Indien: Astrosat und AIS-Sats auf PSLV-C30 gestartet

Am 28. September 2015 brachte eine Trägerrakete vom Typ PSLV das indische Weltraumobservatorium Astrosat und 6 Satelliten zur Überwachung des Schiffsverkehrs von der Rampe Nummer 1 des Raumflugzentrums Satish Dhawan der indischen Weltraumforschungsorganisation (ISRO) auf der Insel Sriharikota an Indiens Südküste aus in den Weltraum.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: exactEarth, ISRO, IUCAA, LAPAN, Spire.

PSLV-C30 hat abgehoben
(Bild: ISRO)

Die erste Stufe der Rakete mit der missionsbezogenen Bezeichnung PSLV-C30 wurde von sechs zusätzlichen, seitlich angebrachten Boostern unterstützt, die Rakete flog in der sogenannten XL-Version. Letztere kam bereits beim Start der Mondsonde Chandrayaan 1 (PSLV-C11), des Kommunikationssatelliten GSAT 12 (PSLV-C17), des Radarsatelliten RISAT 1 (PSLV-C19), des Marsorbiters MOM alias Mangalyaan (PSLV-C25) und von Navigationssatelliten für das regionale indische Satellitennavigationssystem IRNSS zum Einsatz.

Der Flug des beim Start 44,4 Meter hohen, rund 320,2 Tonnen schweren Projektils PSLV-C30 mit Astrosat an der Spitze begann um 10:00 Uhr Ortszeit (IST) bzw. um 6:30 Uhr MESZ am 28. September 2015 am Schluss eines exakt 50 Stunden dauernden Countdowns.

Nach dem Aufbrauchen des festen Treibstoffes in den seitlich angebrachten Boostern vom Typ PS0M-XL und der ersten Stufe mit der Bezeichnung PS1, sowie der Zündung der zweiten, mit den flüssigen Treibstoffen UH25 (75% Unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH) + 25% Hydrazinhydrat) und N2O4 (Distickstofftetroxid) betriebenen Raketenstufe PS2 wurde die Nutzlastverkleidung abgeworfen.

Anschließend trat die dritte Stufe PS3 in Aktion, die festen Treibstoff verbrannte. In der vierten und letzten Raketenstufe PS4 wurden wieder flüssige Treibstoffe, hier MMH als Brennstoff und eine Mischung aus Stickstoffoxiden (MON-3) als Oxidator, verwendet. Nachdem die PS4 ihre Arbeit erledigt hatte, erfolgte nach einer kurzen rund 37 Sekunden dauernden Freiflugphase 32 Minuten und 22,92 Sekunden nach dem Abheben die Abtrennung des Astronomiesatelliten mit einer Startmasse von 1.513 Kilogramm (Masse unbetankt 1.470 Kilogramm).

PSLV-C30 has cleared the tower
(Bild: ISRO)

Nach dem Aussetzen von Astrosat lief an Bord des auf dem Bus IRS-1 basierenden Satelliten mit einem Grundkörper von 1,96 x 1,75 x 1,3 Metern eine automatische, vorprogrammierte Sequenz ab, an deren Ende die erfolgreiche Entfaltung der beiden Solarzellenausleger stand.

Den Einsatzbeginn der beiden zusammen maximal rund 2.100 Watt elektrischer Leistung bereitstellenden Solarzellenausleger konnte das Bahnverfolgungsnetzwerk mit der Bezeichnung ISRO Telemetry, Tracking and Command Network alias ISTRAC mit seinem Zentrum und Missionsbetriebskomplex (Mission Operations Complex, MOX) im indischen Bangalore, das den Satelliten jetzt überwacht und steuert, an Hand empfangener Telemetriedaten bestätigen.

Eine Speicherung elektrischer Energie an Bord von Astrosat ermöglichen zwei Lithium-Ionen-Akkumulatorensätze mit einer Kapazität von jeweils 36 Amperestunden.

