitlich relativ engen Rahmens realisiert werden, da die Raumfahrtindustrie nur so Kostenvorteile erzielen und an die ESA weitergeben kann.

Tatsächlich wirkt Venus Express auf den ersten Blick wie eine Kopie von Mars Express: Die äußeren Abmessungen der Raumsonde sind identisch (wenn man die unterschiedliche Ausdehnung der Solarpaneele vernachlässigt), und auch das Startgewicht der beiden Orbiter unterscheidet sich nur um einige Dutzend Kilogramm. Wenngleich die verwendete Technologie auch wirklich zu einem großen Teil bei beiden Sonden identisch ist, so mussten bei Venus Express doch einige Anpassungen vorgenommen werden, um den Orbiter an die deutlich anderen Umgebungsbedingungen im Umfeld der Venus anzupassen.

Der Aufbau des Orbiters
Venus Express besteht zunächst einmal aus einem etwa würfelförmigen Körper mit einer Kantenlänge von 1,50 × 1,80 × 1,40 Metern Länge. Diese Aluminiumbox entspricht in Dimension und Aufbau fast vollständig der von Mars Express und beinhaltet Treibstofftanks, Bordcomputer, die wissenschaftlichen Instrumente, Star Tracker und verschiedene andere Komponenten. Für die Energieversorgung aller Systeme sind zwei Solarpaneele zuständig, die dem Raumfahrzeug im entfalteten Zustand eine Spannweite von rund acht Metern verleihen. Ein besonderes Augenmerk musste bei der Konstruktion der Raumsonde auf die Temperaturkontrolle gelegt werden. Anders als bei Mars Express, wo es in erster Linie um die Aufrechterhaltung einer Mindesttemperatur im Inneren der Raumsonde geht, ist das Hauptproblem im Umfeld der Venus natürlich die Abführung der im Überfluß vorhandenen Wärme – immerhin ist die Energiedichte dort viermal so hoch wie beim Mars! Diese unterschiedlichen thermalen Bedingungen haben natürlich auch zu verschiedenen konstruktiven Lösungen geführt, wobei die offensichtlichste die unterschiedliche Erscheinung der beiden Raumsonden ist: Mars Express ist fast vollständig schwarz, um die spärlich vorhandene Sonnenenergie im Marsorbit so optimal wie möglich auszunutzen, während Venus Express mit Goldfolie überzogen ist, um der intensiven Sonneneinstrahlung im Venusorbit trotzen zu können.

Der mitgeführte Treibstoff macht mit 570 Kilogramm fast die Hälfte des Startgewichts in Höhe von 1.270 Kilogramm aus. Gegenüber Mars Express hat Venus Express rund 20 Prozent mehr Treibstoff an Bord, da zum Einschwenken in eine Venus-Umlaufbahn aufgrund der größeren Gravitationskräfte von Venus und Sonne eine stärkere Abbremsung erforderlich ist. Wie auch bei Mars Express werden solche wichtigen Manöver mit dem Haupttriebwerk der Sonde durchgeführt, das 400 Newton Schub entwickelt (um eine gebräuchlichere Maßeinheit zu verwenden: Dies entspricht etwa 850 PS!). Für kleinere Kurs- und Lagekorrekturen verfügt der Orbiter daneben über acht paarweise an den Ecken der Unterseite angebrachte Düsen, die jeweils 10 Newton Schub entwickeln.

Grafik des Orbiters mit den eingezeichneten wissenschaftlichen Instrumenten.
(Grafik: ESA)

Da im Venus-Orbit mehr als genug Sonnenenergie zur Verfügung steht konnte die Fläche der beiden Solarpaneele gegenüber Mars Express und Rosetta deutlich reduziert werden. Sie weisen zusammen eine Fläche von 5,7 Quadratmetern auf und sind mit Solarzellen auf Galliumarsenid-Basis bestückt, die sich durch einen hohen Wirkungsgrad (rund 20 Prozent) und eine hohe Hitzebeständigkeit auszeichnen. Um eine Überhitzung der Solarzellen zu vermeiden ist jedes Paneel mit Streifen von reflektierender Folie durchsetzt. Im Venus-Orbit werden die Solarpaneele der Raumsonde mindestens 1.100 Watt elektrischer Energie erzeugen, wobei die Ausrichtung nach der Sonne vollautomatisch mit Hilfe eines Sonnensensors erfolgt. Die von den Solarzellen erzeugte Energie wird in drei Lithium-Ionen-Batterien mit je 24 Ah Leistung gespeichert, um Verdeckungsphasen während des Venus-Umlaufs überbrücken zu können.

