Das Gemeinschaftsprojekt von NASA, ESA und der kanadischen Weltraumagentur war in den vergangenen Jahren zu einem Milliardengrab verkommen. Nun geht die Arbeit endlich vorwärts und der wissenschaftliche Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops nähert sich seiner Fertigstellung. Mit ihm sollen wissenschaftliche Entdeckungen von großer Tragweite ermöglicht werden – bis hin zu Spuren außerirdischen Lebens.
Ein Beitrag von Jonathan Hofinger. Quelle: NASA.
2014 war ein gutes Jahr für die Ingenieure und Techniker, die am James-Webb-Teleskop beteiligt sind. So konnte das wissenschaftliche Herz der Anlage fertig gestellt werden, das sogenannte ISIM (Integriertes Wissenschaftsmodul), in dem die vier Instrumente zur Bildaufnahme sowie einige Steuerungssubsysteme untergebracht sind. Anschließend wurde das Modul in der Vakuumkammer des Goddard Space Flight Center 116 Tage den extremen Bedingungen des Weltraums ausgesetzt, ohne Schäden davonzutragen. Im November wurde das zwei Tonnen schwere Bauteil dann dem sogenannten „Gravity sag test“ (Schwerkraft-Hängetest) unterzogen, bei dem die Struktur langsam um die eigene Achse gedreht wurde. Die beteiligten Ingenieure wollten herausfinden, wie sich die Ausrichtung der Instrumente bei unterschiedlichen Schwerkraftverhältnissen verändert. Mit den gemachten Lasermessungen können nun Rückschlüsse gezogen werden, wie die Anordnung der Instrumente in der Schwerelosigkeit sein wird. Damit gilt das wissenschaftliche Zentrum des Teleskops als fertiggestellt.
Doch auch bei anderen Teilen des Teleskops konnten nennenswerte Fortschritte erzielt werden. Inzwischen ist bei jeder Komponente das Critical Design Review, eine rigorose Prüfung der Pläne, abgeschlossen. Ebenfalls fertiggestellt wurde inzwischen die Software des Teleskops sowie im Dezember die erste Folie des fünflagigen Sonnenschilds. Diese Folien haben etwa die Größe eines Tennisfeldes und sollen das Teleskop von infraroter Strahlung der Sonne sowie der Erde abzuschirmen. Weiterhin wurden inzwischen alle 21 Spiegel des Teleskops fertiggestellt und angeliefert sowie ersten Tests unterzogen. Bereits getestet wurden zudem ein Modell der Hauptstruktur des Teleskops, an der die Spiegel und die wissenschaftlichen Instrumente befestigt sind. Dieses Modell enthält ebenfalls den Mechanismus für die Entfaltung des Hauptspiegels und des sekundären Spiegels, beides wurde im November erfolgreich getestet. Somit sind alle kritischen Komponenten, welche für das Teleskop komplett neu entwickelt werden mussten, mindestens in ersten Versionen getestet worden.
Auch im neuen Jahr soll es mit der Arbeit voran gehen. Im Sommer sollen alle Spiegel an die fertige Version der Hauptstruktur montiert werden. Dann wird das System nach Houston ins Johnson Space Center gebracht, wo es in einer der größten Vakuumkammern der Welt, „Chamber A“, den unwirtlichen Bedingungen des Weltraums ausgesetzt werden soll. Diese Kammer wurde unter anderem für bemannte und unbemannte Tests der Apollo-Raumkapsel eingesetzt. Damit sie den Anforderungen des James-Webb-Teleskops gerecht wird, wurde sie seit dem Sommer größeren Modifikationen unterzogen. Für dieses Jahr ebenfalls vorgesehen: die Anlieferung des kompletten Sonnenschildes.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist der wissenschaftliche Nachfolger des Hubble-Teleskops, dessen Mission spätestens 2025 enden wird. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von 20 Staaten, dabei wird das Projekt von der NASA koordiniert. Aufgabe der ESA sind unter anderem die Herstellung zweier wissenschaftlicher Instrumente (bereits abgeschlossen) sowie der Start des Teleskops an Bord einer Ariane 5 ECA (vorgesehen für 2018). Die Dimensionen des Teleskops sind gewaltig: Der Hauptspiegel hat einen Durchmesser von 6,5m und damit eine 6-fach größere Fläche als der Hauptspiegel von Hubble, damit erreicht das Teleskop auch die 2,5-fache Brennweite des Hubble-Teleskops. Der drachenförmige Sonnenschild hat die Abmessungen eines Tennisfeldes. Durch Einsatz von moderneren Materialien sowie geschickter Auswahl der Missionsparameter konnte man trotzdem die Masse im Vergleich zu Hubble etwa halbieren. Das Teleskop wurde nach dem NASA-Administrator James Webb benannt, unter dessen Leitung das Apollo-Programm entstand.
