Hybridraketentriebwerk VISERION erfolgreich getestet

Hybridraketentriebwerke können günstiger und sicherer als herkömmliche Raketenantriebe betrieben werden. Das neue Triebwerk VISERION ist nochmals effizienter als seine Vorgänger. Um umweltschonende und sichere Anwendung zu gewährleisten wird für Verbrennung Wasserstoffperoxid eingesetzt. Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Quelle: DLR.

Triebwerk VISERION.
(Bild: DLR)

Nach dem erfolgreichen Test des neuartigen Hybridraketentriebwerks “AHRES-B” im Frühjahr 2019 hat nun das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am 17. Juni und 7. Juli 2021 zwei weitere erfolgreiche Tests mit der deutlich größeren Variante VISERION durchgeführt. Die Versuchsvorbereitungen und die Inbetriebnahme erfolgten durch ein Team der Abteilung Raumfahrzeuge des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik am Prüfstand für Hybridraketentriebwerke am Standort Trauen.

Die Versuchsergebnisse der aktuellen Tests zeigen ganz klar: Das in den DLR-Projekten AHRES und ATEK entstandene und nun im DLR-Querschnittsprojekt Simulation Based Certification (SimBaCon) getestete Triebwerk VISERION ist weit effizienter als die bisherigen Hybridraketentriebwerke. Für die Forschenden des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik ein besonderer Grund zur Freude, denn Hybridraketentriebwerke sind nicht nur grundsätzlich günstiger und sicherer als herkömmliche Raketenantriebe, VISERION ist zudem deutlich effizienter als alle seine Vorgänger.

Test des Hybridraketentriebwerks VISERION in Trauen.
(Bild: DLR)

„Die aktuellen Tests haben gezeigt, dass die technologische Entwicklung von Hybridraketentriebwerken jetzt für den praktischen Einsatz weit genug fortgeschritten ist, beispielsweise für den Einsatz in Höhenforschungsraketen“, erläutert Dr.-Ing Thino Eggers, Leiter der Abteilung Raumfahrzeuge vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik.

Was sind Hybridraketentriebwerke?

Hybridraketentriebwerke sind Kombinationen aus Feststoff- und Flüssigtriebwerken und vereinen die besten Eigenschaften beider Triebwerkstypen. Der für die Verbrennung nötige flüssige Sauerstoff-Träger – in diesem Fall hochkonzentriertes Wasserstoffperoxid – und der feste Brennstoff HTPB (Hydroxyl-terminiertes Polybutadien) liegen in VISERION in verschiedenen Aggregatzuständen vor und reagieren erst bei hohen Temperaturen und Drücken in der Brennkammer miteinander.

Schema eines Hybridraketentriebwerks.
(Bild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0))

Die Vorteile: Dadurch besteht während der Lagerung und des Betriebs keine Explosionsgefahr. Darüber hinaus sind die verwendeten Stoffe ungiftig und nicht umweltgefährdend.

Kompakter, leichter und sicherer

Im Gegensatz zu anderen Oxidator-Brennstoff-Kombinationen von Hybridtriebwerken hat die Nutzung von Wasserstoffperoxid als Oxidator einige wesentliche Vorteile: Die Verwendung ermöglicht merklich kompaktere Triebwerke als beispielsweise bei Verwendung von flüssigem Sauerstoff. Der flache Verlauf des spezifischen Impulses erlaubt eine bessere Regelbarkeit und die einfache Zündung durch Katalyse erspart einen Zünder als zusätzliches Bauteil. Die deutlich niedrigere Brennkammertemperatur und die dadurch geringeren strukturellen Anforderungen bewirken ebenfalls eine Gewichtsersparnis der Thermalschutzsysteme. Weiterhin ist das hier verwendete Wasserstoffperoxid, zum Beispiel im Vergleich zu üblicherweise verwendetem flüssigem Sauerstoff, einfacher zu handhaben und zu lagern.

Bei den Testläufen an der Versuchsanlage am DLR-Standort Trauen gelangte das katalytisch zersetzte Wasserstoffperoxid mit etwa 650 Grad Celsius in die Brennkammer. Die freiwerdende Wärme wurde in Bewegungsenergie – in einen Schub von etwa 12.000 Newton – umgewandelt. Dabei nutzte VISERION den Brennstoff über eine Zeit von 27 Sekunden nahezu vollständig aus und erzielte, ähnlich wie AHRES-B, eine deutlich erhöhte Abbrandrate im Vergleich zu früheren Hybridraketentriebwerken.

Finnengeometrie – Die innere Geometrie des Brennstoffblocks in Form verwundener Finnen trägt sowohl zur Erhöhung der Abbrandrate als auch einer besseren Durchmischung in der Brennkammer bei.
(Bild: DLR)

Letztere ist wichtig für den Entwurf eines effizienten und kompakten Triebwerks und wurde auch bei VISERION durch eine innovative, verwundene “Finnengeometrie” realisiert.

Wegbereiter für effiziente und flexible Höhenforschungsraketen

Der für den Test genutzte Prüfstand in Trauen verfügt über zahlreiche moderne Mess- und Steuerungseinrichtungen und ermöglicht den sicheren Versuchsbetrieb von Hybridraketentriebwerken. Die Infrastruktur für den sicheren, umweltschonenden Umgang mit großen Mengen Wasserstoffperoxid ist deutschlandweit einzigartig.

„Der Funktionsnachweis ist ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zu einer flugfähigen Brennkammer in Leichtbauweise mit einer tragenden Struktur aus Kohlefaserverbundwerkstoffen (CFK). Die flugfähige Variante wird unter dem Namen VISERION+ weiterentwickelt und kann als Hybrid-Oberstufe für zukünftige Höhenforschungsexperimente dienen“, ergänzt Eggers.

Forschung zu Hybridraketentriebwerken im DLR

Die Entwicklung und die Betreuung der Fertigung des VISERION-Triebwerks wurden am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig durchgeführt. Die finanzielle Grundlage für den Bau von VISERION kam aus der Unterstützung der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen (NBank). Personell werden die Aktivitäten zu VISERION seit Januar 2021 auch durch das neu gegründete Kompetenzzentrum für Reaktionsschnelle Satellitenverbringung der DLR Sicherheitsforschung unterstützt, das ein besonderes Interesse an alternativen, einfach aufgebauten Oberstufen zur Beförderung von Satelliten hat.

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