Meilensteine des PSLV-C30-Flugs
(Bild: ISRO)

Der geplante Orbit wurde nach Angaben der ISRO mit großer Exaktheit erreicht. Astrosat gelangte auf eine Erdumlaufbahn mit einem Perigäum, dem der Erde nächstliegenden Bahnpunkt, von rund 644,6 Kilometern, und einem Apogäum, dem erdfernsten Bahnpunkt, von rund 651,5 Kilometern. Die Neigung der Bahn gegen den Erdäquator beträgt rund 6 Grad. Dabei ist ein direkter Kontakt des Astrosat-Kontrollzentrums mit dem Satelliten bei 10 von 14 Erdumrundungen pro Tag möglich.

In den kommenden Tagen will die ISRO Astrosat in die endgültige Betriebskonfiguration versetzen. Die wissenschaftliche Nutzlast muss vor Aufnahme des Forschungseinsatzes getestet und kalibriert werden. Geplant ist, dass 45 Tage nach dem Start das letzte der an Bord befindlichen Instrumente eingeschaltet wird.

Astrosat – künstlerische Darstellung
(Bild: ISRO)

Astrosat ist das erste dedizierte indische Weltraumobservatorium, das Wellen in mehreren unterschiedlichen Bandbereichen erfassen kann. Die Mission des Satelliten soll einen Beitrag zu einem genaueren Verständnis des Universums liefern.

Die fünf Instrumente mit einer Gesamtmasse von 868 Kilogramm an Bord von Astrosat sind für einen Einsatz im Bereich des sichtbaren Lichts, des Ultravioletten (UV) und in den Bereichen der weichen und der harten Röntgenstrahlung gedacht und können ihre Beobachtungen gleichzeitig vornehmen. Zur Speicherung gewonnener wissenschaftlicher Daten gibt es auf Astrosat eine 120 Gigabyte fassende Halbleiter-Speichereinheit. Befindet sich der Satellit im Empfangsbereich der Bodenstation, können Daten an das Kontrollzentrum übermittelt werden, von wo sie zur Bearbeitung, Archivierung und Weiterverarbeitung an das Indische Zentrum für wissenschaftliche Weltraumdaten (Indian Space Science Data Centre, ISSDC) in Byalalu transportiert werden.

Astrosat wird auf den Start vorbereitet
(Bild: ISRO)

An der Verwirklichung von Astrosat arbeite eine Vielzahl indischer Institutionen mit. Maßgebliche Beiträge kommen von der ISRO, dem Interuniversitären Zentrum für Astronomie und Astrophysik Pune (Inter University Centre for Astronomy and Astrophysics, IUCAA), dem Tata Institut für Grundlagenforschung aus Mumbai (Tata Institute of Fundamental Research, TIFR), dem Indischen Institut für Astrophysik Bangalore (Indian Institute of Astrophysics, IIA, auch IIAP) und dem Raman Forschungsinstitut Bangalore (Raman Research Institute, RRI).

Neben weiteren indischen Instituten sind am Astrosat-Projekt auch zwei Institutionen aus Großbritannien (University of Leicester, UoL) und Kanada (Canadian Space Agency, CSA) beteiligt.

Die Entwicklung des Satelliten begann im Jahre 2004. Seinerzeit dachte man noch an einen Start im Jahre 2007, was sich aber wegen zahlreicher Verzögerungen im indischen Raumfahrtprogramm nicht realisieren ließ.

Instrumenten-Einbauorte und UVIT
(Bild: ISRO)

Mindestens fünf Jahre soll sich Astrosat im Weltraum nun auf seinem annähernd äquatorialen Orbit betreiben lassen, seine Auslegung erfolgte entsprechend. Für Bahnerhalt und Korrekturmanöver führt der Satellit rund 43 Kilogramm Hydrazin mit, das in acht je elf Newton starken Einstofftriebwerken katalytisch zersetzt werden kann.

