Hobbyastronom identifiziert Tarnkappensatellit

Wurde bei der Shuttle-Mission STS-38 im November 1990 von der Atlantis nur eine geheime Nutzlast ausgesetzt? Oder war der Start nur Tarnung für einen mit Stealth-Technik versehenen Tarnkappensatellit, der geostationäre Satelliten ausspähen sollte?

Ein Beitrag von Thomas Wehr. Quelle: Ted Molczan.

US Patent Office
Form eines Tarnkappen Satelliten
(Bild: US Patent Office)

Bei der Shuttle-Mission STS-38 im November 1990 wurde offiziellen Berichten zu Folge nur eine einzige Nutzlast ausgesetzt, ein von der amerikanischen Aufklärungsbehörde NRO betriebener Kommunikationssatellit, welcher für den geostationären Orbit bestimmt war. Seitdem sickerten Informationen durch, nach denen ein weiterer Satellit von der Atlantis ausgesetzt worden sein soll – ein mit Stealth-Technik versehener Tarnkappensatellit, der geostationäre Satelliten ausspähen soll.

Ted Molczan, Leiter einer international verteilten Amateur-Astronomengruppe, welche auch bei der geheimen OTV-1 Mission der US-amerikanischen Streitkräfte den Orbiter X-37B aufspürten, gelang es nun diesen „Herumtreiber“, englisch „Prowler“, genannten Satelliten zu identifizieren.

Ted Molczan berichtet in seiner 13-seitigen Veröffentlichung vom 21. Januar 2011, dass bereits 1998 von Amateurastronomen ein helles unbekanntes Objekt im geostationären Orbit (GEO) gefunden wurde. Der geostationäre Orbit kann in ca. 35786 km Höhe direkt über dem Äquator erreicht werden – dort ist die Winkelgeschwindigkeit der Satelliten gleich der der Erde – sie scheinen über einem Punkt der Erde stillzustehen. Optische und bahntechnische Charakteristik deutete auf einen Satelliten hin, worauf sie ihm die Bezeichnung 2000-653A/90007 gaben. Im Frühjahr 2010 haben unabhängige Satellitenbeobachtungsnetzwerke jeden einzelnen GEO-Sat, der gestartet wurde, aufgezeichnet. Selbst dabei wurde 2000-653A nicht identifiziert. Erst weitere Analysen der optischen und bahntechnischen Gegebenheiten sowie anderer relevanter Fakten deuten zwingend auf eine Übereinstimmung mit Prowler hin.

Doch wie kommt Ted Molczan zu diesem Schluss, dass das unbekannte GEO-Objekt 2000-652A/900007 Prowler der heimlich 1990 vom Space Shuttle gestartete Satellit Prowler sei? Molczan, der seinen Kollegen für die Unterstützung in Form von optischen Beobachtungen, Fall- und Helligkeitsanalysen an Satelliten der HS-376 Plattform dankt, erklärt die Identifikation wie folgt:Bis in die 1990er hinein war die US-Regierung die einzige Quelle für öffentliche Objektbahndaten. Ein Satellit, der sich, mit optischer Tarnvorrichtung ausgestattet, an russische GEO-Satelliten anschleichen und diese inspizieren sollte, konnte so ziemlich einfach durch den Start eines weiteren Militär-Satelliten vertuscht werden.

Eine Geheimmission von STS-38, mit der Veröffentlichung ein Militär-Satellit solle gestartet werden, war das richtige Szenario dafür. In diesem Zeitraum trat auch erstmals eine kleine Gruppe von Hobbyisten auf, die US Militär Satelliten beobachtete und zu verfolgen begann. So sichtete 1998 Ed Cannon, ein Mitglied der Gruppe aus Texas eine Serie von Blitzen, die von einem unbekannten Objekt im GEO stammten. Weitere Beobachtungen bestimmten dann die Parameter für Objekt 2000-653A, wie es 2000 benannt wurde.

