Ein Mond – zwei Meinungen?

Dass der kleine Eismond Enceladus geologisch aktiv ist, war vor noch nicht ganz fünf Jahren eine aufsehenerregende Überraschung. Besonders ein Gebiet in der Nähe des Südpols erregt seit 2005 die Aufmerksamkeit.

Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Eigene Recherchen.

Aus Rissen und Brüchen der Eiskruste, den auch optisch auffälligen Tiger Stripes, treten Wasserdampf und Eispartikel an die Oberfläche und werden hoch in den Raum um Enceladus empor geschleudert. Der Nachweis dieser Geysirtätigkeit hat seither Spekulationen um einen möglichen unterirdischen Ozean auf dem kleinen Trabanten angeregt. Seit einigen Wochen nun überschlagen sich die Ereignisse, gleich zwei umfangreiche Studien beschäftigen sich mit Enceladus und kommen vermeintlich zu gegensätzlichen Resultaten.
Stammen die spektakulär anzusehenden Wolken aus Wasserdampf und Eispartikelchen von flüssigem Wasser dicht unter der gefrorenen Oberfläche? Mit dieser faszinierenden Frage beschäftigen sich Postberg et al., die sich der Beantwortung der Frage mit Daten, die Cassini während eines direkten Durchflugs durch die Auswurfwolke sammelte, nähern. Schneider et al. treibt ebenfalls dieses Rätsel, ihre Erkenntnisse fußen auf erdgebundene Beobachtungen.

Trotz ihrer unterschiedlichen Herangehensweisen suchen doch beide Teams nach demselben Schlüsselelement im Wasser des Enceladus: Natrium.

Laboratory for Atmospheric & Space Physics, University of Colorado, Boulder, Colorado
Beobachtungsgeometrie und dazu korrespondierendes Spektrum der Natrium-D-Line von Enceladus und dem nahen E-Ring. Aufgenommen mit dem Keck-1-HIRES-Spektografen am 25.02.07. Enceladus’ Spektrum zeigt starke Absorptionslinien. Das Natrium macht sich wegen des Dopplereffekts bei anderen Wellenlängen bemerkbar
(Bild: Laboratory for Atmospheric & Space Physics, University of Colorado, Boulder, Colorado)

Von allen Eismonden, die in unserem Sonnensystem ihre Heimatplaneten umkreisen, ist der nur knapp 500 km große Enceladus der einzige, auf dem bislang geologische Aktivitäten detailliert nachvollzogen werden können. Genauer gesagt entlang der ca. 120 km langen Zone von Frakturlinien, deren Temperatur etwa 60° C höher als die ihrer unmittelbaren Umgebung liegt. Aus ihnen treten überschallschnell Wasserdampfwolken und Eis über mehrere Tausend Kilometer in den Raum empor.

Aus den Eispartikeln der Geysirwolken speist sich der E-Ring des Saturn, eine weitaus größere und lichtschwächere Struktur, als die wohlbekannten Hauptringe A und B des Planeten, während der Dampf einen Torus aus Atomen und Molekülen um den Planeten bildet.

Die Chemie des Auswurfmaterials ist nicht nur im Hinblick auf ihre Aussagekraft zur inneren Zusammensetzung des Mondes von enormem Interesse, es wird noch dadurch gesteigert, dass bei diesem speziellen Körper ein potentieller Fundort extraterrestrischen Lebens nicht ausgeschlossen werden kann.

Laboratory for Atmospheric & Space Physics, University of Colorado, Boulder, Colorado
Oben: Geometriemodell der Auswurfwolke aufgrund von Keck Beobachtungen
(Bild: Laboratory for Atmospheric & Space Physics, University of Colorado, Boulder, Colorado)

Zur Entwicklung von Leben braucht es nach heutigem Verständnis vor allem drei Dinge. Eine Energiequelle, womit Enceladus – zumindest in Teilen vor dem Hintergrund der an dem Mond wirkenden Gezeitenkräfte, die durch den variierenden gravitativen Einfluss des Saturn ausgelöst werden – dienen kann. Einen geeigneten Cocktail an chemischen Elementen, der ebenfalls vorhanden zu sein scheint, wenn es nach den schlüssigen Analysen der Auswurfgase von Waite et al. aus dem Jahre 2006 geht, sowie flüssiges Wasser.

Eine der drängendsten Fragen der aktuellen planetarischen Forschungsarbeit lautet also, ob Enceladus durch Hitzeentwicklung in der Lage ist, Teile seiner Eiskruste aufzuschmelzen.

Natrium ist aus zwei Gründen ein guter Indikator für das Vorhandensein flüssigen Wassers. Zunächst einmal ist es in diesem Medium hoch löslich. Jedes Wasser, welches langanhaltend Kontakt zu silikatischem Gesteinen aufweist, sollte, wie die Ozeane der Erde ebenfalls, reich mit Salzen angereichert sein. Zweitens streut Natrium in seiner atomaren Form das Sonnenlicht extrem effizient bei einer Wellenlänge von 589 Nanometern. Dasselbe Licht ist uns spätestens seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch die zumeist Straßenkreuzungen aufhellenden Natriumdampflampen im größerem Stile bekannt. Diese Eigenschaft macht das atomare Natrium relativ schnell und ohne erhöhten technischen Aufwand nachweisbar.