Da sowohl die Beobachtungsinstrumente wie auch die Kommunikationsantennen von Venus Express starr an der Raumsonde befestigt sind kommt der exakten Lageregelung eine große Bedeutung zu. Diese Aufgabe erledigt das so genannte Attitude and Orbit Control System (AOCS) mit Hilfe mehrerer Komponenten. Zum einen beinhaltet es zwei so genannte “Star Tracker”, die in einem Winkel von 30 Grad zueinander an der Raumsonde angebracht sind und automatisch durch die Erkennung von Sternenkonstellationen die Orientierung des Orbiters im Raum ermitteln können. Drei Laser-Gyroskope dienen der Kontrolle von Lageveränderungen, während drei Beschleunigungsmesser zur Messung von Geschwindigkeitsveränderungen von Venus Express dienen. Zu guter Letzt beinhaltet das AOCS noch den bereits erwähnten Sonnensensor, der aus pyramidenförmig montierten Solarzellen an der Außenseite des Orbiters besteht und Informationen über die Position der Sonne liefert.
In der Summe liefern diese Module dem AOCS die notwendigen Daten zur Positions- und Lageermittlung. Um Lageveränderungen der Raumsonde durchzuführen stehen vier Drallräder sowie die acht genannten Lagekontrolldüsen zur Verfügung – und natürlich das Haupttriebwerk, wenn es um größere Manöver geht.

Für die Zwischenspeicherung wissenschaftlicher Beobachtungsdaten wie auch von Telemetriedaten steht an Bord der Raumsonde ein 12 GBit umfassender Massenspeicher aus nicht-flüchtigem Speicher zur Verfügung. Wie die Daten von Venus Express zur Erde und von dort zum Raumfahrzeug geschickt werden können Sie in dem Artikel “Kommunikation mit der Erde” nachlesen.

Wissenschaftliche Instrumente des Orbiters
Wesentliches Erkenntnisziel der Venus Express-Mission ist natürlich das Sammeln von Informationen über die Zusammensetzung der dichten Venusatmosphäre und der in ihr ablaufenden Prozesse. Alle Instrumente des Orbiters haben die Vorgänge in der undurchdringlichen Lufthülle des Planeten und an ihren Rändern im Visier (und zusätzlich auch das so genannte VeRa-Experiment, bei dem Veränderungen von Funksignalen der Raumsonde beim Weg durch die Venusatmosphäre analysiert werden).

Das Planetary Fourier Spectrometer (PFS) ist auch bei Mars Express an Bord und wurde für Venus Express leicht modifiziert. Das Spektrometer untersucht die von den Teilchen in der Atmosphäre als Reaktion auf die Sonneneinstrahlung ausgesandte Infrarotstrahlung. Durch die Analyse dieser Emissionen ist es möglich, dreidimensionale Temperaturprofile der unteren Atmosphärenschichten bis in eine Höhe von 100 Kilometern zu erstellen. Des weiteren soll PFS Informationen über das Vorkommen verschiedener chemischer Elemente und so genannter Aerosole (gasförmige Mischungen verschiedener Elemente) in der Venusatmosphäre und Daten über globale Zirkulationsprozesse liefern.

