Bereits seit mehreren Jahre ist bekannt, dass sich im Untergrund des Saturnmondes Enceladus ein ausgedehnter Ozean befindet, welcher die Quelle für einen dort erfolgenden Kryovulkanismus bildet. Jetzt haben Wissenschaftler Hinweise darauf gefunden, dass sich auf dem Grund dieses Ozeans auch hydrothermale Aktivitäten abspielen könnten. Im Rahmen dieser Prozesse müsste das Wasser auf dem Grund dieses Ozeans eine Temperatur von mindestens 90 Grad Celsius erreichen. Dies sind Bedingungen, welche in bestimmten Bereichen auch auf dem Grund der irdischen Ozeane auftreten.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Universität Heidelberg, JPL, University of Colorado at Boulder, Nature.
Bereits seit dem Sommer 2004 befindet sich die Raumsonde Cassini in einer Umlaufbahn um den Saturn und untersucht die Atmosphäre, das Ringsystem und die 62 bisher bekannten Monde dieses zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems mit 12 wissenschaftlichen Instrumenten. Dabei konnte während eines nahen Vorbeifluges an dem Mond Enceladus am 14. Juli 2005 zur Verwunderung der an dieser Mission beteiligten Wissenschaftler die Existenz einer extrem dünnen Atmosphäre um diesen Himmelskörper nachgewiesen werden. Mit einem mittleren Durchmesser von lediglich 504 Kilometern verfügt der sechstgrößte Mond des Saturn immerhin über eine viel zu geringe Masse, um die detektierten Gaspartikel über einen längeren Zeitraum in seinem Gravitationsfeld zu binden
Die Tatsache, dass die Dichte der beobachteten Atmosphäre mit zunehmender Höhe stark abnimmt, wurde als ein Indiz dafür interpretiert, dass eine Quelle direkt auf der Oberfläche des Eismondes für deren Existenz verantwortlich sein muss. Hierfür, so die Wissenschaftler im Jahr 2005, käme unter anderem ein geothermaler Hotspot in Frage, welcher durch vulkanische Aktivität gespeist wird. Aufgrund von Messdaten, welche mit verschiedenen Magnetometern, Spektrometern und einem Gerät zur Staubanalyse gewonnen werden konnten, wurde dieser Hotspot im Bereich der Südpolregion von Enceladus vermutet.
Am 27. November 2005 gelang den Wissenschaftlern der Cassini-Mission dann schließlich auch tatsächlich dessen direkter Nachweis. Auf den an diesem Tag im Gegenlicht angefertigten Enceladus-Aufnahmen der ISS-Kamera waren eine Vielzahl von feinen Jets erkennbar, welche von der Südpolregion ausgingen und die sich bis zu etwa 490 Kilometern über dessen Oberfläche erstreckten. Als Ausgangspunkt für diese feinen Strahlen aus Staubpartikeln, Wasserdampf und Eis konnten bei späteren dichten Vorbeiflügen an Enceladus vier nahezu parallel verlaufende Einschnitte in der Mondoberfläche ausgemacht werden, welche sich direkt über dem dortigen Südpol befinden (Raumfahrer.net berichtete). Die „Tigerstreifen“, so die Bezeichnung dieser Formationen, erstrecken sich über eine Länge von jeweils 130 Kilometern und erreichen eine Breite von bis zu zwei Kilometern. Diese von der Mondoberfläche ausgehenden Jets gelten als die hauptsächlichen Materiallieferanten für den E-Ring des Saturn.
Ungewissheit bestand jedoch zunächst darüber, woher das in diesen Jets enthaltene Wasser stammt. Manche Wissenschaftler favorisierten hierfür einen Zersetzungsprozess von gefrorenem Eis. Andere Forscher gingen dagegen davon aus, dass sich unter der Oberfläche des Mondes ein Ozean oder zumindestens ein ausgedehnter See aus flüssigem Wasser befinden muss. So zeigte eine im Jahr 2009 publizierte Studie der chemischen Zusammensetzung von Eispartikeln im E-Ring des Saturn, dass sich dort drei verschiedene Sorten von Eispartikeln befinden. Eine dieser Eissorten, vertreten mit einem Masseanteil von rund sechs Prozent, enthält verschiedene Salze, deren Menge und Zusammensetzung auf das Vorhandensein von einem Ozean zwischen der Eiskruste auf der Oberfläche von Enceladus und dessen felsigem Kern hindeutete. Mittlerweile gilt es als gesichert, dass sich unter der Oberfläche des Mondes Enceladus tatsächlich ein ausgedehnter Ozean erstreckt (Raumfahrer.net berichtete).
