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Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen die von Frostablagerungen bedeckte Oberfläche des Impaktbeckens Hellas Planitia auf dem Mars.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.
Bereits seit dem 25. Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an dieser Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an Bildaufnahmen und weitere Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten, durch deren Auswertung sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte ergeben. Die sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters lieferten dabei wichtige Beiträge zur Untersuchung der Oberflächengeologie sowie zur ‚Geschichte des Wassers‘ auf unserem Nachbarplaneten und damit auch zur Klärung der Frage, ob einstmals ‚Leben auf dem Mars‘ möglich war.
Bei einem dieser Instrumente handelt es sich um die „High Resolution Stereo Camera“ (kurz „HRSC“). Die wissenschaftliche Aufgabe dieser hochauflösenden Stereokamera besteht in der multispektralen und dreidimensionalen Erfassung der Morphologie und Topographie der Marsoberfläche, wobei unter optimalen Bedingungen eine Auflösung von bis zu 10 Metern pro Pixel erreicht werden kann. Aus diesen Daten lassen sich für die Erforschung des Mars wichtige Erkenntnisse über die aktuelle Beschaffenheit der Planetenoberfläche sowie über die vulkanische, fluviale und glaziale Geschichte des Mars ableiten (Raumfahrer.net berichtete).
Inzwischen wurden mit der HRSC-Kamera mehr als 90 Prozent der Marsoberfläche abgebildet. Die bisher angefertigten Aufnahmesequenzen wurden während lediglich etwa 4.000 Orbits angefertigt. Zum einen wird die HRSC nicht bei jedem Orbit aktiv, damit auch die anderen Instrumente der Raumsonde die für ihre Messungen nötigen Beobachtungszeiten erhalten. Außerdem herrschen nicht immer optimale Beobachtungsbedingungen für die HRSC, da eventuell zeitgleich zu dem jeweiligen vorgesehenen Aufnahmezeitpunkt auftretende störende atmosphärische Effekte wie Staubstürme oder Wolkenbildung die Beobachtungen zu stark beeinträchtigen können.
Das Impaktbecken Hellas Planitia
Zum Beispiel behinderte in den vergangenen Jahren immer wieder der in der Marsatmosphäre befindliche Staub einen ‚freien Blick‘ auf den Boden des Impaktbeckens Hellas Planitia. Dieses etwa 1.600 x 2.200 Kilometer durchmessende Einschlagsbecken entstand, als in der Zeitphase des Großen Bombardements vor etwa 4,1 bis 3,8 Milliarden Jahren ein vermutlich mehr als 100 Kilometer durchmessender Asteroid mit dem noch jungen Mars kollidierte. Durch die bei dem Impakt auftretenden Kräfte wurden zusätzlich zu dem eigentlichen Einschlagsbecken mehrere das Hellas Planitia umgebende Ringgebirge gebildet. Das äußere dieser Ringgebirge erhebt sich dabei um bis zu 2.000 Meter über das umliegende südliche Hochland des Mars.
Das Hellas Planitia ist zugleich auch das tiefste bis in die Gegenwart erhaltene Einschlagsbecken auf dem Mars. Von seinem Grund bis zum Rand des innersten Ringgebirges wird ein Höhenunterschied von mehr als 4.000 Metern erreicht. Bis zu den Gipfeln auf den weiter entfernt gelegenen Bergketten des äußeren Ringgebirges sind es teilweise sogar mehr als 9.000 Meter Höhenunterschied. Erst Ende des Jahres 2013 ergaben sich für die HRSC-Kamera Sichtbedingungen, unter denen das Innere des Hellas Planitia auch unter Bedingungen abgebildet werden konnte, welche den hohen Ansprüchen einer wissenschaftlichen Auswertung der dabei gewonnenen Daten genügten (Raumfahrer.net berichtete).
Am 23. Januar 2014 überflog Mars Express während des Orbits Nummer 12.785 das Hellas Planitia erneut und bildete bei dieser Gelegenheit einen Teilbereich dieses Impaktbeckens ab, welcher sich bei 49 Grad östlicher Länge und 46 Grad südlicher Breite befindet und somit einen Teil von dessen südlichen Regionen darstellt. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC dabei eine Auflösung von ungefähr 18 Metern pro Pixel.
Bodenfrost aus Kohlendioxideis
Auf diesen Aufnahmen finden sich eine Vielzahl von periglazialen, also durch Bodenfrost gebildeten Geländeformen. Die Oberfläche des Hellas Planitia ist hier – vergleichbar mit Raureif – in Niederungen und Senken, welche nicht vom Sonnenlicht erreicht werden, von einer dünnen Frostschicht überzogen, die aus gefrorenem Kohlendioxid besteht.
Mit einem Anteil von 95,3 Prozent stellt Kohlenstoffdioxid den Hauptbestandteil der Marsatmosphäre dar. Gefrorene Ablagerungen aus Kohlendioxid sind jedoch – abhängig von der jeweiligen Jahreszeit – auch direkt auf der Marsoberfläche relativ häufig aufzufinden, da Teile der Marsatmosphäre aufgrund des regelmäßig erfolgenden Wechsels der Jahreszeiten und der sich dabei ergebenden niedrigen Temperaturen während der Wintermonate ausfrieren und sich im Rahmen dieser Prozesse auf der Planetenoberfläche ablagern. Erst mit dem Einsetzen des „Marsfrühlings“ und dem damit verbundenen erneuten Anstieg der Temperaturen sublimiert das Trockeneis wieder und geht erneut in den gasförmigen Zustand über (Raumfahrer.net berichtete).