Das Projekt stand in der Vergangenheit wegen großer Verzögerungen und einer beispiellosen Kostenexplosion in der Kritik. Zu Beginn des Jahrtausends plante man den Start für vor 2010 und ging von Kosten von etwa 1,6 Milliarden US-Dollar aus, diese Kosten erhöhten sich Jahr für Jahr und gleichzeitig verschob sich der Start immer weiter. Seit 2011 gehen die Planungen von einem Start in 2018 sowie Kosten von 8,8 Milliarden Dollar aus. Aufgrund dieser Änderungen gab es im Kongress mehrfach Pläne, den Bau des Teleskops einzustellen. Ein weiterer Kritikpunkt am Teleskop ist, dass es einen immer größeren Teil des Astrophysik-Budgets der NASA verbraucht (derzeit die Hälfte), so dass andere wichtige Projekte nicht vorankommen, wie z.B. das Wide Field Infrared Survey Explorer, welches u. a. dunkle Energie erforschen soll und dessen Konstruktion daher erst für 2017 und später vorgesehen ist.
Warum wurde das Teleskop so teuer?
Als die Planung des Teleskops begonnen wurde, wurde die NASA von Daniel Goldin geleitet. Dieser verfolgte einen vollständig anderen Ansatz in der Entwicklung von Weltraumtechnologie als seine Vorgänger. Sein Credo war „schneller, besser, billiger“ – je schneller man entwickelt, desto billiger werden die Projekte. Während dieser Denkansatz im Silicon Valley bestens funktionierte, machte er der NASA Probleme. Zwar hatte das System mit der Marslandeeinheit „Mars Pathfinder“, dem zugehörigen Rover „Sojourner“ und der Mondmission „Lunar Prospector“ zunächst durchschlagenden Erfolg. Aus dieser Zeit stammte auch die erste Kostenschätzung des James-Webb-Teleskops, das mit diesem Ansatz natürlich viel weniger Tests zu absolvieren hätte und entsprechend billig werden würde. Doch der katastrophale Verlust des Wide Field Infrared Explorers sowie zweier Marsmissionen stellte diesen Ansatz in Frage, und so wurde er 2001 nach dem Ausscheiden von Goldin aus der NASA aufgegeben. Man kehrte nun wieder zu exzessivem Testen zurück, was die Kosten in die Höhe trieb, da viele Komponenten mehrfach gefertigt werden müssen, wie oben beschrieben. Doch damit nicht genug: Als das Teleskop die Konzeptphase verließ, wurden die Anforderungen der Wissenschaftler immer größer, und entsprechend höher wurde die Komplexität des Hubble-Nachfolgers. Dies erforderte natürlich weitere Instrumente an Bord und entsprechend höhere Kosten. Zudem litt das Programm in der Zeit bis 2011 an relativ schlechtem Management, doch inzwischen geht es recht gut voran.
Was sind die primären Ziele des James-Webb-Weltraumteleskops?
Das Webb hat vier primäre wissenschaftliche Ziele. Erstens soll die Zeit ab etwa 400 Millionen Jahren nach dem Urknall erforscht werden. In dieser Zeit bildeten sich erste Sterne und Galaxien, welche durch starke Strahlungsemissionen den zuvor gebildeten Wasserstoff wieder ionisierten, diese Zeit wird entsprechend Reionisierungsepoche genannt. Diese frühen Sterne kann man durch die Reionisierung indirekt beobachten. Webb soll unter anderem die folgenden Fragen beantworten: Wann und wie ist die Reionisierung geschehen? Was war für diesen Prozess verantwortlich?
