ISS beobachtet Schiffsverkehr

An Bord der Internationalen Raumstation (ISS) wird ein experimenteller Sensor für Schiffsbewegungen eingesetzt. Mittlerweile hat er bereits mehr als 60.000 mit entsprechenden Transpondern ausgestattete Fahrzeuge auf den Weltmeeren erfasst, meldete die europäische Raumfahrtagentur (ESA) am 8. Dezember 2010.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA. Vertont von Peter Rittinger.

Randolph Bresnik und die entfaltete AIS-Antenne am Modul Columbus
(Bild: NASA)
Randolph Bresnik und die entfaltete AIS-Antenne am Modul Columbus
(Bild: NASA)

Der Sensor ist im europäischen Modul Columbus montiert und seit dem 1. Juni 2010 in Betrieb. Er empfängt Signale von Transpondern des im VHF-Breich arbeitenden Automatischen Identifikationssystems (AIS). In nur vier Monaten kamen 30 Millionen einzelne Nachrichten von Transpondern an Bord von mehr als 60.000 verschiedenen Schiffen aller Klassen und Größen. Für Fahrzeuge über 300 Tonnen ist ein solcher Transponder vorgeschrieben. Bisher bedienen sich insbesondere Hafenbehörden und Küstenwachen des AIS, um den regionalen Schiffsverkehr zu überwachen und kontrollieren.

Das als NORAIS bezeichnete Instrument auf der ISS wurde von der norwegischen Verteidigungsforschungseinrichtung (FFI, Forsvarets forskningsinstitutt) in Zusammenarbeit mit Kongsberg Seatex, einem Spezialisten für Marineelektronik aus Norwegen, gebaut. Sein Einsatz folgt dem Trend, die ISS als Plattform zur Erdbeobachtung zu benutzen und wird von der ESA finanziert. Die ISS ist auf einer Bahn unterwegs, die sich hinsichtlich Bahnneigung und Flughöhe von denen der meisten anderen Erdbeobachtungssatelliten unterscheidet. Sie überfliegt regelmäßig Regionen der Erde, in denen über 95 Prozent der Weltbevölkerung lebt. Das macht sie als Träger von Instrumenten für ganz unterschiedliche Beobachtungsanwendungen interessant.

AIS-Empfangstechnik im Modul Columbus
(Bild: NASA)
AIS-Empfangstechnik im Modul Columbus
(Bild: NASA)

Vom Weltraum aus können einzelne Schiffe über weite Strecken verfolgt werden. Von der ISS aus konnte ein Schiff beispielsweise über vier Monate lang kontinuierlich beobachtet werden. Während es über den Westpazifik nach Argentinien, dann nach Europa und schließlich nach Afrika fuhr, erfasste es der Sensor an Bord der ISS abhängig vom Breitengrad zwischen zwei und sieben Mal täglich.

Auf Meereshöhe beträgt die Reichweite des AIS zwischen 50 und 100 Kilometern. Der Weg der Signale zur ISS kann abhängig vom horizontalen Abstand zwischen der Station und dem sendenden Schiff bis zu 2.000 Kilometer betragen. Deshalb wurde die Empfangstechnik des Sensors an Bord der ISS für eine besonders hohe Empfindlichkeit ausgelegt. Das “Sichtfeld” des Sensors hat rund 4.400 Kilometer Durchmesser. Am einfachsten zu erfassen sind Einzelfahrer weit draußen auf dem Ozean. Im dichten Verkehr, wie er beipielsweise im Ärmelkanal, in der Nordsee und in der Straße von Malakka herrscht, können sich die Signale von AIS-Transpondern überlagern, wodurch einzelne Schiffe aus dem All nicht erfasst werden können. Stationen entlang der Küsten können die Signale der einzelnen Verkehrsteilnehmer jedoch auflösen. Sie tun dies erfolgreich, weshalb einem integrierten globalen System zur Überwachung des Schiffsverkehrs keine prinzipiellen technischen Hürden entgegenstehen.

Das hochautomatisierte System an Bord der ISS wird wöchentlich mit neuen Instruktionen versorgt. Es erhält seine Befehle vom nationalen norwegischen Zentrum zur Unterstützung von Experimenten an Bord der ISS, das Teil eines ESA-weiten Netzwerkes ist. Die Ergebnisse des Testbetriebs will die ESA bei Bedarf der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) und der Internationalen Seeschiffahrts-Organisation (IMO) zur Verfügung stellen.

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