Mars Express: Lavaströme am Mistretta-Krater

Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Aufnahmen der HRSC-Kamera an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen die Umgebung des Mistretta-Kraters auf dem Mars. Deutlich erkennbar sind dabei Lavaströme, welche das Erscheinungsbild dieser Region entscheidend geprägt haben.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.

NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin
Eine topografische Karte der Umgebung des Mistretta-Kraters auf dem Mars. Der von der HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist hier umrahmt.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin)

Bereits seit dem 25. Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an dieser Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an Daten und Bildern von der Atmosphäre und speziell von der Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten. Durch die Auswertung der gewonnene Daten und Aufnahmen ergeben sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte.

Am 28. November 2013 überflog Mars Express während des Orbits Nummer 12.593 den Mistretta-Krater und bildete diese Region mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, ab. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC dabei eine Auflösung von ungefähr 14 Metern pro Pixel. Die bei dieser Gelegenheit angefertigten Aufnahmen geben einen bei etwa 25 Grad südlicher Breite und 249 Grad östlicher Länge gelegenen Ausschnitt der Marsoberfläche wieder.

Der Mistretta-Krater
Der nach der sizilianischen Stadt Mistretta benannte Krater verfügt über einen Durchmesser von 16,56 Kilometern und befindet sich im westlichen Bereich der Hochebene Daedalia Planum, welche wiederrum ein Bestandteil der Tharsis-Region ist. Die Tharsis-Region bedeckt mit einer Ausdehnung von mehreren tausend Kilometern eine Fläche von rund vier Millionen Quadratkilometern und erhebt sich dabei wie eine Wulst um mehrere Kilometer über das umliegende Hochland des Mars. Neben dem Grabenbruchsystem der Valles Marineris befinden sich in diesem Gebiet auch die meisten der großen Marsvulkane wie zum Beispiel der mehr als 22 Kilometer hohe Schildvulkan Olympus Mons, der Ascraeus Mons (18 Kilometer Höhe), der Pavonis Mons (12 Kilometer) und der Arsia Mons (14 Kilometer).

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Nadir-Farbansicht der Umgebung des Mistretta-Kraters. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Diese Vulkane sind auch für die Entstehung der Tharsis-Aufwölbung verantwortlich. Planetologen gehen allgemein davon aus, dass sich die Tharsis-Region vor etwa 3,5 Milliarden Jahren während des geologischen Mittelalters des Mars, der sogenannten Hesperianischen Epoche, gebildet hat. Die äußere Kruste des Mars wurde zu dieser Zeit durch im Inneren des Planeten auftretende Kräfte aufgewölbt, was zu massiven Oberflächenspannungen führte. Diese Spannungen entluden sich unter anderem im Rahmen gewaltiger Vulkanausbrüche. Bei diesen Ausbrüchen ergossen sich große Mengen an dünnflüssiger Lava über die Marsoberfläche, welche anschließend zu ausgedehnten, mehrere Kilometer mächtigen Lavadecken erstarrte.

Auf den jetzt veröffentlichten Aufnahmen der HRSC-Kamera ist sehr gut erkennbar, wie stark der Vulkanismus diesen Bereich der Oberfläche unseres Nachbarplaneten in der Vergangenheit geprägt hat. Die Hochebene wurden weitflächig von gewaltigen Lavaströmen überflutet, welche von dem rund 900 Kilometer weiter nordwestlich gelegenen Schildvulkan Arsia Mons ausgingen. Bei diesen Lavaströmen handelt es sich um so genannte Flutbasalte – einer sehr dünnflüssigen basaltischen Lava, welche sich über weite Strecken ergießen kann. Am rechten unteren Bildrand der nebenstehenden Nadir-Ansicht ragt ein Hochlandsockel aus diesen Lavamassen heraus, auf dem sich drei dicht beieinander liegende, bereits stark erodierte Impaktkrater befinden. Bei dem Mistretta-Krater handelt es sich um den größten dieser Krater.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine höhenkodierte Bildkarte der Umgebung des Mistretta-Kraters.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Aus den Aufnahmen der HRSC-Kamera geht hervor, dass sich die Lavaströme im Rahmen von zwei unterschiedlicher Eruptionsphasen bis in das Gebiet des Mistretta-Kraters ausgedehnt haben. Zunächst bildeten die Lavaströme im südlichen Bereich des abgebildeten Gebietes (der linke Bereich in der Nadir-Ansicht) eine sehr glatte Oberfläche. Eine lang andauernde Erosion und die Ablagerung von Sand und Staub durch Wind haben die meisten der ursprünglich dort vorhandenen Unebenheiten geglättet. Speziell im unteren linken Bereich sind zudem die Ablagerungen von dunkler Vulkanasche erkennbar. Im Rahmen von zu späteren Zeitpunkten auftretenden tektonische Spannungen bildeten sich dann zahlreiche in Nord-Süd-Richtung verlaufende Grabenbrüche.

In der rechten Bildhälfte der Nadir-Ansicht sind dagegen die Ausläufer eines ausgedehnten, jüngeren Lavastroms zu erkennen, welcher erst nach dem Abschluss der Phase der tektonischen Verformungen in dieses Gebiet vorgedrungen ist. Besonders markant ist die Fließfront des Lavastroms ausgeprägt, was besonders gut in der höhenkodierten Bildkarte zu erkennen ist. Die Oberfläche dieses erstarrten Lavastroms verfügt über eine leicht plattenartige Struktur und ist von einem rauen, runzeligen Muster überzogen.

Dieses Muster bildete sich durch ein unterschiedlich schnelles Fließen der Lava, wenn diese beispielsweise an den Rändern bereits stärker abgekühlt war und dort somit deutlich langsamer floss, als in der Mitte des Lavastroms. Zudem bildete der Hochlandsockel, auf dem sich der Mistretta-Krater befindet, eine natürliche Barriere, welche von der Lava erst umströmt werden musste. Das dabei erfolgende „Anbranden“ führte dazu, das die Lavamassen hier aufgetürmt wurden.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick über die abgebildete Region.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Ein weiteres deutliches Indiz für das unterschiedliche Alter der Oberfläche ergibt sich aus der Anzahl und Größe der hier befindlichen Impaktkrater. Auf dem älteren, mit Grabenbrüchen durchzogenen Lavastrom sind mehr und größere Impaktkrater zu erkennen als auf dem jüngeren Strom.

Bildverarbeitung und HRSC-Kamera
Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht des Mistretta-Kraters wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Marslandschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt. Besonders gut ist hierbei die in der unteren Bildhälfte verlaufende Abbruchkante erkennbar.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann geleitet. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Instituten aus zehn Ländern.

Die hochauflösenden Stereokamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof erstellt.
Die hier gezeigten Aufnahmen des Mistretta-Kraters finden Sie auch auf den entsprechenden Internetseiten des DLR und der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

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