Zweitens soll die Bildung von Galaxien allgemein beobachtet werden. Dieser Prozess fand schon in der Kindheit des Universums statt, und auch heute dauert er noch an. Doch trotz moderner Computersimulationen hat man diesen noch nicht ganz erklären können. Mit dem Webb-Teleskop sollen unter anderem folgende Fragen aus diesem Gebiet untersucht werden: Wie erhalten Galaxien ihre Form? Wie sind die chemischen Elemente in den Galaxien verteilt? Wie beeinflussen schwarze Löcher im Zentrum der Galaxien diese? Und was passiert, wenn eine große und eine kleine Galaxie zusammenstoßen?
Der dritte wissenschaftliche Eckpfeiler der Mission ist die Untersuchung der Sternentstehung. Zwar weiß man heute bereits viel über diese Prozesse, doch die Details, wie aus großen Staubwolken Sterne werden, liegen noch im Unklaren. Weiterhin soll untersucht werden, wieso Sterne häufig in Gruppen entstehen, oder wie genau sich Planetensysteme bilden. Damit solche Prozesse beobachtet werden können, muss man tief ins Innere der Sternwolken blicken können. Doch sichtbares Licht kommt durch diese gigantischen Nebelflecken nicht durch, einer der Gründe, wieso das James-Webb-Teleskop auf infrarotes Licht spezialisiert ist.
Der vierte und letzte wichtige Punkt im wissenschaftlichen Programm ist das Studium planetarer Systeme und der Ursprung von Leben. Mit den spektroskopischen Instrumenten an Bord kann das Teleskop Exoplaneten untersuchen, dabei sollen u.a. folgende Fragen beantwortet werden: Entstehen alle Planeten in Sonnensystemen oder gibt es Wanderplaneten, die außerhalb eines Sonnensystems entstehen und erst später zu einem stoßen? Wie entstehen eigentlich die Bahnen, auf denen sich die Planeten bewegen? Wie beeinflussen große Planeten andere kleinere Planeten? Auch über unser eigenes System sollen Informationen gewonnen werden, denn Webb ist stark genug, um kleine Kometen und andere Körper am Rande des Sonnensystems zu lokalisieren und zu untersuchen, welches Hinweise auf die Entstehung von Leben in unserem System bringen könnte, indem man diese Körper spektroskopisch auf organische Moleküle untersucht. Doch auch auf unsere äußeren Nachbarplaneten kann das Teleskop gerichtet werden, so wären u.a. neue Erkenntnisse über den Mars oder die Gasplaneten möglich. Schlussendlich könnte man sogar versuchen, direkt außerirdisches Leben zu beobachten, in dem man in spektroskopischen Analysen von Exoplaneten nach Zeichen von entwickelten Zivilisationen in der Atmosphäre sucht (z.B. durch erhöhte CO2-Anteile).
Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, müssen radikal neue Technologien angewendet werden. Doch auch die Konzeption des Weltraumteleskops folgt diesen Zielen. Die Konsequenzen daraus sind u.a. die Festlegung auf die Beobachtung des infraroten Spektrums sowie die Wahl der geplanten Position.
Warum Infrarot?