Neue Erkenntnisse erhofft man sich hinsichtlich energiereicher Prozesse in sogenannten Binärsystemen, die sich jeweils aus einem schwarzen Loch und einem Neutronenstern zusammensetzen. Man erwartet Informationen zu den Magnetfeldern von Neutronensternen. Regionen, in welchen neue Sterne entstehen, und hoch-energetische Vorgänge in Sternensystemen außerhalb unserer Galaxie möchte man beobachten. Kurzlebige helle Röntgenquellen will man erfassen. Bestimmte Bereiche des Universums sollen im UV und im Bereich der harten Röntgenstrahlung durchmustert werden.

CZTI – künstlerische Darstellung
(Bild: ISRO)

Das bildgebende Doppel-Teleskop mit der Bezeichnung UVIT für Ultraviolet Imaging Telescope von IIA, IUCAA, ISRO und CSA kann neben Beobachtungsaufgaben im nahen UV (NUV, 200 bis 300 Nanometer (nm)) und fernen UV (FUV, 130 bis 180 nm), auch solche im Bereich des sichtbaren Lichts (VIS, 320 bis 550 nm) erfüllen.

Der LAXPC für Large Area X-ray Proportional Counter genannte Röntgendetektor von TIFR und RRI ist dafür gedacht, Variationen in den Ausstrahlung von Röntgenquellen wie Binärsystemen und aktiver Zentren von Galaxien bei Energien zwischen 3 und 80 Kiloelektronenvolt (keV) aufzuzeichnen. Die wirksame Detektorfläche beträgt 8.000 Quadratzentimeter (zwischen 5 und 20 KeV). Die Detektorfläche insgesamt liegt bei 10.800 Quadratzentimeter.

die Bestandteile des Soft X-ray Telescope (SXT)
(Bild: ISRO

Ein Teleskop für weiche Röntgenstrahlung namens Soft X-ray Telescope (SXT) von TIFR, UoL und ISRO ist der Untersuchung des variablen Röntgenspektrums von fernen Quellen bei Energien zwischen 0,3 und 8 keV gewidmet. Seine wirksame Detektorfläche liegt im Bereich von 128 Quadratzentimetern (bei 1,5 keV) bzw. von 22 Quadratzentimetern (bei 6 keV).

Ebenfalls im Bereich der Röntgenstrahlung kann das Instrument Cadmium Zinc Telluride Imager, abgekürzt CZTI, von TIFR, IUCAA und ISRO arbeiten. Es ist für hochenergetische Röntgenstrahlung mit Energien zwischen 10 und 100 keV empfindlich. Die wirksame Detektorfläche beträgt rund 480 Quadratzentimeter bei einer Gesamtfläche von 973 Quadratzentimetern.

Der Abtaster mit der Bezeichnung SMM für Scanning Sky Monitor vom ISRO-Satellitenzentrum (ISAC) und IUCAA soll helle, länger leuchtende Röntgenquellen in Binärsystemen und kurzzeitige Röntgenausbrüche beobachten. Seine drei Zähler für Energien zwischen 2,5 und 10 keV sind auf einer drehbaren Plattform montiert, die, in Rotation versetzt, es ermöglicht, alle im Sichtfeld des Abtasters liegenden Himmelsregionen einmal alle sechs Stunden anzupeilen.

Cubesat-Struktur (hier 2U-Variante)
(Bild: Spire)

Neben Astrosat gelangten beim Start der PSLV-C30 sechs Klein- und Kleinstsatelliten in den Weltraum.

Vier der Satelliten mit den Eigennamen Joel, Peter, Jeroen und Chris sind als Bestandteile einer Satellitenkonstellation mit der Bezeichnung Lemur-2 von Spire Global aus San Francisco in den USA gedacht, die ein System zur Überwachung des Schiffsverkehrs, AIS für Automatic Identification System genannt, unterstützen und Wetterdaten sammeln soll.

Die Lemur-2-Konstellation soll nach Plänen von Spire Global künftig zwischen 50 und 100 Erdtrabanten umfassen. Satelliten mit einer Nutzlast für das AIS erweitern das System um ein Weltraumsegment, das den Empfang von Positionsdaten von Wasserfahrzeugen auch außerhalb der Reichweite terrestrischer AIS-Stationen ermöglicht.

