ENVISAT: Atmosphärenbeobachtung

Mit einem ganzen Bündel hochentwickelter Beobachtungsinstrumente untersucht ENVISAT die verschiedenen Schichten der Erdatmosphäre.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: ESA.

ENVISAT in Kammer für elektromagnetische Tests bei ESTEC.
(Bild: ESA)

Grundlagen der Fernbeobachtung
Alle Beobachtungsinstrumente an Bord von ENVISAT kann man zunächst einmal als Empfänger beschreiben, die von der Erde ausgehende Strahlung verschiedener Wellenlängen registrieren. Sie nutzen den Umstand aus, dass alle Objekte und Prozesse auf der Erde – und natürlich auch in der Erdatmosphäre – elektromagnetische Strahlung mit verschiedensten Wellenlängen und Frequenzen aussenden, absorbieren oder reflektieren. Bei diesem Vorgang werden der elektromagnetischen Strahlung „Fingerabdrücke“ in Form von spektralen Absorptions- oder Emissionslinien aufgeprägt, die für jedes Objekt und jeden Prozess charakteristisch sind. Ein Beispiel: Die Blätter von Pflanzen absorbieren („schlucken“) das gesamte sichtbare Licht mit Ausnahme des von uns als „grün“ bezeichneten Anteils – weshalb wir ihre Farbe als „grün“ wahrnehmen. Aus dem Absorptionsspektrum eines pflanzlichen Blattes lässt sich sogar erkennen, ob die Pflanze an Trockenheit leidet, da sich dann dieses Spektrum geringfügig verändert. Eine genauere Beschreibung der so genannten Spektralanalyse, mit der die spektralen „Fingerabdrücke“ registriert werden können, finden Sie in unserem Artikel zu diesem Thema.
 
Die meisten Instrumente an Bord von ENVISAT analysieren sichtbares Licht sowie das so genannte „Nahe Infrarot“ (der sich am roten Ende des sichtbaren Lichts anschließende Wellenbereich) und Mikrowellen. Die Messung der infraroten Strahlung erlaubt zum Beispiel Aussagen über die Temperatur der Erdoberfläche sowie von verschiedenen Schichten der Atmosphäre.
 
Die Beobachtungsinstrumente lassen sich in aktive und passive Instrumente unterteilen. Während die passiven Instrumente einfach die von der Erdoberfläche bzw. Atmosphäre kommende Strahlung registrieren, senden aktive Instrumente Strahlungspulse aus und registrieren anschließend die dadurch ausgelösten Reflektionen. ENVISAT hat Instrumente beider Typen an Bord.
 
Instrumente zur Atmosphärenbeobachtung
Vier der wissenschaftlichen Beobachtungsinstrumente an Bord von ENVISAT sind ausschließlich oder teilweise für die Beobachtung von Zuständen und Prozessen in unserer Atmosphäre verantwortlich.
Da ist zum einen MERIS („Medium Resolution Imaging Spectrometer“), mit dessen Hilfe unter anderem Daten über die Wolkenbildung und die Luftfeuchtigkeit der Atmosphäre gewonnen werden können. Auch das Ausmaß des von Wolken reflektierten Sonnenlichts im sichtbaren und infraroten Bereich des Wellenspektrums wird von MERIS bestimmt.
 
Das Instrument GOMOS („Global Ozone Monitoring by Occultation of Stars“) nutzt das Licht von über dem Horizont aufgehenden Sternen, um durch Analyse des Lichtspektrums nach dem Durchgang durch die Erdatmosphäre Aussagen über den Gehalt von Ozon und Wasserdampf treffen zu können. Diese Messungen sind in Höhenschichten von 20 bis 200 km möglich und erlauben in Zusammenarbeit mit anderen ENVISAT-Instrumenten dreidimensionale Abbildungen der Ozonschicht.
 
Der „Michelson Interferometer for Passive Atmospheric Sounding“ (MIPAS) arbeitet im infraroten Spektralbereich und ist in der Lage, verschiedenste Spurengase zu erkennen und unterscheiden. Diese Fähigkeit ermöglicht es, sowohl die Verteilung und Konzentration von Industrieabgasen wie auch von Treibhausgasen zu ermitteln. Die Informationen über chemische und physikalische Prozesse in der Stratosphäre sind auch für Prognosen über die zukünftige Entwicklung der Ozonschicht von Bedeutung.
 
Das vierte und letzte Instrument, welches die Atmosphäre als Untersuchungsgegenstand zum Ziel hat, ist das größtenteils in Deutschland entwickelte und gebaute SCIAMACHY („Scanning Imaging Absorption Spectrometer for Atmospheric Chartography„). Dieser leistungsfähige Atmosphären-Sensor nimmt Messungen sowohl in einem bis zu 960 km breiten Streifen direkt unter ENVISAT wie auch in Richtung des Horizonts vor. Die annährend simultane Kombinationen dieser Beobachtungsmodi ermöglicht es, im Zeitverlauf ein dreidimensionales Bild der Atmosphäre zu erstellen. Dabei kann SCIAMACHY in Höhenschichten von bis zu 100 km verschiedenste chemische Moleküle, Aerosole und Wolken registrieren. Dadurch soll das Wissen über Austauschprozesse zwischen den verschiedenen Atmosphärenschichten erweitert werden wie auch neue Daten über die Dotierung der einzelnen Atmosphärenschichten mit Spurengasen gewonnen werden. Auch die Auswirkung natürlicher Ereignisse auf die Atmosphäre (wie Vulkanausbrüche oder Veränderungen der Sonnenaktivität) können mit Hilfe dieses Instruments studiert werden.

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