Ein Ozean unter der Oberfläche von Enceladus
Bei jedem dichten Vorbeiflug an einem der Monde des Saturn wird die Flugbahn der Raumsonde Cassini zwar minimal, aber doch deutlich messbar von der vorgesehenen Flugbahn abgelenkt. Diese Abweichung macht sich durch eine geringfügig veränderte Laufzeit der Radiosignale bemerkbar, welche Cassini während eines solchen Vorbeifluges konstant zur Erde aussendet. Durch die Auswertung dieser auf dem Doppler-Effekt basierenden Daten lässt sich nicht nur die Masse eines Mondes und die sich daraus ergebende mittlere Dichte näher bestimmen. Vielmehr können hierdurch auch Aussagen über den genauen inneren Aufbau des betreffenden Körpers getätigt werden.
Die Auswertung der Daten, welche bei drei dichten Enceladus-Vorbeiflügen bei Überflughöhen von weniger als 100 Kilometern in den Jahren 2010 und 2012 gewonnen wurden, haben erst kürzlich die bereits zuvor vermutete Existenz eines Ozeans unter der Oberfläche von Enceladus bestätigt. Dieser bis zu zehn Kilometer tiefe Ozean ist demzufolge unter einem 30 bis 40 Kilometer dicken Eispanzer verborgen und erstreckt sich vermutlich bis zum 50. Breitengrad unter der südlichen Hemisphäre von Enceladus – so die beteiligten Wissenschaftler in einer entsprechenden Publikation, welche am 4. April 2014 in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde.
Nach den Ergebnissen der Wissenschaftler müssen in der Eiskruste von Enceladus ‚Bruchlinien‘ existieren, in denen flüssiges Wasser aus diesem Ozean bis an die Oberfläche aufsteigen kann. Dieser Ozean ist demzufolge von einer Schicht aus ‚weichem‘ Wassereis überdeckt, welches sich – bedingt durch Konvektionsprozesse – bewegt. Diese Bewegungen haben auch Einflüsse über die darüber liegende Schicht aus tiefgefrorenem Eis, in der sich im Rahmen dieses Prozesses tiefe Risse und Spalten bilden.
Diese Spalten werden von dem Wasser aufgefüllt, welches auf diese Weise bis zur Oberfläche des Mondes vordringen kann. Aufgrund des Vakuums und der niedrigen Temperaturen, welche auf der Oberfläche von Enceladus herrschen, verwandelt sich das Wasser dort in eine Mischung aus Wasserdampf und feinsten Tröpfchen aus Salzwasser, welche letztendlich zu Eiskristallen erstarren und in Form von Jets in das Weltall entweichen. Die Partikel, die es schaffen, das Gravitationsfeld des Enceladus zu verlassen, bilden anschließend mit den beigemengten Staubpartikeln die primäre Quelle für den E-Ring des Saturn.
Hinweise auf eine hydrothermale Aktivität
Speziell diese Staubpartikel waren das Untersuchungsobjekt einer weiteren Studie, welche auf den Messergebnissen des Cosmic Dust Analyzer (kurz „CDA“) – einem der Instrumente von Cassini – basieren. Mit diesem Instrument gelang in der Vergangenheit mehrfach der Nachweis von extrem kleinen Gesteinspartikeln, welche im Bereich des E-Rings in derselben Entfernung wie der Mond Enceladus um den Saturn kreisen und deren Ursprungsregion sich somit auf diesem Mond befinden dürfte. In einem Ausschlussverfahren ermittelten die beteiligten Wissenschaftler, dass es sich bei diesen Partikeln um Siliziumdioxid-Körner handeln muss, welche auf der Erde in Sand und in dem Mineral Quarz vorkommen.
Zugleich lieferte die immer gleiche Größe dieser Staubkörner – der Durchmesser der von dem CDA detektierten Partikel reicht von lediglich vier bis hin zu 16 Nanometern – auch Hinweise auf den Prozess, welcher der Bildung dieser Körner zugrunde liegen könnte. Auf unserem Heimatplaneten bilden sich Siliziumdioxid-Körner dieser Größenordnung in der Regel im Rahmen einer hydrothermale Aktivität unter einer Reihe von bestimmten Bedingungen. Dabei muss leicht alkalisches Wasser mit einem nur mäßigem Salzgehalt, welches zugleich mit Siliziumdioxid übersättigt ist, einem großen Temperaturgefälle ausgesetzt sein.