ASPERA (= “Analyser of Space Plasmas and Energetic Neutral Atoms”) ist ein weiteres Instrument, mit dem die Wissenschaftler etwas über die Venusatmosphäre erfahren wollen. Wie auch beim Mars und anders als bei der Erdatmosphäre ist die Lufthülle der Venus nicht durch ein Magnetfeld vor dem so genannten “Sonnenwind” (einem von der Sonne ausgehenden Strom elektrisch geladener Teilchen) geschützt, der daher ungehindert auf die Lufthülle des Planeten einwirkt. ASPERA soll Informationen über die bei dieser permanenten “Kollision” stattfindenden Prozesse und die Folgen für die Venusatmosphäre liefern. Zu diesem Zweck wird das Vorhandensein von Ionen (elektrisch geladenen Atomen), Elektronen und elektrisch neutralen Atomen in den oberen Atmosphärenschichten messen, was Rückschlüsse auf die Anzahl der Wasserstoff- und Sauerstoffatome zulässt, die mit dem Sonnenwind wechselwirken. Auch die Regionen der Lufthülle, in denen es besonders intensiv zu solchen Wechselwirkungen zwischen Sonnenwind und Venusatmosphäre kommt, soll ASPERA entdecken. ASPERA ist im wesentlichen baugleich mit dem gleichnamigen Instrument an Bord von Mars Express und nur geringfügig an die anderen Bedingungen im Venusorbit angepasst worden.

Ebenfalls fast baugleich zu seinem Mars Express-Pendant ist SPICAV (= “Spectroscopy for Investigation of Characteristics of the Atmosphere of Venus”). Mit diesem Spektrometer soll das Vorhandensein verschiedener Elemente in der Atmosphäre nachgewiesen werden, indem reflektierte Sonnenstrahlung beziehungsweise durch die Atmosphäre durchgegangene Sonnenstrahlung in drei verschiedenen Wellenlängen (Ultraviolett und Infrarot) analysiert wird. Während der Ultraviolettsensor die Absorption des UV-Lichts durch das Ozon in der Venusatmosphäre registrieren kann, soll der Infrarotsensor des Instruments die Absorption der infraroten Strahlung durch den atmosphärischen Wasserdampf messen.

Das nächste Instrument zur Atmosphärenuntersuchung ist VIRTIS (= “Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer”). Dieses Spektrometer arbeitet in einem von der ultravioletten über das sichtbare Licht bis in die infrarote Strahlung reichenden Bereich und soll die verschiedenen Atmosphären- und Wolkenschichten untersuchen. Zudem ist eine Aufgabe von VIRTIS auch die Messung von Oberflächentemperaturen.

Zu guter Letzt ist natürlich noch die VMC (= “Venus Monitoring Camera”) zu nennen. Diese Weitwinkelkamera kann Aufnahmen des Planeten im ultravioletten und nahen infraroten Spektralbereich sowie im sichtbaren Licht anfertigen und soll natürlich auch bei der Entschlüsselung der in der extrem dichten Venusatmosphäre ablaufenden Prozesse helfen. Natürlich sind die von der VMC zu erwartenden Aufnahmen auch für die Öffentlichkeitsarbeit der ESA von hoher Bedeutung – ein Foto des Planeten ist dem interessierten Publikum unzweifelhaft leichter als ein UV-Spektrum zu vermitteln. Die Venus Express-Kamera basiert sowohl auf Entwicklungen, die für das Bildaufzeichnungssystem OSIRIS der Raumsonde Rosetta gemacht worden sind, wie auch auf Komponenten der Mars Express-Kamera HRSC.

Nur ein Instrument des Orbiters hat nicht nur die Atmosphäre zum Untersuchungsgegenstand: Das schlicht und einfach MAG (für “Magnetometer Instrument”) genannten Geräte soll die Stärke und Ausrichtung von Magnetfeldern im Venusumfeld messen. Doch da die rund um die Venus auftretenden Magnetfelder oft Ergebnis von Prozessen in der Atmosphäre sind, ist diese letztendlich doch auch für dieses Instrument interessant. Zur Gewinnung dreidimensionaler Daten der Magnetfelder sind zwei Sensoren vorhanden: Einer befindet sich im Inneren der Raumsonde, der andere ist am Ende eines ausfahrbaren, einen Meter langen Mastes angebracht. Auch dieses Instrument basiert auf einem ähnlichen Gegenstück an Bord der Kometensonde Rosetta.

Mehr über die wissenschaftlichen Ziele, die mit Hilfe der hier aufgeführten Instrumente erreicht werden sollen, können Sie in unserem Artikel “Forschungsziele der Mission” erfahren.

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