Die Traditionellen Buchempfehlungen… von Andreas Weise.
Ein Beitrag von Andreas Weise 1. Dezember 2022.
1. Dezember 2022 – Alle Jahre wieder. Man könnte meinen, es gäbe nichts Neues. Doch dem ist nicht so. Schließlich sollen es Bücher auch dieses Jahr sein. Sie sind nach der Meinung des Autors wertbeständig und fassen sich auch irgendwie anders an, als so manche digitale Alternative.
Der Büchermarkt für Raumfahrtbücher ist schier unendlich – wenn man sich auf die Suche begibt. Hier also die diesjährigen Empfehlungen, subjektiv vom Autor ausgewählt.
Das Sachbuch: „Ins All“ von Stephan Walker
Seit einiger Zeit auch in Deutsch auf dem Markt: Ein neues Gagarin-Buch mit dem Titel „Ins All“. Autor ist der Dokumentarfilmer und Journalist Stephen Walker. Dieser nutzte die Corona-Zeit 2020 und schrieb dieses 4 Centimeter starke Buch. Und wer auch für die altehrwürdige BBC tätig ist, der hat von vornherein einen Bonus. Also habe ich Raumfahrtfreunde gefragt, die sich mit der dort beschriebenen Materie auskennen. Kein Geringerer als Gerhard Kowalski, der der Gagarinbiograph im deutschsprachigen Raum ist, stellte uns die folgende Bucheinschätzung zur Verfügung.
„… Wenn ein so gestandener BBC-Autor und Dokumentarist wie Stephen Walker exakt 60 Jahre nach dem historischen Flug von Juri Gagarin eine Biografie des russischen Weltraum-Pioniers veröffentlich, dann sind natürlich die Erwartungen seiner Leser und vor allem der Fachwelt riesengroß. Denn dann muss man davon ausgehen, dass er in unserer heutigen medialen Zeit zumindest Neues, vielleicht Brandneues oder gar Sensationelles, aber auf jeden Fall auch Abschließendes zu dem Thema zu berichten hat. Doch dem ist leider nicht ganz so.
Walker brilliert zwar auf 469 Seiten des 574 Seiten langen Buches „Ins All“ – Die faszinierende Geschichte vom ersten Flug in den Weltraum mit einer akribischen, aufwändig recherchierten und höchst lesenswerten Darstellung des erbitterten Ringens der damaligen Sowjetunion und der USA um die Vorherrschaft dabei. Doch dann verliert er offenbar nach dessen Entscheidung zu Gunsten des Russen die vorher so ausgiebig praktizierte Lust am Detail. Damit lässt er seine Leser mit der Frage allein, wie denn Gagarins Geschichte nach dessen frühem Tod 1968 zu Ende gegangen ist. Denn dessen Heldentat war zu Sowjetzeiten von ideologischer Geheimniskrämerei und Lügen überschattet, die vielfach noch der Aufklärung, beziehungsweise Richtigstellung, bedürfen.
So wurde in Zeiten von Glasnost und Perestroika unter Michail Gorbatschow beispielsweise hoffnungsvoll damit begonnen, Licht in die bis heute ungeklärten Umstände des Absturzes des Kosmonauten und seines Fluglehrers zu bringen. Dabei hätte man sich sogar auf aufschlussreiche Erkennnisse einer 2011 enthüllten Spezialuntersuchung des KGB stützen und auch die Trümmer der Unglücksmaschine, die in einem immer noch im Zentralen Militärarchiv in Podolsk vor den Toren Moskaus in Fässern lagern, unter die Lupe nehmen können. Doch weder Boris Jelzin und schon gar nicht Wladimir Putin haben das zugelassen, so sehr sich selbst auch der berühmte Kosmonaut und erste Weltraumspaziergänger Alexej Leonow bei ihm darum bemühte. Aber vielleicht ist das ja schon das Thema einer neuen Arbeit von Stephen Walker.
Gerhard Kowalski“
Nach der Lektüre des Werkes stimme ich Kowalski zu. Es liest sich sehr unterhaltsam, obwohl dann zum Schluss irgendwie „die Luft raus ist“. Auch konnte ich Uwe Rätsch, Kenner des Wostok-Programmes befragen. Dieser fand das Buch sehr gut, zumal einige für ihn bis dahin unbekannte Geschichten enthalten sind. Also wer sich tiefgreifender mit dem Leben von Gagarin beschäftigen will, kommt trotzdem nicht an den Büchern von Kowalski vorbei.
Alles in allem ist aber für das Buch von Walker zu sagen: Empfehlenswert!
Mal was anderes – „Reise zum Meer der Sterne“, Eine Graphic Novel von Markus Bindhammer
Ich bekenne es: Ich bin ein Fan von Raumfahrt-Comics, oder auch als Graphic Novel bezeichnet. Sucht man im Bücherwald, so findet man so manches Kleinod. Zum Beispiel „Apollo 11“ oder „Der zweite Mann“. Beide Werke beschäftigen sich, wie könnte es anders sein, mit der Mondlandung.