„Wir haben methodisch nach anderen Erklärungen für die winzigen Siliziumdioxid-Körnchen gesucht, aber jedes neue Ergebnis war ein Hinweis auf einen einzigen, sehr wahrscheinlichen Ursprung“, erklärt Dr. Frank Postberg, einer der an den Untersuchungen beteiligten Wissenschaftler und Zweitautor der damit verbundenen und kürzlich veröffentlichten Publikation.
Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass sich die besagten Siliziumdioxid-Partikel sehr wahrscheinlich dann formen, wenn das ‚Meerwasser‘ von Enceladus in den Gesteinskern eindringt und anschließend mit gelösten Mineralen angereichertes heißes Wasser wieder aus dem felsigen Inneren des Mondes nach oben wandert und dort in Kontakt mit kälteren Wasserschichten gelangt. Für diese Wechselwirkungen, in deren Rahmen dann die winzigen Gesteinskörnchen entstehen, werden Temperaturen von mindestens 90 Grad Celsius benötigt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Bedingungen, welche auf unserem Heimatplaneten auch im Bereich der „Weißen“ beziehungsweise „Schwarzen Raucher“ auftreten und wo heißes Wasser aus dem Inneren auf das relativ kalte Wasser des Ozeanbodens trifft, auch auf dem Meeresboden von Enceladus vorherrschen.
„Es ist sehr aufregend, dass diese winzigen Gesteinskörner, die von Geysiren ins All gespuckt wurden, uns etwas über die Bedingungen auf und unter dem Meeresboden eines eisbedeckten Mondes erzählen können“, so Dr. Hsiang-Wen Hsu, der Erstautor der Studie von der University of Colorado in Boulder/Colorado. Die extrem geringe Größe der Siliziumdioxid-Partikel legt zudem nahe, dass diese relativ schnell von ihrem hydrothermalen Ursprung in Richtung Oberfläche und dort zu den Quellen der Geysire des Mondes ‚wandern‘. Die dabei zu überbrückende Distanz von etwa 50 Kilometern muss innerhalb von einigen Monaten bis einigen Jahren zurückgelegt werden. Andernfalls würden die Partikel deutlich größer werden.
Eine ‚habitable Zone‘ im Untergrund von Enceladus?
Spätestens seit dem erstmaligen Nachweis eines dort stattfindenden Kryovulkanismus hat der Saturnmond Enceladus auch das Interesse der Exobiologen erweckt.
Bisher ist immer noch unklar, wann genau und unter welchen dabei vorherrschenden Umweltbedingungen sich einstmals das Leben auf unserem Heimatplaneten entwickelt hat. Nicht wenige Wissenschaftler halten es jedoch für wahrscheinlich, dass das Leben auf der Erde vor Milliarden von Jahren im Bereich der hier in der Tiefsee befindlichen hydrothermalen Quellen ‚entstand‘ und von dort ausgehend in der Folgezeit den gesamten Planeten ‚eroberte‘. Das mögliche Auftreten einer hydrothermalen Aktivität auf dem Saturnmond Enceladus erhöht somit möglicherweise auch die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mond an manchen Stellen geeignete Umweltbedingungen für die Entstehung und Weiterentwicklung von dort lebenden Organismen bieten könnte.
„Diese Erkenntnisse erweitern die Möglichkeit, dass Enceladus, der einen unterirdischen Ozean beherbergt und zudem eine bemerkenswerte geologische Aktivität aufweist, über Umweltbedingungen verfügt, die für die Existenz von lebenden Organismen geeignet sind“, so John Grumsfield von der NASA. „Die Identifizierung von Orten, wo in unserem Sonnensystem Leben existieren könnte, bringt uns näher an die Beantwortung der Frage: Sind wir alleine im Universum.“
Die hier kurz angerissenen Forschungsergebnisse sind das Resultat einer umfangreichen vierjährigen Analyse von Daten der Raumsonde Cassini sowie von Computersimulationen und Laborexperimenten. Die aus diesen Arbeiten resultierende Studie wurde am 11. März 2015 von Dr. Hsiang-Wen Hsu et al. unter dem Titel „Ongoing hydrothermal activities within Enceladus“ in der Fachzeitschrift „Nature“ publiziert.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden (Raumfahrer.net berichtete).
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