Die vier Instrumente des Webb können nur nahes und mittleres Infrarot detektieren, also Wellenlängen zwischen 0,8 und 30 Mikrometer. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Erstens kann Infrarot Staubwolken im All durchdringen und somit einen Blick ins Innere dieser hochinteressanten Gebiete erlauben. Weiterhin haben die für spektroskopische Untersuchungen besonders interessanten Moleküle, welche auf die Ursprünge von Leben hindeuten könnten, im Infrarotbereich besonders starke Spektrallinien. Zu diesen Molekülen gehört u.a. Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid oder Methan. Ein weiterer Grund für die Auswahl des Infrarotbereichs ergibt sich aus der Rotverschiebung. Da sich das Universum ausdehnt, bewegen sich die weit von uns entfernten (und somit besonders alten) Sterne und Galaxien besonders schnell von uns weg. Dadurch „verschiebt“ sich das von ihnen emittierte Licht in Richtung Rot, genauer gesagt erhöht sich durch die Ausdehnung der Raumzeit dessen Wellenlänge. Durch die Beobachtung infraroter Emissionen dieser Objekte wird also eigentlich das sichtbare Spektrum beobachtet. Würde man nur das sichtbare Spektrum aufnehmen, wären diese für Wissenschaftler besonders interessanten Objekte aufgrund der Rotverschiebung kaum sichtbar.
Das derzeit aktive Hubble-Teleskop dagegen nimmt im sichtbaren Spektrum auf. Auch dafür gibt es Gründe, welche ebenfalls in der wissenschaftlichen Zielsetzung zu finden sind. Doch die Öffentlichkeit muss bei dessen Nachfolger nicht auf die faszinierenden Bilder aus den Tiefen des Alls verzichten, an die man sich durch das Hubble-Teleskop gewöhnt hat. Die Bilder des JWST lassen sich vielmehr auf das sichtbare Spektrum abbilden, daher darf man sich auch hier auf faszinierende Fotos freuen.
Wofür ist der Hitzeschild nötig? Und warum L2?
Das James-Webb-Teleskop soll infrarotes Licht von weit entfernten und sehr lichtschwachen Objekten aufnehmen. Doch alle Objekte, inklusive Sonne, Erde und das Teleskop selbst emittieren Wärme in Form von infraroter Strahlung. Damit diese Strahlung nicht die Messungen der viel weniger hellen Objekte stört, müssen das Teleskop und seine Instrumente extrem kalt sein. Der Hitzeschild, welcher im ausgefalteten Zustand etwa so groß wie ein Tennisfeld ist und aus fünf Lagen Kaptonfolie besteht, schafft zwischen sonnenzu- und sonnenabgewandter Seite eine Temperaturdifferenz von 320°C. So kann das Teleskop in einer Temperatur von -233°C arbeiten. Doch einem Instrument, dem Mid Infrared Instrument (MIRI), reicht das noch nicht: Durch eine Heliumkühlung muss es auf -266°C abgekühlt werden.
Damit der Hitzeschild diese Arbeit vollbringen kann, muss das Licht von Sonne, Erde und Mond aus etwa der gleichen Richtung kommen. Die Antwort darauf ist der Lagrange-Punkt L2 des Sonne-Erde-Systems, also einem der Gleichgewichtspunkte. Der zweite Lagrange-Punkt liegt auf der Sonne-Erde-Halbgeraden und ist etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Normalerweise würden Körper mit einem größeren Bahnradius als die Erde auch eine größere Umlaufdauer haben. Es wirkt jedoch zusätzlich die Anziehungskraft der Erde, so dass sich im L2-Punkt eine Bahn ergibt, die die Umlaufdauer der Erde hat – somit „schwebt“ ein Körper in diesem Punkt von der Sonne betrachtet stets über der Erde, die Position kann also relativ leicht gehalten werden. Der zweite Vorteil ist, dass die Sonne immer im Schatten der Erde liegt – und mit dem Sonnenschild somit stets sowohl das Licht der Sonne wie auch das der Erde abgeblockt werden kann. Um zusätzlich die Einflüsse des Mondes zu verringern, wird das Webb-Teleskop auf einen sogenannten Halo-Orbit geschickt, dabei umkreist es den L2-Punkt mit einem Abstand von etwa 800.000 km. Es handelt sich hierbei nicht um einen Orbit im näheren Sinne, da der L2-Punkt natürlich keine eigene Masse hat und somit auch keine Anziehungskraft, dennoch kann diese Bahn mit relativ geringem Aufwand gehalten werden. Aus der Wahl der Position ergibt sich auch noch ein weiterer Vorteil gegenüber dem Hubble-Teleskop: Letzteres befindet sich in einer etwa 600 km hohen Erdumlaufbahn. Somit wird die Belichtungszeit auf 40 Minuten begrenzt, da das zu beobachtende Objekt dann hinter dem Horizont verschwindet. Das Webb-Teleskop hat keine derartige Beschränkung. Andererseits macht die größere Entfernung Versorgungsmissionen wie bei Hubble äußerst schwierig, doch die NASA gibt sich hier optimistisch: Passend zur Entwicklung der Orion-Raumkapsel wurde an das Teleskop ein Andockring angebracht.