Zum Zeitpunkt der Anfertigung der hier gezeigten Aufnahmen herrschte im Bereich des auf der südlichen Marshemisphäre gelegenen Hellas Planitia noch tiefer Winter und der Frühlingsbeginn lag in diesen Breitengraden noch in weiter Ferne. Weite Bereiche der Region sind deshalb immer noch von einer dünnen Schicht aus Kohlendioxideis überzogen. Diese Schicht verfügt über ein vieleckiges Muster und weist zudem trichterförmige Strukturen auf, welche durch das jahreszeitlich bedingte Auftauen und Gefrieren von wasserhaltigen Schichten im Untergrund entstanden sind.
Die nach Norden weisenden Berghänge schimmern in diesen Aufnahmen in verschiedenen Bronze- und Goldtönen. Dieser Effekt wurde durch die tiefstehende Sonne verursacht, welche zum Zeitpunkt der Aufnahme ungefähr 25 Grad über dem Horizont stand. Generell fällt bei der Betrachtung der Bilder auf, dass das Gelände anscheinend ‚zweigeteilt‘ ist. Der weiter südlich gelegene Teilbereich erscheint deutlich ‚glatter‘ als die nördlich angrenzende Region. Mit dieser Aufnahme wurde auch der Rand des Hellas Chaos, einem der ‚chaotischen Gebiete‘ auf dem Mars, erfasst.
Das Hellas Chaos
Die sogenannten „chaotischen Gebiete“ zählen mit zu den interessantesten Landschaftsformen, welche die Planetologen bisher auf dem Mars beobachten konnten. Bei diesen „Chaotic Terrains“ handelt es sich um ausgedehnte Regionen, welche mit einem Gewirr von kleinen, in alle Richtungen verlaufenden und sich gegenseitig schneidenden Tälern und Schluchten durchzogen sind.
Diese Gebiete zeichnen sich zudem durch eine Häufung von unterschiedlich großen Felsblöcken und zumeist bereits stark erodierten, tafelbergähnlichen Erhebungen – sogenannten Zeugenbergen – aus, welche über eine Ausdehnung von bis zu zehn Kilometern und über eine relative Höhe von mehreren hundert Metern, in Einzelfällen sogar bis zu zwei Kilometern verfügen. Auf Fotoaufnahmen, welche aus der Umlaufbahn heraus angefertigt wurden, bilden diese Gebiete auf der Marsoberfläche ein bizarres und chaotisch anmutendes Muster.
Die Bildung dieser chaotischen Gebiete wird allgemein darauf zurückgeführt, dass sich in der Vergangenheit im Untergrund des Mars vorhandenes Eis, Wasser oder Magma verlagerte. Plötzlich schmelzendes Eis setzte im Rahmen dieser Prozesse Wasser frei, welches anschließend mit hohem Druck entlang von Spalten und Störungszonen an der Planetenoberfläche austrat. Dies hatte zur Folge, dass die ursprünglich über den Eisablagerungen liegenden Gesteinsschichten zum Einsturz gebracht wurden und in großen Schollen zusammenstürzten. Das abfließende Wasser erodierte die so entstandene Landschaft zusätzlich und vollendete die Bildung der noch in der Gegenwart erkennbaren markanten Strukturen.
Die im südlichen Bereich des Hellas Planitia befindliche Region Hellas Chaos verfügt über eine Ausdehnung von etwa 200 Kilometern in nord-südlicher und 500 Kilometern in ost-westlicher Richtung. Die Entstehung des Hellas Chaos ist – wie auch die Entstehungsgeschichten der anderen chaotischen Gebiete auf dem Mars – bisher noch nicht geklärt. Verschiedene Theorien gehen davon aus, dass einstmals große Mengen an Sedimenten im Hellas-Einschlagsbecken abgelagert wurden, welche in der Folgezeit sowohl durch fließendes Wasser als auch durch eine durch äolische Prozesse bedingte Erosion teilweise wieder abgetragen wurden.
Ein Blick auf die topographische Übersichtskarte dieser Region zeigt jedoch auch, dass sich rund um das hier befindliche chaotische Gebiet großflächig erstarrte Lavaströme erstrecken. Diese Formationen – so die Erklärungsansätze der Wissenschaftler – könnten unmittelbar nach dem für die Entstehung des Hellas Planitia verantwortlichen Impakt entstanden sein oder von einem später erfolgten Ausbruch des etwa 2.000 Meter hohen Vulkans Amphitrites Patera zeugen, welcher sich südlich des Hellas-Impaktbeckens befindet.
Bildverarbeitung und HRSC-Kamera
Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht des Hellas Planitia wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das nebenstehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Marslandschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem der vier Stereokanäle der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann geleitet. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche wissenschaftliche Team besteht derzeit aus 52 Co-Investigatoren, welche von 34 Instituten aus elf Ländern stammen.
Die hochauflösende Stereokamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern der Fachgruppe „Planetologie und Fernerkundung“ des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof erstellt.
Die hier gezeigten Aufnahmen des Hellas Planitia finden Sie auch auf den entsprechenden Internetseiten des DLR und der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.
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