Doch in diesem Jahr gibt es ein kleines feine Büchlein, was etwas Neues und Besonderes ist. Es ist eine Geschichte aus der Chinesischen Raumfahrt. Diese im Stil von alt-asiatischen Holzschnitten präsentiert. Der Autor Markus Bindhammer ist jemand, der sich in der Chinesischen Kultur und Raumfahrt auskennen sollte. Bindhammer lebte und arbeitete 10 Jahre in China. Durch die Teilnahme am Google Lunar X-Prize, einem mit zwanzig Millionen US-Dollar Preisgeld ausgelobten Weltraum-Wettbewerb, gewann er tiefe und sonst verwehrte Einblicke in die chinesische Raumfahrt.
Das einhundert Seiten starke Büchlein kommt als eleganter A5-großer Schwarz-Weiss-Druck daher. Die Grafiken erscheinen etwas fremdartig und exotisch. Etwas, was man sonst im deutschsprachigem Raum nicht zu sehen bekommt. Die Geschichte selber ist der Lebenslauf von Li Jing als Selbsterzählung der Potagonistin. Schon als Kind träumt sie davon, ins All zu reisen. Der Weg ist steinig, aber auch irgendwie gradlinig. Sie durchläuft die harte und langwierige Ausbildung bis sie schließlich als Taikonautin für Ihr Land in den Weltraum fliegen kann. Den Leser erwartet eine Kurzgeschichte, die gekonnt fernöstlich in Szene gesetzt ist.
Alles in Allem kommt der Buchdruck in Schwarzweiß, gepaart mit der poesievollen Ich-Erzählweise sehr authentisch daher. Man könnte meinen, es ist ein original chinesisches Produkt inklusive einem Hauch von landestypischer Propaganda. Der Schluss ist dann aber doch überraschend.
Obwohl die Geschichte und die Heldin frei erfunden sind, bilden inhaltliche Bezüge zum Unternehmen Shenzhou-10 und Shenzhou-13 den Bezug zu den realen Ereignissen.
Wenn man sich auf den Stil dieses Büchleins mit dem entsprechenden Abstand einlässt, dann ist es für erwachsene Raumfahrtfreunde zu empfehlen.
Der Dauerbrenner / der Klassiker – Das Jahrbuch SPACE2023
Dieses Jahr kommt das Jahrbuch SPACE2023, herausgegeben vom Verein zur Förderung der Raumfahrt (VFR), in Knall-Gelb daher. Autor Eugen Reichl verriet mir, dass das Titelbild mit Astronaut Gordon Cooper tatsächlich im Orginal vor einem gelben Hintergrund aufgenommen worden sein soll. Das Jahrbuch selber beinhaltet alles, was man in Sachen Raumfahrt zum vergangenen Jahr 2022 wissen sollte. Eben ein Muss für Raumfahrt-historisch Interessierte.
Der Raumfahrt-Krimi: Die Apollo-Morde von Chris Hadfield
Also dass ich das noch einmal erleben darf! Ein Mord im Raumfahrt-Milljöh! Und kein geringerer als Chris Hadfield, Astronaut ist der Autor. Hadfield hatte sich bereits in Sachbüchern (Anleitung zur Schwerelosigkeit) und Kinderbüchern (The Darkest Dark) mit Erfolg versucht. Unvergessen aber auch seine Interpretation von David Bowie mit Gitarre durch die ISS schwebend. Ein vielseitiger Mann also.
Hadfield’s Kriminalgeschichte, oder besser Thriller, spielt in einer alternativen Welt um 1973, wo in den USA die letzte, in Wirklichkeit nie geflogene, Apollo-18-Mission durchgeführt wird. Geschickt verknüpft Hadfield Tatsachen und Erfundenes miteinander. Er lässt viele bekannte Personen der Raumfahrt- und Zeitgeschichte auftreten und vermengt verschiedene Projekte, wie Apollo, Almas, Lunochod und anderes miteinander. Er stellt diese in einen Kontext, was so manchem Verschwörungstheoretiker nicht einfallen könnte. Hadfield weiß, wovon er schreibt. In einer nie langweiligen Detailverliebtheit beschreibt er Sachverhalte, so als ob er damals selber dabei gewesen wäre. Das Werk hat 639 Seiten. Ich empfehle das Hörbuch dazu. Spannung bis zum Schluss ist garantiert. Und wenn manche Rezensoren schreiben, es gäbe nur einen Mord, so habe ich doch etwas mehr gezählt. Auf jeden Fall muss man sich auf die Story einlassen immer mit dem Hintergedanken: Es ist nur eine erfundene Geschichte! Aber diese ist wirklich spannend bis zur letzten Seite wenn auch manchmal etwas „zu dick aufgetragen“ und etwas schräg.
Die deutsche Übersetzung hat sich übrigens Unterstützung beim DLR geholt. Volker Schmid, der für die Missionen von Gerst und Maurer mit verantwortlich zeichnet, war hierbei tätig. Dabei wusste er zunächst nicht, dass es sich um einen Krimi handelt, als er die speziellen Fachbegriffe erklären sollte. Seine Meinung zu dem Werk hat er mir in mein Buchexemplar geschrieben.
Fazit: „Die Apollo-Morde“ ist für mich persönlich das Raumfahrtbuch 2022. Empfehlenswert!
Zum Schluss: Natürlich sind die Buchempfehlungen der letzten Jahre nach wie vor gültig.
Links:
https://www.raumfahrer.net/zur-weihnacht-kinder-wirds-was-geben/
https://www.raumfahrer.net/weihnachten-2018-steht-vor-der-tuer/
https://www.raumfahrer.net/zu-weihnachten-space-2020/
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