IRVE/SIAD/HIAD: Entfaltbare Luftwiderstandsbremsen

Zu Beginn des nächsten Jahres soll ein weiterentwickelter entfaltbarer Bremsschild erprobt werden. Dies sieht ein Vertrag zwischen ILC Dover und dem Jet Propulsion Laboratory der NASA vor.

Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: NASA, ILC Dover.

ILC Dover
SIAD bremst eine große Nutzlast aerodynamisch kurz vor einer Marslandung – Illustration (Bild: ILC Dover)

Derzeit sind entfaltbare Strukturen recht populär. Meist sieht man sie heute zur Vergrößerung des zur Verfügung stehenden Volumens bei Raumstationsmodulen oder einer Mondbasis. Sie können aber viel mehr. Seit vielen Jahren im Einsatz sind entfaltbare Abdeckungen, Antennen, Radiatoren, Solarzellenausleger oder Airbags. Letztere wurden bei den Landungen der Marsrover Spirit und Opportunity im Jahre 2004 auf dem Roten Planeten verwendet. ILC Dover kann also als erfahrener Partner angesehen werden.

In Zukunft will man weitaus größere Massen auf dem Mars landen, insbesondere dann, wenn man einen bemannten Flug ins Auge fasst. Die Rede ist von bis zu 40 Tonnen! Bisherige Bremsmanöver beim Eintritt in die Atmosphäre wurden durch starre Hitzeschilde und später durch Fallschirme eingeleitet bzw. fortgeführt. Mit entfaltbaren Hitzeschilden könnten aber viel größere Massen effektiv abgebremst werden. Fallschirme sind hingegen erst ab bestimmten Geschwindigkeiten verwendbar.

NASA
IRVE im Test – Illustration
(Bild: NASA)

Mit IRVE-2 (Inflatable Reentry Vehicle Experiment 2, dt. etwa Experiment mit entfaltbarem Wiedereintrittsfahrzeug) fand am 17. August 2009 der erste erfolgreiche Weltraumtest einer entfaltbaren Bremseinrichtung statt. Mit einer Black Brant IX wurde das Experiment auf eine Höhe von 211 Kilometern gebracht. Bei einem ballistischen Flug geschah der Wiedereintritt mit fünffacher Schallgeschwindigkeit (Mach 5). Der dreilagige Bremsschild hatte gepackt einen Durchmesser von 40 cm, entfaltet war er 3 Meter groß. Hersteller war ILC Dover.

Das aktuelle Projekt nennt sich Supersonic Inflatable Aerodynamic Decelerator (SIAD, dt. etwa entfaltbare aerodynamische Überschall-Bremseinrichtung), der Vertrag wurde am 21. Juli unterzeichnet. Der erste Test wird ein Ballonabwurf, bei dem zunächst hauptsächlich die mechanische Stabilität des Systems überprüft wird. Später soll auch SIAD ins All fliegen.

Die NASA geht mit ihren Forschungen schon einen Schritt weiter: Der Hypersonic Inflatable Aerodynamic Decelerator (HIAD) soll in den Bereich jenseits der fünffachen Schallgeschwindigkeit vorstoßen. Diesen nennt man auch Hyperschall. Berichtet wird darüber unter anderem im NASA-Vodcast „Edge“. HIAD wird speziell für Planeten und Monde mit dünner Atmosphäre geeignet sein. Man will das System modifiziert aber auch für die Rückführung von Materialien aus nahen Umlaufbahnen zur Erde einsetzen. Auf atmosphärenlosen Himmelskörpern hingegen ist man auch weiterhin auf Bremstriebwerke angewiesen, die ihre Verbrennungsabgase entgegen der Flugrichtung ausstoßen und damit den Flug verlangsamen.

Raumcon:

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