Der Primärspiegel des Teleskops: Sechsfache Fläche, halbes Gewicht im Vergleich zu Hubble
Die Bildqualität eines jeden Teleskops steht und fällt mit der Qualität und der Größe des Hauptspiegels. Schon zu Beginn der Planungen stand fest: Er muss deutlich größer sein als der Spiegel von Hubble. Doch das führt zu einem Problem: Keine im Einsatz befindliche Rakete kann einen so großen Spiegel aufnehmen. Daher muss dieser zusammengefaltet werden. Diese Überlegung führte zu dem für das James-Webb-Teleskop verwendete Design von 18 kleineren sechseckigen Spiegeln. Das hat zwei große Vorteile: Erstens kann man einige Spiegelsegmente vor dem Start „wegfalten“ und im Weltraum erst ausklappen, zweitens kann man durch Bewegung einzelner Segmente den Fokus viel genauer einstellen als mit einem einzigen, unbeweglichen Spiegel. Die Ausrichtung der Spiegel muss auf Nanometer genau ausgeführt werden, was eine technische Meisterleistung darstellt. Insgesamt sieben Motoren auf der Rückseite jedes Spiegels werden vom Bordcomputer so genau gesteuert, dass man ein spezielles Mikroskop bräuchte, um die Veränderungen bei der Feinausrichtung zu sehen. Für diese werden Genauigkeiten von 10 nm benötigt. Zum Vergleich: 80g-Papier ist etwa 10.000-mal so dick. Bei den je sieben Motoren wird immer einer als zentraler Motor verwendet, welcher den Spiegel vor und zurück bewegen kann, sowie sechs Motoren, welche zusammen einen Hexapod bilden und somit Kippbewegung in alle Richtungen ermöglichen.
Auch bei den Materialien der Spiegel ging man neue Wege. Wurde bei Hubble noch ein Spiegel aus Glas überzogen mit Aluminium und einer Magnesiumflourid-Schutzschicht verwendet, entschied man sich beim Webb-Teleskop für Beryllium als Basismaterial sowie eine Goldbeschichtung. Beryllium ist ein sehr leichtes, gleichzeitig aber relativ festes Metall, besonders bei niedrigen Temperaturen und verformt sich auch bei Temperaturschwankungen kaum. Die Goldbeschichtung hat den Zweck, infrarotes Licht optimal zu reflektieren. Diese Eigenschaft von Gold ist der Grund, wieso es die für unsere Augen goldene Farbe erhält: Blaues Licht wird sehr schlecht reflektiert (nur etwa 10%), oranges, rotes und infrarotes Licht dagegen sehr gut. Im für die Instrumente des Teleskops relevanten Bereich von 800nm bis 30µm wird daher mindestens 96% des einfallenden Lichts reflektiert. Die Goldbeschichtung ist 100 Nanometer dick, etwa ein Tausendstel der Dicke eines menschlichen Haares. Somit werden gerade mal 48g Gold verwendet. Die dritte Beschichtungsschicht, die das Gold schützen soll, ist wiederum amorphes Siliciumdioxid, also Quarzglas. Trotz dieser feinen Struktur können Mikrometeoriten den Spiegeln nichts anhaben, dies wurde bereits getestet. Diese Eigenschaften ermöglichen dem primären Spiegel eine Größe von 25m², gleichzeitig wiegt er – inklusive Stützstruktur – gerade mal 650kg.