Im Rahmen einer Nachrichtenmeldung wurde 2004 über ein umstrittenes US-Tarnkappensatellitenprogramm berichtet. STS-38 so die Meldung, hätte einen experimentellen, streng geheimen, Satelliten Namens „Prowler“ (Herumtreiber) gestartet und dieser wäre getarnt nahe an die Satelliten der Russen und eventuell anderer Nation manövriert worden. Unbeobachtet, da es noch keine unabhängigen Beobachtungsnetzwerke gab.

Um 2003 formierte sich die größte unabhängige Quelle für Orbitdaten, das unter russischer Führung stehende International Scientific Observation Network (ISON), so Molczan in seinem Report. ISON ist eine Kooperation, um Weltraumschrott im geostationären Orbit zu ermitteln und zu verfolgen. Die Daten der ISON werden seit 2005 auch im jährlichen Bericht der europäischen Weltraumbehörde ESA über Objekte im GEO, „Classification Of Geosynchronous Objects“, geführt.

Die Gruppe um Ted Molczan, die sich zuerst mit dem niedrigen Erdorbit (LEO – Low Earth Orbit bis 2000km) beschäftigte, weil dort die Objekte einfacher zu beobachten sind, dehnte ihre Tätigkeit gegen 2007 mit dem Erwerb von Teleskopkameras auch auf den GEO aus. Zusammen mit der ISON wurden so bis im Frühjahr 2009 mehr als 150 helle Objekte identifiziert, deren Bahnen nicht von der US-Regierung veröffentlicht wurden, aber in etwa der Anzahl der gestarteten US-Militärsatelliten und Raketenstufen, welche in geheime Orbits gestartet wurden, entsprachen.

Im Frühjahr 2010 konnten ESA/ISON und die Hobbyisten allen Objekten, abgesehen von neun, einen Start in den GEO zuweisen. Unter den letzten neun war auch Prowler, den Ted Molczan jetzt an Hand von optischen Untersuchungen identifizieren konnte. Dass es sich überhaupt um den STS-38 Start handeln müsse, wurde in Erwägung gezogen, als man die Objekte untersuchte, die dem STS-38 Start zugewiesen wurden.

COSPARSSNOfficial NameActual Identity
1990-097A20935STS-38STS-38
1990-097B20963USA 67SDS 2-2
1990-097C20964USA 67 R/B (1)SDS 2-2 PKM (Orbus 21S)
1990-097D20965USA 67 R/B (2)Prowler PKM (PAM-D)

So wurde Objekt 20965 mit USA 67 R/B (2) bezeichnet, wobei R/B für RocketBody – Raketenstufe steht. Demnach hätte USA 67, der offiziell unter Geheimhaltung gestartet Aufklärungssatellit, zwei Antriebsstufen haben müssen, wie zum Beispiel der 1985 gestartete Magnum (ein Vorgänger von NROL-32 – siehe hierzu den raumfahrer.net livecast).

Mittlerweile ist man sich darüber einig, dass der offiziell ausgesetzte Satellit USA 67 ein SDS2-2 sei, welcher mit einer Perigäum-Kick-Motor-Stufe, ein Aggregat, welches in der Erdnähe, dem Perigäum, Schub gibt, um die Erdferne zu erreichen, ausgerüstet sei. Im Apogäum, der Erdferne, wird der satelliteneigene Apogäumsmotor benutzt um die endgültige Umlaufbahn herzustellen. Ene zweite Antriebsstufe ist in dieser Konstellation nicht notwendig. Sie, so Molczan, wurde für Prowler genutzt – dies passt auch zu der Annahme Prowler wäre ein auf der Satellitenplattform HS-376 basierendes Modell. Satelliten dieser Plattform wurden häufiger vom Shuttle aus, mit dem PAM-D in die Übergangsumlaufbahn zum GEO gestartet.

Ob das Objekt 2000-653A wirklich Prowler ist, so Molczan, wird man mit Sicherheit erst dann sagen können, wenn der Schleier der Geheimhaltung gelüftet wird – oder jemand willens ist, das Geheimnis durch einen weiteren Satelliteninspektor zu offenbaren. Zur Zeit kann man jedoch nur weiterentwickelte foto-und spektrometrische Techniken heranziehen, um die weitere Übereinstimmung von 2000-653A und bekannten HS-376 Satelliten zu evaluieren.

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