Auf Meereshöhe beträgt die Reichweite des AIS zwischen 50 und 100 Kilometern. Terrestrische AIS-Stationen gibt es in unterschiedlicher Dichte entlang der Küstenlinien, und zum Beispiel insbesondere im Bereich von Hafenanlagen und Meerengen. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit über 70.000 Wasserfahrzeuge mit AIS-Transmittern ausgestattet sind.

LAPAN-A 2 und Position auf der PS4 der PSLV
(Bild: LAPAN/ISRO)

Die vier AIS-Satelliten für Lemur-2 sind sämtlich 3U-Cubesats, haben eine Masse von jeweils rund vier Kilogramm und sind alle mit zwei unterschiedlichen Nutzlasten ausgestattet. SENSE heißen die AIS-Reciever an Bord, STRATOS die Systeme zur Analyse der Veränderungen von GPS-Signalen beim Gang durch die Erdatmosphäre zum Zwecke der Wettervorhersage.

Der AIS- und Erdbeobachtungssatellit LAPAN-A 2 alias LAPAN-ORARI aus Indonesien kommt entsprechend seines Namens vom Nationalen Institut für Aeronautik und Weltraum (Lembaga Penerbangan dan Antariksa Nasional), Jakarta. Er hat einen kastenförmigen Hauptkörper mit Seitenlängen im Bereich eines halben Meters.

LAPAN-A 2 wird von Mitgliedern des Kabinetts
Indonesiens inspiziert
(Bild: Sekretariat des Kabinetts der Republik Indonesien)

Kongsberg Seatex AS aus Trondheim in Norwegen entwickelte die AIS-Technik für LAPAN-A 2, sie ähnelt der an Bord von AISSat 1, der seit dem 12. Juli 2010 um die Erde kreist.

LAPAN-A 2 mit einer Masse von rund 68 Kilogramm wurde zusätzlich mit Kameras zur Erdbeobachtung und einer Amateurfunk-Nutzlast ausgestattet.

Das eine der beiden Kamerasysteme ermöglicht mit einer PAL-Videokamera die Abbildung 80 Kilometer breiter Flächen am Boden. Das zweite Kamerasystem, es ist experimenteller Natur und mit HDTV-Technik ausgerüstet, wurde auf eine Schwadbreite von 11 Kilometern und eine Auflösung von 6 Metern hin ausgelegt.

AIS-Komponenten an Bord von LAPAN-A 2
(Bild: LAPAN)

Die Amatuerfunknutzlast für die Amatuerradioorganisation Indonesiens (Organisasi Amatir Radio Indonesia, ORARI) ist mit Systemen zur automatisierten Weiterleitung von Datenpaketen (Automatic Packet Reporting System, APRS) und Sprachnachrichten ausgerüstet, deren Nutzen sich insbesondere bei der Bewältigung von Naturkatastrophen und anderen Unglücken zeigen soll.

Das APRS an Bord von LAPAN-A 2 verwendet die Frequenz 145,825 MHz. Der Sprechrepeater nutzt im Uplink eine Frequenz von 435,88 MHz, seine Sendungen erfolgen auf 145,88 MHz. Eine Telemetriebake funkt, soweit geplant, auf 437,425 MHz.

ExactView 9
(Bild: UTIAS)

ExactView 9 alias EV9, Masse rund 5,5 Kilogramm, wurde vom Institut für Luft- und Raumfahrtforschung der Unviversität Toronto (University Toronto Institute for Aerospace Studies, UTIAS) aus Kanada gebaut. exactEarth aus Cambridge, Ontario, Kanada, eine Tochter von der COM DEV International Ltd und der HISDESAT Servicios Estratégicos S.A., will ihn als Teil einer AIS-Konstellation einsetzen.

Der Kleinstsatellit mit einem würfelförmigen Hauptkörper – Kantenlänge ~ 20 Zentimeter – basiert auf einem universitätseigenen Satellitenbus und erhielt im Kontext mit dem Nanosatellitenstartprogramm der ISRO (Nanosatellite Launch Services, NLS) die Alternativbezeichnung NLS-14.

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