Die Gruppe um Schneider nutzte zur Detektierung der Natriumemissionen in den Gaswolken der Geysire und Saturns neutralem Torus Spektroskope an erdgebundenen Teleskopen und konnten auf diesem Wege kein Natrium nachweisen.

Dass Natriumemissionen spektroskopisch durchaus nachweisbar sind, zeigt sich anhand der Resultate, die im Auswurf des vulkanischen Io, oder in ultradünnen Atmosphären von Kometen bzw. dem Erdmond erzielt wurden. Sollte in Anbetracht dieser Ergebnisse Salzwasser auf dem Saturnmond vorhanden sein, (und sie schließen ein solches nicht explizit aus) existierte gleichzeitig auch ein hoch effizienter und unverstandener Mechanismus, der ein Entweichen des Natriums in den Weltraum verhindert.

Postberg et al. fokussierten indessen die Eiskörnchen der Auswurfwolke mit Hilfe des Cosmic Dust Analyzer der Cassini-Sonde, um ihre chemische Zusammensetzung zu identifizieren.

Grundsätzlich dominiert innerhalb dieser Körnchen das Wassereis, doch etwa 6% unter ihnen enthalten eine 1,5%-ige Lösung aus Natriumchlorid, Natriumcarbonat und Natriumbikarbonat (Backpulver), was nach allgemeiner Auffassung gut der erwarteten Zusammensetzung eines Enceladus-Ozeans entsprechen würde. Die Annahme liegt nahe, dass diese Partikel aus einem Flüssigkeitsreservoir direkt in der Auswurfwolke ausgefroren sind.

Doch wie sind die beiden Studien untereinander zu bewerten? Steht Schneiders Nichtnachweis in krassem Widerspruch zu Postbergs Resultaten?

NASA
Künstlerische Darstellung des Gebietes um die Tiger Stripes
(Bild: NASA)

Ich meine, die Frage lässt sich tatsächlich kurz beantworten. Und zwar mit einem Nein.

Unter der Annahme, dass die Eispartikel im Ring vaporisieren und ihre Atome im neutralen Torus des Saturn aufgehen, wird der Anteil an Natrium durch die natriumarmen Körnchen und das natriumfreie Gas unter die erdgebundene spektroskopische Nachweisgrenze gedrückt.

Die einfachste und möglicherweise auch wahrscheinlichste Interpretation bzw. Folgerung aus der Postberg-Veröffentlichung ist die direkte Ableitung der Auswurfwolken von flüssigem Salzwasser. Jedoch sind auch andere Szenarien durchaus vorstellbar. So könnte beispielsweise die Eruptionsquelle derzeit zu kalt sein, um über Wasser in flüssigem Zustand zu verfügen. Die natriumreichen Eiskörnchen würden in einem solchen Fall vielleicht ihren Ursprung in schon längst wieder gefrorenen Salztaschen innerhalb des Eispanzers haben. Ebenfalls ist die direkte Verbindung von möglicherweise flüssigem Wasser als Geysirquelle zu einem salzigen Ozean nicht nachgewiesen. Schneider und Kollegen weisen zu Recht auf die Möglichkeit hin, dass das Wasser ursprünglich salzarm war und nur durch begünstigte Evaporation leichtflüchtiger Bestandteile seine Salzkonzentration erhöhen hätte können. Auch wird das Salzwasser wohl nicht explosiv direkt in das Vakuum des Raums abgegeben, denn in einem solchen Fall wäre das Natrium mittransportiert worden und hätte leicht durch die erdgebundenen Studien nachgewiesen werden können. Stattdessen muss während des Entstehungsprozesses der Auswurfwolke noch unterhalb der Oberfläche ein Grossteil des Salzes zurückbleiben.

Von der Erde wissen wir um den Destillationsprozess vom Salz- zum Frischwasser, der unter der Voraussetzung, dass die Evaporation langsam unter Druckbedingungen in Kammern oder Taschen innerhalb von oberflächennahen Eisschichten stattfindet, ebenso auf Enceladus denkbar wäre. Die Geysirwolken könnten durch kleine Frakturen des die Salztaschen umgebenden Eises, die zur Oberfläche führen, gespeist werden.

Auch Postberg et al. unterstellen in ihrer Arbeit eine langsam ablaufende Wasserverdunstung, da anderenfalls ein rapider Verlust an latent vorhandener Wärme zu befürchten wäre, die das Wasser zu schnell gefrieren ließe.

In jedem Fall sind die salzigen Eiskörnchen das bislang stärkste Indiz für das aktuelle oberflächennahe Vorhandensein von flüssigem Wasser. Endgültige Klärung der aufgeworfenen Fragen werden wohl nur die Mitte kommenden Jahres geplanten erneuten nahen Vorbeiflüge der Sonde an Enceladus bringen.

Raumcon:

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