Da die Spiegel eine der wichtigsten Funktionen des Teleskops erfüllen, muss ihre korrekte Funktion und Ausrichtung sichergestellt werden. Dafür wurde ein eigenes, höchst präzises Messinstrument entwickelt, genannt COCOA (Optisches Krümmungszentrums-Messgerät). Dieses soll, nachdem diesen Sommer die Hauptstruktur des Teleskops fertiggestellt und in der JSC-Vakuumkammer installiert wurde, ebenfalls dort Platz finden und Unebenheiten wie Fehler in der motorgesteuerten Ausrichtung der Spiegelsegmente nachweisen. Wäre der Spiegel so groß wie die USA, könnte COCOA „Berge“ von einem Zentimeter Dicke finden, so genau ist das Instrument.
Gar nicht so weit weg: Spinoffs des Webb-Telekops
Einige technische Errungenschaften, die im Rahmen der Webb-Entwicklung gemacht wurden, bieten Anwendungsmöglichkeiten, von denen man auch auf der Erde profitieren wird. So enthält das COCOA-Gerät beispielsweise einen verbesserten Sensor zur Wellenfrontmessung, kann also Unebenheiten in Materialien sehr genau aufspüren. Dies könnte zur Verbesserung der Diagnose von Augenkrankheiten beitragen, so weist das Gerät eine hohe Geschwindigkeit auf und könnte das Auge in Sekunden viel genauer vermessen, als es heutige Geräte in Stunden erreichen. Diese Technologie resultierte in vier von der NASA angemeldeten Patenten. Weiterhin wurden für Webb besonders kältebeständige integrierte Schaltkreise entwickelt, die bei der letzten Versorgungsmission auch das Hubble-Teleskop spendiert bekam. Die für das Teleskop entwickelten Infrarot-Sensoren werden bereits erfolgreich in dutzenden Sternwarten auf der ganzen Welt eingesetzt.
Das Transformer-Teleskop
Wie schon erwähnt, ist das Teleskop viel zu riesig, um auch nur ansatzweise in einer der heutigen Raketen Platz zu finden. Deshalb wird das Teleskop zusammengefaltet, so dass es in die Nutzlastverkleidung einer Ariane 5 ECA passt. Auf dem Weg zu seinem Ziel, dem L2-Punkt, entfaltet sich es nun schrittweise: Nach sechs Tagen Flugzeit – hier ist das Teleskop bereits weiter von der Erde entfernt als der Mond, dessen Gravitation nun zum Abbremsen verwendet wird – öffnet sich zunächst der Sonnenschild und wird gespannt.
Fünf Tage später wird dann das Stativ des sekundären Spiegels aufgestellt. Da dieser etwa 10m vom primären Spiegel entfernt ist, kann auch er nicht in der angezielten Form an Bord der Rakete Platz finden. Daher ist das dem Sonnenschild gegenüberliegende Bein mit einem Gelenk in der Mitte sowie alle Beine mit Gelenken zur Bewegung in vertikaler Richtung versehen. Bei der Entfaltung des sekundären Spiegels wird nun das Bein durch einen Motor gespannt und das Stativ klappt auf. Nun öffnet sich der primäre Spiegel, dabei drehen sich die beiden Flügel der Struktur des Spiegels, auf denen je drei Segmente montiert sind, um 90 Grad, so dass der Spiegel – und das gesamte Teleskop – nun einsatzbereit ihren Weg zum Zielpunkt fortsetzen. Dieser soll hoffentlich im Dezember 2018 nach fast zwei Jahrzehnten Bauzeit erreicht werden. Die Erwartungen an das Teleskop sind riesig, daher darf bei diesem Öffnungsprozess nichts schief gehen. Wenn alles klappt, darf man sich auf genau so spektakuläre Entdeckungen freuen, wie das Hubble-Teleskop sie ermöglicht hat.
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- Warten auf das James Webb Telescope (11. Juni 2011)
- James Webb Teleskop schreitet voran (17. November 2004)
Weblinks:
- Website des James-Webb-Teleskop (englisch)
- Dokument der NASA zu Spinoffs der JWST
- Video zum Entfalten des Teleskops
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